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Beach Portraits

Ich kenne die Bilder schon länger. Leute in Badebekleidung – und mit irgendwie ernstem Blick. Keine Spur von „surf & fun“. Dachte mir immer: ja, kann man machen – aber wozu? Und dann habe ich ein Abstecher nach Frankfurt gemacht und mir, weil es im FFF immer noch den unbunten Martin Parr zu sehen gibt, im Städel die immerhin schon 20 Jahre alte Serie „Beach Portraits“ von Rineke Dijkstra angeschaut. Ein bisschen geärgert habe ich mich darüber, dass ich, obwohl ich kein Interesse an Rembrandt in Amsterdam habe, den nicht unerheblichen kompletten Eintrittspreis zahlen musste, um die paar Fotos zu sehen.

Ich wurde nicht enttäuscht. Und durfte mal wieder erleben, wie die direkte und unmittelbare Auseinandersetzung mit Bildern in einer Ausstellung ein ganz anderes, und ich finde tieferes Verständnis dessen ermöglicht, was man da sieht. Zum einen der Strand. Es sind nie schicke Sandstrände, sondern einfach Orte an der Küste und das Meer bildet den Hintergrund. Das ist schon mal eine sehr starke Klammer, die die Bilder zusammenhält. Die Menschen, oft noch jung oder sogar noch Kinder, nehmen selbstbewusste Posen ein und schauen irgendwie ernst in die Kamera. Kein “Vögelchen” und kein „Cheese“, einfach nur dastehen in Badekleidung mehr oder weniger schick, aber immer eben nur notdürftig bekleidet. Vielleicht auch daher die Scheu, die Zurückhaltung in Pose und Mimik.

Irgendwie kann mir sogar der Gedanke, dass man in der Badehose fast noch nackter, exponierter dasteht, als wenn man wirklich nackt wäre. Man zeigt dann neben seinem Körper eben auch ein wenig die soziale Herkunft, die sich in der Art zeigt, wie welcher Badeanzug getragen wird. Ganz klar ist das bei den Jungs in Polen (siehe unten), die in weißem Feinripp am Strand stehen. Selbst der Junge auf dem Plakat (siehe Bild ganz unten), der versucht cool auszusehen, offenbart, mit der Art wie er sein Hemd vorne zusammengeknotet hat, woher seine Vorstellung von ‚chic‘ herstammt.

I’ve seen these pictures for a long time. People in swimwear – and with a somewhat serious look on their faces. No trace of ‘surf & fun’. I always thought; yes, you can do it – but why? And then I made a detour to Frankfurt and, because the FFF was still showing the off-colour Martin Parr, I went to the Städel to look at Rineke Dijkstra‘s ‘Beach Portraits’ series, which is already 20 years old. I was a little annoyed that, although I have no interest in Rembrandt in Amsterdam, I had to pay the not inconsiderable full admission price to see the few photos.

I was not disappointed. And I was once again able to experience how the direct and immediate confrontation with pictures in an exhibition enables a completely different, and I think deeper, understanding of what you are seeing. Firstly, the beach. They are never fancy sandy beaches but simply places on the coast and the sea forms the background. That is a very strong bracket that holds the images together. The people, often still young or even children, strike confident poses and somehow look seriously into the camera. No ‘Vögelchen’ and no ‘cheese’, just standing there in swimwear, more or less chic but always only scantily clad. Maybe that’s why they’re so shy and reserved in their poses and facial expressions.

Somehow I even like the idea that you appear even more naked and exposed in your swimming trunks than you would if you were really naked. In addition to your body, you also show a bit of your social background, which is reflected in the way you wear your swimming costume. This is very clear with the boys in Poland (see below) standing on the beach in white fine ribs underwear. Even the boy on the poster (see last picture), who is trying to look cool, reveals where his idea of ‘chic’ comes from with the way he has knotted his shirt at the front.

Einen Schlüssel für die gesamte Serie liefert die Hängung freundlicherweise mit. Ein Portrait von Rineke Dijkstra(siehe oben) – auch Ganzkörper, stehend – in einem Hallenbad im Jahre 1991. Das Selbstportrait wurde im Rahmen einer Reha aufgenommen, die die Künstlerin nach einem Unfall absolvieren musste. Sie sieht auf dem Bild sehr verletzlich aus und letztlich ist es genau dies, was die Portraits der Serie so besonders macht. Man sieht die Verletzlichkeit somit auch die Individualität eines jeden Protagonisten und man öffnet sich dadurch eben auch selbst ein wenig mehr und fühlt seine eigene Verletzlichkeit und Vergänglichkeit, und das ist, zumindest scheint es mir so, angesichts dieser Bilder, ein großer Teil unserer Menschlichkeit. Und es ändert nichts an dieser Tatsache, dass ein Teil der Menschheit glaubt, diese Verletzlichkeit durch Aggressivität oder gar Gewalttätigkeit überspielen zu müssen.

The hanging of the exhibition kindly provides a key for the entire series. A portrait of Rineke Dijkstra (see above) – also full-body, standing – in an indoor swimming pool in 1991. The self-portrait was taken as part of a rehabilitation programme that the artist had to undergo after an accident. She looks very vulnerable in the picture, and ultimately this is precisely what makes the portraits in the series so special. You can see the vulnerability and therefore the individuality of each protagonist, and you open yourself up a little more and feel your own vulnerability and transience, and that is, at least it seems to me, in view of these pictures, a large part of our humanity. And it doesn’t change the fact that some people believe they have to cover up this vulnerability with aggression or even violence.

4 Comments

  1. kopfundgestalt

    So etwas gab es auch im mmk1 im januar 2024.
    Ich sah damals akomfrah in der schirn.

    Das fotografierforum in fff ist einer der punkte , die meist interessant sind

  2. Andreas

    Danke für den Hinweis und den schönen Artikel. Bislang ist mir Dijkstra immer durch die Lappen gegangen, aber nach F schaffe ich es bestimmt. Immerhin hat ihr Deadpan-Stil bei mir starke Spuren hinterlassen, auch wenn ich nur kleine Teile ihres Werkes kenne.
    lG, Andreas

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