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Bildinterpretation, gebrauchstheoretisch

Stefan Brendle

Stellt man – basierend vor allem auf Manfred Muckenhaupts Buch “Text und Bild” von 1986 – gebrauchstheoretische Überlegungen an zum Thema “Text und Bild”, dann lässt sich eine grundlegende Vergleichbarkeit von Sprache und Bildern bzw. Wort- und Bildsprache darin sehen, dass nicht nur Sätze, sondern auch Bilder dazu verwendet werden können, sprachliche (kommunikative) Handlungen zu vollziehen; wobei man im einen Fall sprachliche Handlungen vollzieht, indem man Sätze (mündlich oder schriftlich) ä u ß e r t, im anderen Fall, indem man Bilder (z.B. Gemälde, Zeichnungen, Fotos) z e i g t. (Das Zeigen im Fall der Bildverwendung entspricht hier dem Äußern im Fall der Satzverwendung.)

Quasi analog zu Bedeutung, Sinn und Zweck von Wortsprachlichem kann man die B e d e u t u n g eines Bildes in der Verwendung sehen, für die es hergestellt wurde (wortsprachliche Ausdrücke dagegen wurden freilich nicht (gezielt) hergestellt) oder die man überhaupt von ihm machen kann und die in sprachlichen Handlungen besteht, die sich vollziehen lassen, indem man das Bild zeigt. Darunter fallen nicht nur (sog. illokutionäre) sprachliche Handlungen wie mitteilen, auffordern oder versprechen, sondern auch (sog. perlokutionäre) sprachliche Handlungen wie jemanden aufheitern, ihn verärgern oder zu etwas motivieren, die man vollziehen kann, indem man sprachliche Handlungen wie die zuerst genannten vollzieht, deren Gelingen jedoch im Unterschied zu ersteren von der Reaktion jeweiliger Zielpersonen abhängt und die man deshalb – streng genommen – immer nur zu vollziehen versuchen kann. Den S i n n eines Bildes im Unterschied zu dessen Bedeutung kann man in einer konkreten Verwendung sehen, die von ihm gemacht wird und die in den sprachlichen Handlungen besteht, die vollzogen werden, indem man das Bild zeigt. Und hinsichtlich des Z w e c k s eines Bildes lässt sich – dessen Bedeutung und Sinn entsprechend – zunächst ein möglicher oder bestimmter Gebrauch anführen, dem das Zeigen dienen kann oder, wie angenommen, dient; und hinsichtlich dieses Gebrauchs – genauer: der sprachlichen Handlungen, die diesen Gebrauch ausmachen – lassen sich dann nicht nur Zwecke wie sich darauf festzulegen, dass etwas der Fall ist, jemanden dazu bewegen, bestimmte Handlungen auszuführen, oder sich selbst auf eine künftige Handlung festzulegen unterscheiden, sondern vor allem auch Zwecke wie jemanden aufzuheitern, ihn zu verärgern oder ihn zu motivieren, etwas zu tun.

Was dann – zunächst unter Absehung der Verwendung (damit unter Absehung von Bedeutung, Sinn und Zweck) – die „Darstellungsebene“ bei Bildern betrifft, so entspricht die Kenntnis jeweiliger Darstellungsformen – z.B. malerischer, zeichnerischer, fotografischer – wiederum der Kenntnis sprachlicher Ausdrucksformen; man kann Bilder nach Darstellungstätigkeiten unterscheiden (ein Gegenstand/eine Szene ist z.B. gemalt oder gezeichnet oder fotografiert) und Bilder lassen sich entsprechend in verschiedene Darstellungsformen unterteilen (z.B. in Gemälde, Zeichnungen, Fotografien).

Obwohl die, sagen wir, „physikalisch-chemische“ Komponente (hier soz. die „Ablichtungs-Komponente“) bei Fotos mehr ins Gewicht fällt als bei Gemälden und Zeichungen, hat man es auch bei Fotos nicht nur mit natürlichen oder kausalen Zusammenhängen zu tun wie im Fall der Spiegelung einer Baumgruppe im  Badeteich; bzw. sind auch Fotos keine unvermittelten Abbilder von irgendwas. Und dies nicht nur nicht, weil ein Fotograf z.B. über Auswahl des Dargestellten, kompositionelle Arrangements, Beleuchtung und gezielte Bearbeitung seiner Fotos bei der Entwicklung darstellerisch tätig wird; sondern weil man, wenn man einen Gegenstand, eine Szene malt, zeichnet oder eben auch fotografiert, zwar von dem Gemälde, der Zeichnung oder dem Foto sagen kann, dass es oder sie den Gegenstand, die Szene darstellt oder auch zeigt, aber sogar der Maler, Zeichner oder Fotograf sein Gemälde, seine Zeichnung oder sein Foto dann als Darstellung eines anderen Gegenstands, einer anderen Szene zeigen und verwenden kann, als er ursprünglich dargestellt hat. Der Spielraum, den er (den man) hier hat und der den Zusammenhang zwischen Darstellung und Dargestelltem, Darstellung und ihrer Verwendung betrifft, ist zunächst eingeschränkt durch allgemeine und besondere Eigenschaften bildlicher Darstellungen (Stichwort: Strichmännchen-Zeichnung vs. Foto einer Gruppe Leute), die notwendige Kriterien liefern zur Beantwortung der Frage, was mit ihnen darstellbar ist und entsprechend gezeigt werden kann; dann durch die Eigenschaften der sprachlichen Handlungen, die durchs Zeigen der bildlichen Darstellung vollzogen werden sollen, wobei sich die Frage stellt, was für Handlungen qua Zeigen bildlicher Darstellungen vollzogen werden können und welche Eigenschaften diese Darstellungen aufweisen müssen, um für bestimmte Handlungen verwendbar zu sein; und schließlich durch situative und jeweilige Adressaten betreffende Bedingungen, wobei sich vor allem die Frage stellt, ob bei einer Bildverwendung das Wissen der Adressaten richtig eingeschätzt wurde.

(Was den „Realitätsbezug“ von Bildern – egal ob nun z.B. Gemälde, Zeichnungen oder Fotos – betrifft: So wenig wie Sätze können Bilder (als Darstellungen von was auch immer) wahr oder falsch sein; die Wahrheitsfrage (und damit die „Realitätsfrage“) kommt wie bei Sätzen so auch bei Bildern erst über deren Verwendung ins Spiel – etwa wenn man etwas behauptet oder mitteilt, indem man ein Bild zeigt.)

Zwar spielt bei Bildern der, sagen wir, „optische“ Aspekt eine größere Rolle als bei Schriftsprachlichem oder als der „akustische“ Aspekt bei Gesprochenem, dennoch sind auch Bilder wesentlich etwas, das v e r s t a n d e n werden will, soll, muss. Und nicht nur setzt eine Herstellung und Verwendung von Bildern, welcher Art auch immer, den Sprachgebrauch (Gebrauch der Wortsprache) voraus (nur Menschen, d.h. sprechende Lebewesen, nicht aber Hunde, Katzen oder Affen können (wirklich) malen, zeichnen, fotografieren und das entsprechend Hergestellte dann kommunikativ verwenden), sondern insbesondere die Verwendung bleibt auch immer auf den Sprachgebrauch (Gebrauch der Wortsprache) angewiesen: Schließlich ist nicht nur allein unsere Wortsprache „selbstreflexiv“, soll heißen, bietet die Möglichkeit, sprachliche Ausdrücke und deren Gebrauch wiederum mittels Gebrauch sprachlicher Ausdrücke zu beschreiben, zu erläutern, zu erklären; sondern allein sie bietet auch die Möglichkeit, dies für alle anderen Formen der Verständigung (z.B. Kommunikation unter Verwendung von Bildern) zu leisten. (Wenn jemand eine Bildverwendung (unter welchem Aspekt, welchen Aspekten auch immer) nicht oder falsch versteht, genügt es wohl kaum, ihm weitere Bilder – soz. Bilder über Bilder – zu zeigen, obwohl man freilich auf diese Weise versuchen könnte, die Grenzen einer entsprechenden Kommunikation quasi vor Augen zu führen.)

Nicht nur lässt sich vieles sprachlich beschreiben, das sich nicht bildlich darstellen lässt (z.B. der Herstellungszweck eines Bildes, der Gebrauch eines Bildes, das Verständnis eines Bildes), sondern es lässt sich auch alles, was sich bildlich darstellen lässt, sprachlich beschreiben – womit freilich überhaupt nicht gesagt sein soll, bildliches Darstellen ließe sich nun einfach auf sprachliches Beschreiben reduzieren. Und glaubt man, ein Bild sprachlich nicht beschreiben zu können, oder kann man es kaum beschreiben, dann weil man (so gut wie) nichts oder zu wenig darüber weiß. Verschafft man sich jedoch das nötige Wissen, kann man es auch beschreiben. Und umgekehrt: Etwas, worüber man nichts weiß, kann man (strenggenommen) auch nicht darstellen.

HASTA LA PROXIMA!

Sorry, we will not provide a translation for this one. Let me only tell you that that the meaning of pictures is interpreted  here as regarded from the use that is made of them in communicative acts. Following the late Wittgenstein acts involving  pictures are compared to speech acts. The author finds more similarities than differences.

1 Comment

  1. Rolf Noe

    Der Text versucht zu zeigen, daß wir in der Interpretation von Bildern auf die Werkzeuge zurückgreifen können, die sich bei der Interpretaion von konkreten sprachlichen Äußerungen als hilfreich erwiesen haben. Ein Problem ist, daß die wenigsten unter unseren Lesern wissen, um welche Werkzeuge es sich dabei handelt. Ich werde mal versuchen ohne einen Crashkurs in Linguistik anbieten zu können, anzudeuten was das für verschiedene der hier im blog diskutierten Themen bedeuten kann.
    Zum einen wird behauptet, man könne Bilder analog zu Sätzen sehen. Beide haben eine gewisse Binnenstruktur, also Elemmente aus denen Sie `zusammengesetzt´ sind (Worte / Bildinhalte) und Regeln wie diese Struktur gebildet wird um in der Kommunikation erfolgreich zu sein (Satzbau / Bildkomposition).
    Zum zweiten bekommen Beide erst dann eine Bedeutung, wenn Sie an den Mann/die Frau gebracht werden (Sätze äußern / Bilder zeigen). Solange die Bilder auf der Festplatte schlummern, sind Sie nicht der Rede wert. Ein gar nicht so uninteressanter Sonderfall ist es wenn wir Sie sozusagen und selber zeigen.
    Zum Dritten liegt die Bedeutung eines Bildes (folgt man dem späten Wittgenstein) nicht in seinem Bezug zu dem Dargestellten und auch nicht im Bezug auf den Darstellenden sondern darin, was damit gemacht wird, wozu man es gebraucht. So hat eine bestimmte Modeaufnahme von Lagerfeld eine andere Bedeutung wenn Sie in einer Anzeige für seine neue Kollektion benutzt wird (da soll Sie Leute dazu bewegen Sie zu bewundern oder zu kaufen) oder ob Sie, nach seinem Tod in einer Kustaustellung gezeigt wird (https://www.vogue.de/lifestyle/artikel/karl-lagerfeld-fotografie-ausstellung-zuerich ). Da stehen dann eher seine Person und sein photographischer Stil zur Diskussion.
    Auf die verschiedenen Verwendungen von Sätzen/ Bildern die möglich sind gehe ich jetzt nicht weiter ein. Das können wir evtl. an anderer Stelle an einem konkreten Beispiel nachholen.
    Natürlich spielt unterhalb dieser Ebene der Bedeutung für die Interpretation von Bildern immer auch die Ebene eine Rolle, in der es um den Autor und die Herstellungsbedingungen des Bildes geht sowie darunter auch noch die Ebene, die sich mit dem Weltbezug, also damit, was auf dem Bild zu sehen ist befasst. Ohne Wissen über diese Ebenen wird eine Bildinterpretaion unvollständig bleiben müssen. Deutlich wird aber auch dass diese Ebenen nicht zwingend sinnstiftend sind unter anderem weil, wie der Beitrag ausführt der Autor ein Bild auch “als Darstellung eines anderen Gegenstandes, einer anderen Szene zeigen und verwenden kann, als für den, den er ursprünglich dargestellt hat.” Noch weiter weg vom ursprünglichen Bezug sind dann Verwendungen dieses Bildes durch andere Personen in anderen Zusammenhängen und zu Zwecken, für die es ursprünglich nicht vorgesehen war (siehe den Essay von Helmut Lethen über die `migrant mother´ von Dorothea Lange in seinem Buch `Der Schatten des Fotografen´ (https://www.perlentaucher.de/buch/helmut-lethen/der-schatten-des-fotografen.html ).

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