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Bilder machen ist nur der erste Schritt / Taking photos is only the first step

„…vor allem die großen Fotografen mit ihrem Anspruch, auf den Bildern die Wahrheit über ihre Modelle an den Tag zu bringen ; sie brachten gar nichts an den Tag, sondern begnügten sich damit, sich vor einen zu stellen und den Auslöser ihres Apparates zu betätigen, um leise glucksend aufs Geratewohl Hunderte von Aufnahmen zu machen, und später wählten sie dann die Fotos der Serie aus, die nicht total misslungen waren. So gingen sie vor, all diese sogenannten großen Fotografen, ohne Ausnahme, …“                                                                                                                                                                              Michel Houellebecq `Karte und Gebiet´ Roman 2010

Es ist langsam an der Zeit mit dem aus der analogen Not geborenen Mythos aufzuräumen, dass der geniale Photograph sein Bild so lange plant bis er mir einem Klick das perfekte Produkt hervorgebracht hat. Nicht dass das nicht auch vorkommen darf, versteht mich nicht falsch liebe Genies der Photographie. Man darf das schon machen. Aber in den meisten Fällen sieht der Produktionsprozess von guten Bildern oder Bildserien anders aus.

„Wie Du deine Bilder aussuchst ist genauso wichtig wie die Art wie Du sie machst…“ sagt Tim Gallo in einem Beitrag vom März diesen Jahres  auf der Plattform `medium´ Er zeigt sehr schön anhand von Beispielen aus seiner eigenen Biographie wie wichtig dieser zweite Schritt im Prozess ist. Hier kommt Reflexion rein, letztlich das Zurücktreten vor den eigenen Produkten und das Nachdenken, Nachsinnen und ja auch Nachspüren was mit wirklich wichtig ist, was auch noch aus einer zeitverzögerten Perspektive Bestand hat und mich tiefer Bewegt als die rauschhafte Begeisterung des ersten Teils des Prozesses. „ich glaube,“ sagt Gallo „ dass die Art wie Du deine Bilder aussuchst Dasjenige ist, was dich von all den Anderen unterscheidet“

Die Auswahl der Bilder für einen klar definierten Präsentationskontext ist letztlich der Kommunikative Akt auf den es ankommt wenn Photographie als Kunst Anerkennung zu finden versucht. Was will ich sagen, wie ordne ich welche Elemente an um meiner Botschaft Gewicht zu verleihen, Gehör zu verschaffen.  Vergleicht man es mit der Sprache sind die Einzelbilder Worten vergleichbar, die durchaus in der Lage sind Bedeutung zu generieren. Aber es gibt eben noch eine weitere komplexere darüber liegende Ebene mit der sich weit komplexere Aussagen machen lassen. Die Reihenfolge der Anordnung, die Gruppierung in Diptychons, Triptychons oder Serien. All dies trägt zur Gesamtaussage der Ausstellung oder des Internetauftrittes bei für den die Bilder ausgesucht werden

Es ist erstaunlich wie wenig dieser Aspekt des Photographierens beachtet wird. Gallo weist darauf hin, dass Videos zu diesem Thema auf youtube fast inexistent sind. Dahingegen wird man regelrecht totgeschlagen von den unzähligen Gebrauchsanweisungen die sich auf diese minimale Krümmung des Zeigefingers beziehen. Ein paar Tipps, wie man sich hier weiterentwickeln kann gibt Gallo in seinem Artikel .

Nur einen Aspekt möchte ich herausheben. Die Zeit ändert unsere Wahrnehmung. Bilder, die Jahrelang auf meiner Festplatte rumgelungert haben können heute in einem andern Licht betrachtet neue Bedeutung bekommen und in neuen Zusammenhängen gruppiert , einen Punkt deutlich machen, der zur Zeit ihrer Entstehung  für mich noch nicht mal am Horizont erschienen war. Meine Bilder, die hier auf der Seite zu sehen sind, sind auch Ergebnis eines solchen späten Auswahlprozesses. Die technische Qualität lässt zum Teil etwas zu wünschen übrig. Aber das gehört zu der entscheidenden Frage, was mir wichtiger ist, die äußere Erscheinung oder der innere Zusammenhang?

“… especially the big photographers with their claim to reveal the truth about their models in the pictures; they did not show anything, but were content to stand in front of them and use the trigger on their apparatus to make hundreds of shots with a chuckle, and then later they chose the photos in the series that were not total fails. So they went, all these so-called great photographers, without exception, … “

Michel Houellebecq` Map and Territory’ Roman 2010

It is about time to clear up the myth born of the analogous need that the ingenious photographer plans his picture until he has produced the perfect product with just a click. Not that that may not happen, do not get me wrong dear geniuses of photography. You can do that. But in most cases, the process of producing good pictures or picture series looks different.

” How you select photos is as important as how you take them…” says Tim Gallo in an article in March this year on the platform `medium . He uses examples from his own biography to show how important this second step in the process is. This is where reflection comes in, ultimately receding before one’s own products and thinking, meditating, and even tracking down what is really important, which also endures from a time-delayed perspective and moves me deeper than the intoxicating enthusiasm of the first part of the process. “I believe,” says Gallo, ” how you select your photos — is what actually puts you apart from everyone else.”

The selection of images for a clearly defined presentation context is ultimately the communicative act that matters when photography tries to find recognition as art. What do I want to say, how do I arrange which elements to give weight to my message, to make my voice heard? If you compare it with the language, the individual images are comparable to words that are quite capable of generating meaning. But there is another more complex level above it that can be used to make far more complex statements. The order of arrangements, the grouping in Diptychs, Triptychs or series. All this contributes to the overall message of the exhibition or the website for which the images are selected.

It is amazing how little this aspect of photography is noticed. Gallo points out, that videos on this topic are almost non-existent on YouTube. On the other hand, you are literally beaten to death by the countless instructions that relate to this minimal curvature of the index finger. Gallo gives some tips on how to develop this area in his article . I just want to highlight one aspect. Time changes our perception. Pictures that hung around on my hard drive for years can now, in a different light, be given new meaning and grouped together in new contexts, highlighting a point that at the time of their creation had not even appeared to me on the horizon. My pictures, which can be seen here on the page, are also the result of such a late selection process. The technical quality leaves something to be desired. But that is part of the crucial question, what is more important to me, the external appearance or the inner coherence?

5 Comments

  1. JOHNDOE

    Da bin ich ganz Deiner Meinung, Zeit spart man im zweiten Schritt nicht.
    Beim Durchlesen des Beitrages enstand bei mir der Eindruck, dass Profis nur bessere Bilder machen, weil sie mehr Bilder aufnehmen und daher eine größere Auswahl haben. Dies ist aber nicht der alleinige Grund und dies wollte ich mit dem Link aufzeigen.

  2. JOHNDOE

    Das ist ein sehr interessantes Thema. Nikon hat da mal ein Experiment gemacht, warum Profis bessere Bilder machen als Amateure. Dabei kam heraus, dass sich die Profis wesentlich mehr Zeit für die Aufnahme genommen, mehr unterschiedliche Perspektiven ausprobiert und mehr Bilder gemacht haben, als die Amateure. Bei dem Experiment bekamen Profis und Amateure die gleichen Motive und die gleiche Kameraausrüstung. Unter dem Link

    https://www.fotointern.ch/archiv/2012/06/29/wer-hat-das-bessere-auge-experiment-mit-blickregistrierung-beim-fotografieren/

    kann man den Bericht noch finden.

    • Rolf Noe

      Vielen Dank für den interessanten Link. Das bezieht sich aber eher auf den ersten Schritt, die Aufnahme. Dass man wenn man sich beim Photographieren Zeit genommen hat bessere Bilder macht, das merkt man schon wenn man mit anderen Menschen unterwegs ist und nebenher Photographiert. Das wird meist nix, weil man muss dann immer gleich weiter wenn die Anderen weiter gehen. Dass man aber wenn am sich beim ersten Schritt ausreichend Zeit genommen hat beim zweiten Schritt Zeit und Arbeit spart halte ich für einen Mythos. Man muss sich dann halt zwischen vielen guten Photos entscheiden und auch beim Nachbearbeiten ist das gute Photo zwar ein optimales Ausgangsmaterial, aber das heißt ja nicht das man es nicht noch weiter modifizieren kann um die Bildaussage zu unterstützen.

  3. Harald S.

    Der Beitrag ist sehr anregend und kommt meiner Arbeitsweise sehr entgegen. Das reine Foptografieren, nur um Bilder zu machen, da geht einem bald die Luft aus. Ich finde auch, dass man ein Thema braucht und dass die Fotos dem Thema dienen sollen.Das mit dem Auswählen, abwägen und zusammenstellen ist für eine härtere Arbeit als das Bildermachen. Es kostet mich viel Überwindung und enorm viel Disziplin. Fällt mir sehr schwer…

    • Rolf Noe

      Ja, der erste Schritt hat noch viel mit Vergnügen zu tun. Losziehen, rumstreifen, nach Motiven jagen, Eindrücke sammeln.
      Der zweite Schritt ist Arbeit. Bearbeiten , sortieren, betrachten, bewerten, auzssuchen, verzweifeln, weitermachen und
      notfalls auch nochmal losziehen, diesen besser anvisieren, jenes technisch besser einfangen und dort etwas besser Inhalt reduzieren.
      Nochmal anschauen usw, usf,…
      Der dritte oder vierte Schritt kann dann wieder ganz schön sei. Reaktionen genießen, in Austausch kommen, sich entwickeln.
      Aber vorher erstmal hart dran arbeiten, dranbleiben, sich selbst befragen, auf die eigene Intuition hören.
      Ich erlebe das gerade mit diesem blog sehr intensiv – viel Arbeit, Zweifel, Entscheidungen. Manchmal Reaktionen – dann freu ich mich.

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