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Aura 3.0

600 meiner flickr-Bilder. Ich wäre also mit einer halben Million zufrieden (Abzüglich 10% weil das Zertifikat fehlt) /          600 of my flickr images. So I would be satisfied with half a million (minus 10% because the certificate is missing).

Es ging durch die Presse. Eine dieser Sensationen, die nicht lange vorhält. „Millionenbilder aus der Blockchain“ titelte z.B. die F.A.Z.  „Fast 58 Millionnen für ein digitales Kunstwerk“ tönte die Lokalpresse. Tatsache ist, dass die Collage `Everydays – The first 5000 days´ des Künstlers Mike Winkelmann alias Beeple (www.beeple-crap.com) für 69 346250 Dollar bei Christie’s in New York versteigert wurde.

Dass Kunstwerke teuer verkauft werden ist ja nichts Ungewöhnliches, aber hier handelt es sich um ein komplett digitales Werk, eine Datei mit jeweils 21 Megapixel Seitenlänge, zusammengesetzt aus den ersten 5000 Bilder die Beeple bei Tumblr.com  veröffentlicht hat. Letztlich etwas, was Jeder auf seinem Rechner nachbauen könnte. Ein Kunstwerk ohne jeglichen materiellen Träger. Möglicherweise ein konkretes Beispiel dafür ,was Jean-Francois Lyotard schon 1985 die `Immaterialität der Postmoderne´ genannt hat.

Wie ist das möglich? Nun das Zauberwort heißt NFT (non fungible token). NFT ist ein digitales Echtheitszertifikat, das auf Blockchain-Technologie beruht – mit anderen Worten: moderne Magie. Und die spannende Frage dabei ist, ob es diesem Zertifikat gelingt die mehrfach angekratzte Aura des Original- Kunstwerkes wiederherzustellen, die Walter Benjamin in seiner vielzitierten und wenig gelesenen  Schrift „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“  von 1936 durch Photographie und Film als bedroht gekennzeichnet hat.

Die Photographie hat dann in der zweiten Hälfte des 20ten Jahrhunderts durch exquisite, signierte und limitierte Drucke die Originalität restaurieren können und so Einzug in die Museen gefunden. Aber die Digitalisierung und Vernetzung des 21. Jahrhunderts hat dieses Paradigma auch gekippt, indem sich die Bildkunst überhaupt von materiellen Trägern gelöst und die Präsentation auf Abspielgeräte verlegt hat. Um diese Art von Kunst wieder handelbar zu machen, wurde NFT entwickelt. Es soll alles, was in Dateiform vorliegt, mit einer digitalen Signatur verschlüsseln und damit nachverfolgbar, fälschungssicher, nicht duplizierbar und einzigartig machen. Ob dadurch die – wie gesagt schon mehrfach verstorbene – Aura wiederbelebt werden kann, wird sich zeigen. Man kann ja mal versuchen, Benjamins Definition darauf anzuwenden:

„Die Definition der Aura als `einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie sein mag´, stellt nichts anderes dar, als die Formulierung des Kultwertes des Kunstwerks in Kategorien der raum-zeitlichen Wahrnehmung. Ferne ist das Gegenteil von Nähe. Das wesentlich Ferne ist das Unnahbare. In der Tat ist Unnahbarkeit eine Hauptqualität des Kultbildes. Es bleibt seiner Natur nach `Ferne so nah es sein mag´. Die Nähe, die man seiner Materie abzugewinnen vermag, tut der Ferne nicht Abbruch die es nach seiner Erscheinung bewahrt.”

It went through the press. One of those sensations that doesn’t last long. “Pictures worth millions from the blockchain” was the headline of the F.A.Z.  “Almost 58 million for a digital work of art” was the headline of the local press. The fact is that the collage ‘Everydays – The first 5000 days’ by the artist Mike Winkelmann alias Beeple (www.beeple-crap.com) was auctioned off at Christie’s in New York for 69 346250 dollars.

It is not unusual for works of art to be sold at a high price, but this is a completely digital work, a file with 21 megapixels on each side, composed of the first 5,000 images that Beeple published on Tumblr.com. Ultimately, something that anyone could recreate on their computer. A work of art without any material carrier. Possibly a concrete example of what Jean-Francois Lyotard already called the ‘immateriality of postmodernity’ in 1985.

How is this possible? Well, the magic word is NFT (non fungible token). NFT is a digital certificate of authenticity based on blockchain technology – in other words, modern magic. And the exciting question is whether this certificate will succeed in restoring the repeatedly scratched aura of the original work of art, which Walter Benjamin identified as being threatened by photography and film in his much-cited and little-read essay “The Work of Art in the Age of Its Technical Reproducibility” of 1936.

In the second half of the 20th century, photography was able to restore originality through exquisite, signed and limited edition prints and thus found its way into museums. But the digitalization and networking of the 21st century has also overturned this paradigm by detaching visual art from material carriers altogether and shifting the presentation to playback devices. NFT was developed to make this kind of art tradable again. It is supposed to encrypt everything in file form with a digital signature and thus make it traceable, forgery-proof, non-duplicable and unique. It remains to be seen whether this will revive the aura, which, as I said, has already died several times. You can try to apply Benjamin’s definition to it:

“The definition of aura as ‘the unique appearance of a distance, however near it may be’ represents nothing other than the formulation of the cult value of the work of art in categories of spatio-temporal perception. Distance is the opposite of proximity. The essentially distant is the unapproachable. In fact, unapproachability is a main quality of the cult image. It remains by its nature ‘distant as it may be near’. The closeness that one is able to extract from its matter does not detract from the distance that it retains after its appearance.”

Translated with the help of www.DeepL.com/Translator

2 Comments

  1. Clemens

    Hi Rolf, bei Bildern hat man wenigstens noch was “vor Augen”. Denken wir an Kryptowährung, ist das ja noch abstrakter. Allerdings ist das mit dem Geld ja schon lange so: Alles nur noch Bits und Bytes. Fragt sich, was eigentlich überhaupt einen Wert ausmacht. Bei Geld der Gegenwert, bei Dingen Aufwand und Nutzen, bei Handlungen die aktive Kontrolle und bei Bildern bzw. Kunst liegt der Wert warscheinlich einfach im “Auge des Betrachters”. Letzlich ist der Wert etwas subjektives. Ein Bild ist für einen “dummen Hund” überhaupt nichts wert. LG, Clemens

    • Rolf Noe

      Es ist wie Harari es für das Geld schön rausarbeitet hat, nur eine Frage des Vertrauens. Solange die Leute dran glauben funktioniert das Geld. Aber wehe sie fangen wieder an mit Muscheln zu tauschen… Mit den Digitalwährungen kann man im Augenblick ja auch eine Art Kampf darum beobachten, welche Währung sich als so zuverlässig rausstellt, dass die Leute anfangen damit zu handeln. So ist es mit diesem Zertifikat. Wenn der Kunsthandel darauf einsteigt und viel Geld in eine paar verwirrte aber scheinbar sichere Elektronen investiert, dann funktioniert der Zauber.

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