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Bildbeschreibung, die Erste

Ein Gegengift gegen den oberflächlichen Umgang mit Bildern, der aufgrund ihrer Allgegenwart und Überfülle heute sich anbietet, wollen wir mal die etwas antiquierte Form der Bildbeschreibung aus der Schublade ziehen, wohin sie nach quälenden Erfahrungen in den letzten Schuljahren verbannt wurde. Sie zwingt einen beim Bild zu verweilen und den Eindruck, den es auf einen macht in Worte zu fassen. Bernhard hat das Bild zur Verfügung gestellt ohne vorab etwas dazu zu sagen.

1 Stefan

Okay, fang ich mal an mit der Foto-Besprechung:

Du [Bernhard] hast mir/uns ein Foto übersandt (gezeigt, vorgelegt) und dazu den Vorschlag gemacht, es gemeinsam zu besprechen.

Was die Herstellung des Fotos betrifft, fehlt mir abgesehen von einem vagen Hinweis auf Frankreich (“Frankreich – Foto Kopie”) jede nähere Information. So weiß ich weder, wer das Foto geknipst hat, noch wo er oder sie es geknipst hat, noch auf welche Darstellung und auf welchen Zweck es beim Herstellen des Fotos abgesehen war. (Entsprechend auch nicht, ob eine Verwendung als Einzelfoto mit oder ohne Text oder z.B. eine Verwendung in einer Bildfolge mit oder ohne Text vorgesehen war.)

Wenn ich das Foto betrachte, spricht zumindest für mich nichts für eine “Manipulation” (Fotomontage o. ä.) und alles dafür, dass es sich hier zunächst um eine schlichte (fotomäßige) “Ablichtung” einer ausschnitthaften optischen Ansicht der Realität, der Wirklichkeit, der Welt von Gegenständen, in der wir leben, handelt.

Genauer besehen finden sich hier (in einem allein qua Foto nicht genau bestimmbaren historischen Augenblick) u.a. “abgelichtet” die optische Ansicht von zwei Erwachsenen (eines Mannes und einer Frau), von sieben Kindern (Jungen und Mädchen); von zwei runden Gartentischen, mehreren Gartenstühlen; von einem erdig wirkenden und mit Baumblättern bestreuten ebenen Boden eines wohl öffentlichen Gartens oder oder öffentlichen Platzes (Kriterium: Frau trägt Bauchtasche, was sie wohl kaum im eigenen Garten (privaten Bereich) tun würde); von an Zweigen herabhängenden Blättern eines Baumes, dessen Stamm von einer Hecke umrundet wird, und von einer Hecke am unteren Teil eines gerundet verlaufenden Gemäuers, das den Garten oder Platz zumindest teilweise nach hinten abschließt. Sowohl Fotoqualität als auch sommerliches Freizeit-Outfit der Personen, deren optische Ansicht “abgelichtet” wurde, sprechen mir dafür, dass das Foto auf jeden Fall nach dem Zweiten Weltkrieg und vermutlich irgendwann in den letzten 30 (oder 40?) Jahren aufgenommen wurde. Das Foto wirkt wie zufällig aufgenommen (auf mich), was freilich nicht ausschließt, dass ihm ein strenges kompositorisches Arrangement zugrunde liegt. Und frage ich mich nun, auf welche Darstellung es der Foto-Hersteller mit seinem Foto abgesehen hatte oder als was für eine Darstellung man es überhaupt verstehen könnte, so könnte ich zur Beantwortung zunächst versuchen, kompositorische Faktoren zu Rate zu ziehen; ich könnte mich also z.B. fragen, wie es hinsichtlich einer mit dem Foto geleisteten Darstellung mit der “Drittel-Regel” oder einer Diagonal-Aufteilung oder qua Verteilung der Personen in Vorder-, Mittel- und Hintergrund bestellt ist oder auch wie sich eine Licht-Schatten- bzw hell-dunkel Verteilung oder die diversen zu Ellipsen “verperspektivierten” Kreise bzw. Kreisformen (als “Guiding-lines”?) deuten ließen. Dies hat mir jedoch, nachdem ich´s gemacht habe, nicht viel gebracht (vielleicht einfach noch zu wenig diesbezügliche Übung, zudem eine gewisse Eile (noch jede Menge anderes zu tun) und vor allem – zugegeben – ziemliches Desinteresse am speziellen Foto (was sich im Zuge einer Besprechung ja vielleicht ändern könnte)). (Auch könnte ich mich fragen, ob mit dem Foto z.B. irgendwelche “klassischen” Bildkompositionen “zitiert” werden, und wenn ja, ob sich darüber eine intendierte Darstellung und auch weitere Möglichkeiten eines darstellungsmäßigen Verständnisses des Fotos eruieren ließen: Allerdings würde es mir hier zur Beantwortung schlicht an kunsthistorischen Kenntnissen fehlen.) Und wenn ich nun darauf fokussiere, dass vier der Kinder vom Betrachter abgewandt (drei seitlich, eins mit dem Rücken zum Betrachter) auf den Hacken am Boden hocken (“Kaka-Stellung”?), dabei auf irgendwas vor ihnen auf dem Boden schauen, ein Kind, fast in Bildmitte und auf den Boden schauend, auf den Betrachter zugelaufen kommt, ein stehendes Kind irgendwas zu lesen scheint (wie der männliche Erwachsene), ein Kind, das auf einem Stuhl hockt, von den anderen weg über die Schulter schaut, der männliche Erwachsene im linken oberen Drittel des Bildes (Hintergrund), mit den Füßen im Schatten, ansonsten von der Sonne beschienen, stehend liest und die Frau (wie der Mann im linken Drittel des Bildes, aber eher im Mittelgrund) mit verschränkten Armen und den Blick (wie suchend) auf den Boden gerichtet zu gehen scheint; und des weiteren darauf fokussiere, dass auf dem Foto kein Himmel zu sehen ist, sich alle Personen zumindest mit den Füßen im vom (vor allem vom) Baum geworfenen Schatten befinden und last not least alle gemeinsam und doch jeder für sich entweder zu lesen oder etwas zu suchen oder sich mit etwas Gefundenem zu beschäftigen scheinen …

Angenommen, das Foto ist (analog zu deiner Übersendung) gedacht für eine Einzelpräsentation in einer Fotoausstellung ohne Befügung von Text, nicht mal einem Titel, dann muss ich mich leider fragen (und meinen ersten Beitrag an einer Besprechung damit beschließen): Was zum Teufel könnte hier nun mittels Foto dargestellt sein? Und wie zum Teufel könnte man das Foto dann einer jeweiligen Darstellung entsprechend, die mit ihm geleistet wird, verwenden und entsprechend verstehen?

2 Rolf

Beginnen wir mit dem `Studium´. Obwohl ich gar Nichts über das Bild weiß, kann ich indem ich es beschreibe erkunden wieviel sozusagen drin steckt.

Wir sehen in einem Park oder in einer an ein Gebäude angrenzenden Grünanlage 7 Kinder, die von zwei Erwachsenen verschiedenen Geschlechts beaufsichtigt oder zumindest begleitet werden. Es könnte sich um eine Familie handeln, wären die Kinder nicht alle ungefähr gleich alt. Es könnte auch eine Kindergartengruppe sein, die von der Frau beaufsichtigt wird, denn wir wissen nicht, ob der Mann wirklich dazu gehört. Die Szene wirkt mediterran und ich würde am ehesten auf Frankreich tippen, wenn ich das Dargestellte verorten sollte. Man kann im Hintergrund eine grob gemauerte halbhoher Mauer sehen, die mit einem Gebäude oder Gebäudekomplex verbunden ist, den man rechts im Hintergrund erahnen kann. Vor der Mauer eine ordentlich geschnittene Hecke etwa schulter- hoch. Um den uralten Ahorn, der mit seinen Blättern die ganze Szene beschattet und das Bild somit zusammenhält ist eine Runde etwa hüfthohe Hecke zu sehen, die auch aus Buchs oder ähnlichen Sträuchern besteht. Vor der Hecke sind 2 Metalltische und 7 verschnörkelte Metallstühle zu sehen. Diese sind locker um die Tische angeordnet. Auf einem der Stühle sitzt ein Mädchen und schaut als einzige Person Richtung Betrachter (bzw. Photograph). Ein anderes, blondschopfiges Kind kommt gesenkten Blickes auf den Betrachter zu geschritten. Alle anderen Kinder stehen oder hocken auf dem sandigen Boden und sind in nicht näher erkennbare Spiele vertieft.

Der sandige Boden könnte auf einen Ort in Küstennähe hindeuten, könnte aber auch einfach der gängige Bodenbelag irgendeines französischen Parks sein. Das Bild atmet  Urlaubs- oder Ferienatmosphäre. Links im Vordergrund sieht man an den hellen Stellen des Schwarzweißbildes deutlich, dass die Sonne scheint aber der Ahorn spendet für das restliche Bild großzügig Schatten. Die Erwachsenen haben Minirock und kurze Hose an, was, ganz nebenbei, bedeutet, dass das Bild nicht älter als 50 Jahre sein wird. Die Frau hat ein Bauchbeutel für wichtige Utensilien und der Mann hat eine kleine Kamera mit einem Gurt lässig über die rechte Schulter hängen. Er liest in ein Papier, das für ein Buch zu dünn ist. Eventuell Land- oder Speisekarte, die Tische sehen aber nicht so aus, als ob sie zurzeit gastronomischen Zwecken dienen. Auf Ihnen sind als dunkle Flecken Verschmutzungen zu sehen, die wahrscheinlich aus dem alten Baum herabgefallen sind.

Von der Komposition des Bildes her, kann man sagen, dass einige der Linien im unteren Teil der oberen Hälfte des linken Bildrandes zusammenlaufen, in der die Erwachsenen stehen und auf das Blatt bzw. auf den Boden starren. Die Mauer bzw. die Hecke laufen horizontal dorthin. Die Licht- Schattengrenze läuft diagonal aus dem rechten unteren Eck auf die beiden Erwachsenen zu. Und die Kinder sind mit Ausnahme des im Vordergrund hockenden Jungen oberhalb dieser Diagonale angeordnet. Dieser Junge links im Vordergrund hockt aber auch auf der Licht Schatten Grenze und bildet eine Art Gegengewicht zu dem massiven Ahornstamm, der rechts im Hintergrund das Zentrum des Schattens andeutet.

Soweit das Beschreibbare. Dieses eher ruhige beschauliche Bild bietet relativ wenig Anlass sich irgendeinem Detail zu stoßen oder von einem der Details berührt zu werden. Die Fragen die es bei mir nichtsdestotrotz hinterlässt sind, wie diese Menschen, die Jeder irgendwie mit sich selbst beschäftigt und irgendwie auch versunken wirken miteinander zusammenhängen? Sind die verschränkten Arme der Frau einfach ihre Art die Arme zu parken oder hat diese Geste etwas Abweisendes? Plant der Mann die nächste Etappe des Ausflugs oder schaut er hinter seiner Sonnenbrille versteckt einfach nur auf das Blatt um nicht angesprochen oder sonstwie gestört zu werden? Schaut das Kind auf dem Stuhl den Fotografen an oder starrt es einfach nur so vor sich hin? Warum spielen alle Kinder nur alleine und nicht miteinander?

3 Bernhard

Ergänzend zu euren Ausführungen zunächst noch ein paar bildbeschreibende Punkte.

Es scheint so, als suchten die meisten der hier versammelten Menschen Schutz vor der Sonne – im Schatten einer weit ausladenden, alten Platane (die laut Internet oft mit dem Ahorn verwechselt wird; eindeutiges Indiz pro Platane: die sich speziell schälende Rinde). Auf einen hochsommerlich hohen Sonnenstand deuten die Schatten hin, die zum einen der im Vordergrund kauernde Junge, zum anderen der Kopf und der rechte Unterarm des als einziger im direkten Sonnenlicht Stehenden, und dabei ein nicht fest gebundenes Schriftstück betrachtenden Mannes werfen. Die Verwendung eines Weitwinkelobjektivs und der Kamerastandpunkt ergeben einen relativ großen Bildwinkel plus einen guten Überblick. Das Foto ist durchgängig scharf (= hohe Tiefenschärfe). Vier der fünf Kinder „sandeln“ meines Erachtens, dafür sprechen spezifische Spuren im Boden. Vielleicht ist der sandige Boden im nicht sonnenbeschienen Bereich von einem Regenguss noch feucht, und dadurch formbar? Die wie Schmutz anmutenden Stellen auf den Tischen würde ich als vom Baum abgefallene (trockene?) Blätter deuten; weitere solcher Blätter finden sich über den Boden verstreut. Hin und wieder mit dem Attribut „romantisch“ beworben, sind ähnliche wie die abgebildeten Stahlmöbel etwa als „Bistro-“ oder „Garten-Set“ im Handel erhältlich. Die genauen, auf dem Foto zu sehenden Produkte ließen sich nicht ermitteln. Gerne entzieht sich der Aufmerksamkeit der oben rechts die Szenerie durch eien Tür betretende (oder verlassende), mit einem weißen T-Shirt gekleidete Mann. Er dürfte vergleichbaren Alters sein wie die beiden anderen Erwachsenen. Weiß man um ihn, scheint er die aufgrund minimal geneigter Kamera nach links kippende gedachte Horizontlinie auszutarieren und das Geschehen gewissermaßen optisch wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Alle Protagonisten haben ihre Köpfe gesenkt – außer das auf einem der Stühle sitzenden Mädchen: Es blickt aufmerksam am Latzhosen-Bub vorbei auf etwas rechts vom Photographen Befindliches/Stattfindendes.

Komposition

Von der Komposition her lässt sich das Bild in Vorder-, Mittel- und Hintergrund unterteilen (vorne der kauernde Junge; im Mittelgrund die Ebene, in der die Tische stehen; hinten die Hecke und die Mauer). „Zu Ellipsen verperspektivierte Kreise bzw. Kreisformen“ sehe ich eher nicht. Es sei denn, die Tischplatten sind gemeint, die wahrscheinlich auch in der Aufsicht oval sind (eine Form, die sich – gestalterisch konsequent – dann auch in der Rückenlehne der Stühle wiederholen würde)? Wollte man eine weitere „guiding line“ ablesen, böte sich meines Erachtens eher eine räumliche Diagonale an, die sich zwischen dem hinten links stehenden Mann und dem Latzhosen-Bub konstruieren ließe. Aufgrund der in diesem Bereich besonders eindeutigen, kontrastbedingten Figur-Grund-Beziehung fallen mir als erstes der ganz rechts stehende Stuhl und die beiden Jungen daneben ins Auge, wobei der Stuhl ziemlich genau im goldenen Schnitt platziert ist. Alle wesentlichen Bildelemente sind der Fläche einbeschrieben, ohne den Bildrand zu berühren oder zu durchdringen. Auch überschneiden sich die Konturen der abgebildeten Menschen nicht.

Aufnahme und Bildbearbeitung

Das Foto habe ich freihändig und im Stehen in Südwestfrankreich (Dordogne) aufgenommen. Der genaue Ort und das exakte Aufnahmedatum erinnere ich nicht und sie lassen sich auch nicht rekonstruieren. Ebenso wenig die Nationalität der Abgebildeten und deren Verhältnis zueinander. Alles dürfte aber in den 1990er Jahren stattgefunden haben. Als Film verwendete ich einen Kodak Tri-X mit 400 ASA, also einen Schwarzweißfilm mit höherer Empfindlichkeit und vergleichsweise höherer Körnigkeit, ersichtlich an dem Bildausschnitt mit dem Mädchen oben. Die Körnigkeit, ersichtlich an dem vor einigen Jahren angefertigten Scan liegen, der von der Qualität her nicht High End ist. Als Kamera kam eine Konica Hexar mit lichtstarker 2,0/35er Festbrennweite zum Einsatz. Dieses Modell wurde von 1993 bis 1997 produziert, verfügt zwar über Autofokus und Belichtungsautomatik, angesichts des zu bewältigenden extremen Kontrastumfangs werde ich aber mit einer manuellen „Schnappschuss“-Voreinstellung gearbeitet, und dabei auf ausreichend Tiefenschärfe (kleine Blende) geachtet haben. Außerdem aktivierte ich mit Sicherheit den an Bord befindlichen, für diskretes Auslösegeräusch sorgenden „silent mode“, damals noch eine Seltenheit und für mich ein wichtiger Kaufgrund. Das mit dem Smartphone auf die Schnelle über einem Leuchttisch aufgenommene Foto des Negativs oben weist es als Belichtung Nummer 32 (von insgesamt 36 mit dem Kleinbild-Rollfilm möglichen) aus. Es ist das einzige von diesem Film erhalten gebliebene Negativ. Ich kann also nicht sagen, ob ich das Motiv nur ein Mal oder in Variationen abgelichtet habe, vermute aber, dass es sich um ein Einzelmotiv handelt, sonst hätte ich die anderen Negative wahrscheinlich ebenfalls aufbewahrt. Bei der dezenten Nachbearbeitung der Datei im Photoshop beschränkte ich mich auf eine „Rekonstruktion“ der zur Aufnahmezeit wahrscheinlich geherrscht habenden Lichtverhältnisse, die von der Filmemulsion nur annähernd wiedergegeben werden konnten (partielles Abwedeln und Nachbelichten, Kontrast anheben, …).

Rezeption und Interpretation

Seit zwei Jahren hängt ein größerer Alu-Dibond-Print „als Einzelpräsentation“ im Treppenhaus vor unserer Mietwohnung, der mittleren in einem Dreifamilienhaus. Zuvor war ich der einzige, der regelmäßig über das Foto „meditierte“. Recht bald sprach mich die Partei über uns an – der Vermietersohn und seine Frau – , das Foto sei „toll“, sie würden es oft und gerne anschauen, manchen ihrer Besucher sei es ebenfalls sehr positiv aufgefallen, „vielen Dank dafür“, etc. Kein Anbiedern, sondern spontan geäußerte, ehrliche Meinung. Also ist was dran an dem Bild, dachte ich mir, es scheint auch andere „anzusprechen“, zu „berühren (?)“. Um es auf weiteren „Gehalt“ abklopfen zu lassen, um hinter sein(e) „Geheimnis(se)“ zu kommen, und weil ich es für mich schon immer ein „philosophisches“ Foto nenne, beschloss ich jüngst, es zwei studierten Philosophen zur „Besprechung“ zu mailen, zumal sich diese beiden Zeitgenossen aktuell unter anderem aus gebrauchstheoretischer Sicht intensiv mit dem Thema Fotografie beschäftigen. Die ersten Rückmeldungen decken sich großteils mit meinen „Erkenntnissen“. Und über wesentliche Punkte herrscht bei den beiden ebenfalls Einigkeit. Müssten sie dem Bild einen Titel, ein Motto, einen Überbegriff geben, könnte dieser wohl in etwa lauten: „Alle gemeinsam, und jeder für sich“. Auch mir scheint das die, oder zumindest eine, „Essenz“ dieser „Ablichtung einer ausschnitthaften optischen Ansicht einer Realität“ zu benennen. Alternativ könnte ich noch beispielsweise „Innehalten“, oder – kryptisch – „Einladung“, oder – noch kryptischer – „9/11“ vorschlagen. Doch, ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass dieses Foto unbedingt einen Titel benötigt. Genauso wenig wie die Nennung des Autors. Ja, Rezensent 1, das Foto ist zufällig aufgenommen, also nicht inszeniert. Ich entsinne mich aber beim besten Willen nicht, warum ich es damals gemacht habe. War es vielleicht der grafisch exponierte Stuhl, der zuerst meine Aufmerksamkeit erregte, um mir dann in einem „entscheidenden Moment“ wie ein Schlüssel den Blick für die ganze Komposition zu öffnen? Möglich, denn klar kannte ich Brassais „Chaisse aux Tuileries“ (vers 1930), siehe Foto unten. Über weitere Beweggründe müsste ich indes spekulieren, doch das möchte ich ebenso wenig, wie mich an dem im Kunstbereich verbreiteten Interpretationslarifari zu beteiligen.

Sorry, no translation available for this article. Try the Google translator button on the right side of the text or use DeepL, which I find quite helpfull.

3 Comments

  1. Harald S.

    Das aufmerksame Betrachten von Bildern im Internet ist nicht so weit verbreitet. Die sozialen Netzwerke und Photo-Plattformen, auf denen die meisten Bilder veröffentlicht werden, haben einen hohen Durchsatz an Bildern. Ständig rollt Neues heran. Das verkürzt die Aufmerksamkeitsspanne für ein einzelnes Bild erheblich.

    Das besprochen Bild fällt aus dem Rahmen der heute üblichen Photos. Es ist analog entstanden und „lebt“ als Wandbild in einem Treppenhaus. Sein Auftritt im Netz findet als Inszenierung statt. Es ist „Star“ eines Blogbeitrags zum Thema Aufmerksamkeit.

    Die Konsequenzen könnten lauten: Weniger Photos, Bilder gehören an die Wand und Mehr Zeit zum Betrachten nehmen.

    • Rolf Noe

      Ja, und das Photo hat natürlich auch was, das es prädestiniert länger betrachtet zu werden. Stefan hat es in einem unveröffentlichten Fazit als ein `Rätselbild´ bezeichnet. Da ist was dran. Es beantwortet nicht alle Fragen, die man an es stellen kann. Es läßt sogar dem Photographen gegenüber einige Fragen unbeantwortet. Vieleicht ist das der Stachel an diesem Bild (das `punctum´ wie Roland Barthes es nennt). Was auch nach ausführlicher Beschreibung und Analyse offen bleibt…

  2. gkazakou

    Es ist ein interessanter Versuch,und das eher langweilige schulmäßige Verfahren der “Bildbeschreibung” wird diesem Foto aus den vordigitalen 80er Jahren durchaus gerecht.. – Inhaltlich: es hat etwas Enigmatisches. Alle scheinen etwas zu suchen – am Boden die meisten, der Mann im Hintergrund auf Papieren. Ausnahme: das Mädchen auf dem Stuhl, dessen Blick neue Rätsel aufgibt. Ich tippe drauf, dass hier ein Spiel organisiert wurde: entweder ist etwas am Boden versteckt worden, oder aber die kleinen Kinder hocken am Boden und sollen nicht sehen, wohin der zentrale Juge geht, um sich zu verstecken. Doch es gibt bei dieser Interpretation ein Problem: alle Menschen, groß und klein, wirken unfroh, fast bedrückt, und die Frau scheint innerlich zu frösteln. Auch das “social distancing” der Kinder ist befremdlich, als wäre der Titel “jeder für sich und Gott gegen alle” (Kaspar Hauser-Film von Herzog). Ich verstehe, dass die Wohnungsnachbarn sinnend vor diesem Blld stehenbleiben, um es in sich aufzunehmen, vielleicht, dass sich ihnen das Rätsel offenbart.

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