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Bilder lügen nicht /Pictures do not lie

An Weihnachten habe ich ein älteres Buch in die Hände bekommen, das den plakativen Titel „Bilder, die lügen“ trägt. Es ist der Katalog einer Ausstellung der `Bundeszentrale für politische Bildung´ und der `Stiftung Haus der Geschichte´, die ab Ende 1998 in verschiedenen Museen in ganz Deutschland zu sehen war. Diese Schau zeigte ausgewählte historische Beispiele von Bildmanipulationen.

Am bekanntesten ist vielleicht das Bild von Lenin mit seinen Genossen in dem, auf dem Weg zum Stalinismus, nach und nach alle Trotzkisten rausretuschiert worden. Dieses Muster zieht sich in den Ostblockstaaten anscheinend durch. Auch in der DDR und in der Tschechoslowakei fanden solche Bildsäuberungen statt. Die Beispiele aus dem Westen sind etwas einfallsreicher aber nicht weniger perfide. Am aktuellsten vielleicht, weil wir gerade den Spätschäden dieser Lügen beiwohnen, ist die Inszenierung des Golf-Krieges in den Neunziger Jahren. Eine Mischung aus Lügen, selektiver Darstellung und Einschränkung der Berichterstattung lässt die Strategien des 21ten Jahrhunderts bereits erahnen.

Insgesamt eine recht interessante Zusammenstellung. Aber auf jeden Fall, möglicherweise um des Effekts willen, falsch betitelt. Bilder lügen nämlich nicht. Lügen ist eine Handlung die eigentlich nur Menschen vollziehen können, da lügen als bewusste Falschaussage definiert ist. Derjenige, der lügt, kennt die Wahrheit. Weder das Bild lügt noch der arme Dunkelkammer-Knecht, der für Stalin oder Bush die Manipulation vornehmen musste. Alles nur technische Manipulationen,  die damals  z.T. noch recht aufwendig waren und heute, glaubt man der Software-Werbung, mit einem Klick zu erledigen sind. Wie kommt es aber, dass versucht wird dem Bild die realitätsverdrehende Handlung in die Schuhe zu schieben? Das kann eigentlich nur vorkommen, wenn man das Bild naiv als stummen Zeugen der Ereignisse betrachtet und außer Acht lässt, dass Jemand das Bild gemacht, Jemand weiteres das Bild entwickelt und womöglich jemand Drittes das Bild manipuliert hat.

Das Bild war noch nie ein zuverlässiger Zeuge sondern immer schon selektiv aufgenommen, expressiv aufgearbeitet und manchmal bewusst manipuliert. Was sich aber seit der analogen und ganz frühen digitalen Zeit (auf die sich diese Ausstellung Bezug) geändert hat ist tatsächlich die freie Verfügbarkeit und leichte Handhabbarkeit von Manipulationswerkzeugen. Schon in der Kamera bewirkt das Einstellen des Sonnenuntergangs-Programms, dass die Farben und Kontraste das gesehene Bild deutlich in den Schatten stellen. Und niemand macht RAW-Bilder um sie unverfälscht zu zeigen eher schon, um Sie noch besser manipulieren zu können. Heute ist das manipulierte Bild der Normalfall. Man will schließlich beeindrucken. Heute wird auch nicht mehr das herausgestellt was manipuliert ist sondern höchstens das was schlecht manipuliert ist, wie es z.b. durch Doc Martens in seiner Zeitschrift DOCMA , dem Zentralorgan für gekonnte Bildmanpulation, über Jahre hinweg in einer eigenen Rubrik angeprangert wurde.

Der Untertitel des eingangs erwähnten Buches „X für U“ fasst den Zusammenhang doch deutlich besser, ist er doch eine Kurzform für die volkstümliche Aussage „Jemand macht Jemand anderem ein `X´ für ein `U´ vor“. Da werden Ross und Reiter benannt. Und das Ross wollte noch nie in den Krieg ziehen.

At Christmas I got my hands on an older book with the striking title “Bilder, die lügen (Pictures, that lie)”. It is the catalogue of an exhibition of the ‘Bundeszentrale für politische Bildung’ and the ‘Stiftung Haus der Geschichte’, which was shown in various museums throughout Germany from the end of 1998 onwards. This show presented selected historical examples of image manipulation.

Perhaps best known is the picture of Lenin with his comrades in which, on the road to Stalinism, all Trotskyists were gradually retouched out. This pattern seems to be prevalent in the Eastern Bloc countries. In the GDR and Czechoslovakia, too, such image purges took place. The examples from the West are somewhat more imaginative but no less perfidious. Perhaps most topical, because we are witnessing the late damage of these lies, is the staging of the Gulf War in the nineties. A mixture of lies, selective depiction and limited reporting already gives us an idea of the strategies of the 21st century.

All in all a quite interesting compilation. But in any case, possibly for the sake of effect, wrongly titled. Pictures do not lie. Lying is an action that actually only humans can perform, because lying is defined as conscious false statement. The one who lies knows the truth. Neither the picture lies nor the poor darkroom servant who had to manipulate for Stalin or Bush. All just technical manipulations, which in those days were still quite elaborate and today, if one believes the software advertising, can be done with a click. But how is it possible that people try to blame the image for the reality-shifting action? This can only happen if you naively view the picture as a silent witness of the events and ignore the fact that someone took the picture, someone else developed the picture and possibly someone else manipulated the picture.

The picture has never been a reliable witness but has always been selectively taken, expressively processed and sometimes deliberately manipulated. But what has changed since the analogue and very early digital era (to which this exhibition refers) is actually the free availability and ease of use of manipulation tools. Even in the camera, the setting of the sunset program causes the colours and contrasts to clearly overshadow the image seen. And nobody takes RAW pictures to show them unaltered rather to be able to manipulate them even better. Today the manipulated image is the normal case. After all, you want to impress. Nowadays, it is no longer what is manipulated that is emphasized but only what is badly manipulated, as it was denounced by Doc Martens in his magazine DOCMA, the central organ for skilful image adjustment, in a separate column for years.

The subtitle of the book mentioned at the beginning, “X for U”, captures the context much better, as it is a short form for the popular statement “Someone sells to someone else an ‘X’ for an ‘U'”. There the horse and rider are named. And the horse never wanted to go to war.

Translated with the help of www.DeepL.com/Translator

6 Comments

    • Rolf Noe

      Hallo Andreas, ich gebe gern zu, dass ich das mit der Metonymie oder auch einfach einer vereinfachten Ausdrucksweise bewußt und um des Effekts willen ignoriert habe. Mea culpa. Ich hab halt mit Nietzsche und dem späten Wittgenstein gelernt der Grammatik nicht auf den Lein zu gehen. Oder zumindest zu fragen, ob das Subjekt im Satz auch der Handelnde in dem Zusammenhang ist auf den der Satz referiert oder noch expliziter und misstrauischer ” Was will man uns verbergen wenn man im Sprachgebrauch die Handelnden nicht nennt oder durch Schein-Subjekte ersetzt?” Ich bin zwar nicht mehr ganz eins mit diesem Aufklärerischen Impetus aber ein Hinweis darauf sollte mal nicht schaden.
      Vielen Dank auch für den ergänzenden Link. Gruß Rolf

  1. Anne-Marie Veith

    Als diese Ausstellung seinerzeit in Frankfurt war, hatte ich das Vergnügen sie besuchen zu können. Ich kann mich noch an Fotos des Totentempel der Hatschepsut erinnern. Es gab 1997 einen Anschlag auf Touristen am Tempel. Ein Bild zeigte ein Bild in dem die Tempelstufen voller Blut waren, welches wohl um Die Welt ging. Daneben hing das Original bei dem zu sehen war, dass es sich gar nicht um Blut gehandelt hatte, sondern eigentlich um Wasser.

    • Rolf Noe

      Ja genau. Das ist eine der technisch einfachen aber inhaltlich krassen Fälschungen aus der Bulevardpresse.

  2. Cornelia Puk

    Stimmt. Auch zum Beispiel die “Killeralgen” seinerzeit von den Medien der Adria zugeschrieben waren nur Ausdruck davon, was Menschen mit dem Meer gemacht haben. Das Meer “killt” nicht. Projektion: Die Ursache ist nicht dort, wo man etwas (nicht) sehen soll.

    • Rolf Noe

      Danke für deine Ergänzung Cornelia. es ist tatsächlich auch heute noch oder vieleicht auch heute wieder ratsam sich die
      Botschaften nochmal daraufhin abnzuschauen, ob die dem Phänomen zugeschriebene Ursache oder das dem Geschehen vorangestellte Subjekt wirklich der Verursacher de Übels ist.
      Kritisches Denken scheint heutzutage nur noch in der Satire vorzukommen. LG Rolf

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