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Die Grenzen der Photographie / The limits of photography

Und warum es Sie nicht mehr gibt

Wenn wir von Grenzen sprechen müssen wir auf die klassische Einzelbild (Kleinformat)-Photographie zurückgreifen. Sie hatte vielfältige und doch beschränkte Möglichkeiten. Für fast alle dieser Grenzen hat die Technik inzwischen Möglichkeiten gefunden sie zu überwinden.

Ein Photo kann:

1)nur einen Moment festhalten. Dem kann aber abgeholfen werden. Es gibt Bildserien, Photoalben, Diavorträge und last but not least Film und Video

2)nur einen beschränkten Bildausschnitt darstellen. Auch hier gibt es inzwischen Abhilfe. Zuerst Weitwinkel bis hin zum Fisheye, dann Panoramaphotographie bis hin zum Kugelpanorama. Weiter geht´s nimmer

3)nur zwei Dimensionen darstellen. Hier kann man versuchen Aufnahmen aus verschiedenen Perspektiven zu kombinieren. Dann kann sich das menschliche Gehirn den Raumeindruck zusammenrechen. Eine praktikable holografische Darstellungsform für Bilder ist noch nicht gefunden. Oder man macht Bilder, die nur mit 3D-Brille auch als 3D zu sehen sind. Im Kino klappt´s aber schon mit dem Eindruck.

4) nur einen bestimmten Bereich scharf darstellen (Tiefenschärfe) Das ist ja nicht nur eine Einschränkung, aber auch dafür wurde Abhilfe gefunden. Die Lichtfeldkamera (LYTRO) aber auch viel einfacher das `Stacking´, das vor allem das Herz der Macro-Photographen erfreut.

5) nur einen begrenzten Helligkeitsbereich darstellen. Wer kennet es nicht das Foto mit dem Fenster, wo entweder der Raum gut dargestellt und das Fenster überbelichtet oder umgekehrt der Blick aus dem Fenster gut aber der raum schwarz ist. Alles kein Problem heutzutage. Dann machen wir halt mehrere Aufnahmen und überlassen Kamera oder Rechner die Aufgabe das zu einem durchgängig wohlbelichteten Bild zusammen zu rechnen

6) nur bis zu einer bestimmten Größe vergrößert werden. Hier gab es schon früh Mittel- und Großformatkameras für Profis und mit einer heutigen digitalen Mittelformat-Kamera kann man schon eine Mittlere Hauswand knackscharf tapezieren. Aber auch schon Konsumer Kameras (z. B. Olympus OMD EM1 Mark2) schaffen es mit Tricks 40 Megapixel Auflösung aus ihrem kleinen Sensor zu saugen.

7) Keine Geräusche aufnehmen. O.K. aber es ist kein Problem Bilder in einer Diaschau mit Geräuschen oder Musik zu unterlagern. Bei Video und Kino kommt der Ton sowieso mit. 

7) Keine Gerüche, Geschmack oder sensorische Eindrücke transportieren. O.K. Wir arbeiten dran.

Wozu diese Auflistung? Es geht um die Frage was diese wachsenden Möglichkeiten für den Photographierenden bringen. Sind sie ein Zuwachs an Freiheit? Oder sind Sie eine Erweiterung des Hamsterades in dem wir uns als Photographierende unablässig bewegen? Villem Flusser hat das Verhältnis zwischen Photograph und Apparat (Wobei Apparat nicht nur die Kamera, sondern die kompletten Produktionsbedingungen der Photographie beinhaltet) in seiner Schrift „Für eine Philosophie der Photographie“(1983) so beschrieben:

„Während der Apparat in Funktion und Absicht des Photographen funktioniert, funktioniert diese Absicht selbst in Funktion des Programms des Apparates(…) In der Photogeste tut der Apparat, was der Photograph will, und der Photograph muss wollen, was der Apparat kann.“

„Flusser unterscheidet in diesem Zusammenhang die Tätigkeit des Photographen von derjenigen des Knipsers. Während der Photograph versucht, die Grenzen des vorgesehenen Programms auszuloten, liefert sich der Knipser diesem Programm aus und wird dabei selbst zur Verlängerung und Funktion des Apparats.“ (Peter Geimer „Theorien der Photografie“,2009)

And why they don´t exist anymore

When we talk about the limits, we talk about classic single-frame photography. It had varied yet limited possibilities. For almost all of these limits, technology has now found ways to overcome them.

A photo can:

1) show only one moment. But there are remedies to that. There are picture series, photo albums, slide shows and last but not least film and video

2) show only a limited frame. Again, there is now a remedy. First wide-angle or even fisheye lenses, then panoramic photography up to the spherical panorama. We can´t go further

3) show only two dimensions. Here you can try to combine pictures taken from different perspectives. Then the human brain can reconcile the spatial impression. A practical holographic form of presentation for images has not yet been found. Or you can take pictures that can only be seen as 3D with 3D glasses. In the cinema it works out fine.

4) focus only on a specific area (depth of field) This is not only a limitation, but for this there also are solutions. The light field camera (LYTRO) or much easier the ‘stacking’, which especially pleases the heart of the Macro-photographers.

5) show only a limited range of brightness. Who does not know the photo with the window, where either the room is well displayed and the window overexposed or conversely the view from the window is good but the room is black. No problem nowadays. We take several shots and leave to the camera or computer the task to put a consistently well-exposed image together

6) can only be enlarged up to a certain size. Here, there were medium and large format cameras for professionals early on and with today’s digital medium format cameras, you can wallpaper the wall of a house with a pinch of sharpness. But even consumer cameras (eg Olympus OMD EM1 Mark2) manage to suck 40 megapixel resolution out of their small sensor with tricks.

7) Do not record sound. OK. but it is not a problem to enclose pictures in a slideshow with noises or music. For video and cinema, the sound comes in anyway.

7) No odors, taste or sensory impressions are transported. OK. We are working on it.

Why this listing? It’s about the question of what these growing opportunities give to the photographer. Are they an increase in freedom? Or are you an extension of the hamster wheel in which we move incessantly as photographers? Villem Flusser described the relationship between photographer and apparatus (whereby the apparatus does not only contain the camera but the complete production conditions of photography) in his work “Towards a Philosophy of Photography” (1983):

“While the apparatus works in function and intention of the photographer, this intention works in function of the program of the apparatus (…) In the photographic gesture, the apparatus does what the photographer wants and the photographer must want what the apparatus can do.”

“Flusser distinguishes in this context the activity of the photographer from that of a snapshooter . While the photographer tries to explore the limits of the program, the snapshooter gives in to the program and thereby becomes the extension and function of the apparatus itself. “(Peter Geimer” Theories of Photography “, 2009)

6 Comments

  1. JOHNDOE

    Ich finde es hat noch nie Grenzen in der Fotografie gegeben. Es gab immer technische Weiterentwicklungen, wie auch der Schritt von analog zu digital. Klar vieles war früher nicht möglich was heute möglich ist, aber das ist Entwicklung.

    • Rolf Noe

      Das ist insofern richtig, als die Grenzen immer schon ein starker Motor dafür waren, sie überwinden zu wollen. Darauf wollte ich ja auch hinweisen.

  2. Camello Vecchio

    Dass sich die Möglichkeiten der Fotografie weiterentwickelt haben, finde ich persönlich sehr gut und sehr nützlich. Vielfach werden dadurch die Begrenzungen der analogen Fotografie überwunden oder offensichtliche Mängel ausgeglichen. Gerade die HDR-Technik kommen dem Seheindruck ziemlich nahe, den das menschliche Auge im Zusammenspiel mit dem Gehirn hat, wenn es eine sehr kontrastreiche Situation anschaut. Die Kontraste werden teilweise kompensiert.

    Sicher fällt durch die Entwicklung der Fototechnik einige Kritik an der Fotografie in sich zusammen. Andere Fragen tauchen stattdessen auf. Die vielen neuen Möglichkeiten führen zu einem fotografischen Stil, der die Form über den Inhalt stellt. Es geht dann nur noch darum zu zeigen, was technisch möglich ist. Man sollte für solche Fotografen eine Art Weltmeisterschaft ausrufen ;– ). Für mich ist so etwas zunächst beeindruckend, aber letztlich ziemlich hohl.

    Ich finde, die Technik muss sich den Absichten des Fotografen unterordnen. Wenn die Absicht des Fotografen aber nur ist zu zeigen, was die Technik kann – tja dann …

    Ich denke nach wie vor: das wichtigste Stück in der Ausrüstung des Fotografen ist die Klarheit über die eigenen Absichten. Dann kann er sich dem Diktat oder dem Programm des Apparats ein Stück weit entziehen. Das heißt auch, die Begrenzungen zu erkennen, die des Apparats und die eigenen. Und ein besserer Apparat kann die Begrenzungen des Fotografen nicht kompensieren.

    In my view the development of photography has been mainly useful and helpful. Many limitations of analog photography have been overcome and flaws have been mended. HDR techniques – used with sense – can give a pretty good impression of what the eye sees by adopting and adjusting to harsh contrast situations.

    Some of the critique on photography is falling apart by this new situation, but new questions arise. Those many new possibilities are tempting to fall prey to them. Some photographers seem to be keen on showing the extreme of what can be done. It is form over content. Perhaps one should call this photo-sports and organize championships. It is impressive at first, but becomes annoying and tiring pretty soon.

    To my understanding technique must serve the Intention of the photographer. But what if the photographer just wants to show the limits of technique? Well…

    The most important piece of equipment for any photographer, as far as it concerns me, is the clarity of his own intentions. Then he will be able to escape the control by his apparatus. It also means to know the limits, those of the camera and
    those of himself. And a better camera does not mend the photographers shortcomings.

    • Rolf Noe

      Ja, insgesamt ist es eine schöne Sache, dass sich die Möglichkeiten vervielfältgt haben. Praktisch führt es aber dazu dass kaum mehr Jemand das Feld er Photographie/Bilderherstellung komplett bespielen oder auch nur ernsthaft erforschen kann. Folglich zerfällt das Feld in Unterbereiche, die für ambitionierte Amateure letztlich auf die bekannten genres (Landschaft/ Peolpe/ Macro/ Street/ Stilleben/ Akt etc) rauslaufen. Dazu in einem folgenden Beitrag mehr. Kurz gesagt Spezialisierung und damit Einengung des Gesichtsfeldes oder aber Universaldiletantismus sind die Folgen. Übertreibe ich da?

      • Camello Vecchio

        Hmmm, das stimmt schon, was Du über die Unmengen an Möglichkeiten sagst. Meine Kamera hat z.B. viele Verstellmöglichkeiten, die ich gar nicht oder nur selten nutze. Von Photoshop nutze ich gefühlte 15-20% des Potenzials. Es gibt viele Programme zur Bildoptimierung, die ich mir nicht anschaue.

        Aber das stört mich nicht wirklich.

        Ich enge mein Gesichtsfeld bewusst ein, damit ich besser erkenne, was ich sehen und fotografieren will. Fotografie ist für mich kein Zweck an sich, sondern ein Mittel, ein Hilfs- und Ausdrucksmittel.

        Ich denke nicht, dass es nur die von Dir aufgezeigten Möglichkeiten gibt. Mann muss sich Freiheiten auch einfach nehmen. Und ja, wenn man wählt verwirft, man auch gleichzeitig.

        • Rolf Noe

          Das ist letztlich, folgt man Flusser, Teil der fotografischen Geste:
          “Der dritte Aspekt der Geste, derjenige der Selbstkritik, steht in Zusammenhang mit dem, was man in der Philosophie `Reflexion´ nennt. Das ist offenkundig ein der Optik entlehnter und dadurch selbst eng mit der Fotografie verknüpfter Begriff. Die Kamera besitzt einen Spiegel, und wenn der Fotograf ihn betrachtet, so sieht er, wie das Bild sein könnte. Er sieht die möglichen Bilder und wählt bei diesem futurologischen Sehen unter den verfügbaren Bildern das eine aus. Er verwirft alle sonst möglichen Bilder außer einem und verbamnnt infolgedessen alle anderen möglichen Bilder, außer diesem einen, in den Bereich der verlorenen Virtualitäten. Auf diese Weise erlaubt uns die Geste des Fotografierens konkret zu sehen, wie die Wahl als Projektion in die Zukunft funktioniert. Diese Geste ist ein Beispiel für die Dynamik der Freiheit.” Vilèm Flusser “Kleine Philosophie der fotografischen Geste” (1993)

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