In einer Situation in der der Faschismus (und sei es auch nur mit neuem Gesicht) wieder auf dem Vormarsch ist, macht es vielleicht Sinn sich mit einer Kunstschaffenden auseinanderzusetzen, die untrennbar mit der Öffentlichkeitsarbeit des Hitler-Regimes verknüpft ist, die aber immer so getan hat, als sei sie unbefleckt aus dieser unseligen Allianz wieder aufgetaucht und habe immer nur die Kunst im Auge gehabt und nicht die Politik. Als ob sich das so trennen ließe.
Spontan habe ich beschlossen bei meinem letzten Mainz-Besuch die Gelegenheit zu ergreifen, eine Filmvorführung des neuen Dokumentarfilms von Andres Veiel beizuwohnen, um noch ein wenig besser in dieses Thema eintauchen zu können. Weil ich zu blöd war und mir vorweg eine Online-Karte zu besorgen, musste ich noch bis zuletzt bangen, ob ich überhaupt in das ausverkaufte Arthouse -Kino reinkomme. Denn offenbar schafft es der Name Leni Riefenstahl auch heute noch Kinosäle voll zu bekommen.
Dem Regisseur gelingt es in diesem Film eine ganze Reihe von Facetten freizulegen, die diese Frau im Verlauf ihres Lebens gezeigt hat und vor allem diese so zu positionieren, dass der Film nicht in irgendeine Richtung kippt, sondern die ganze Ambivalenz zwischen Opfer- und Tätererzählung, zwischen dem Gespinst von Lügengeschichten und den nachweislichen Fakten aufrechterhalten bleibt.
Ein Schlüsselsatz für mich war Riefenstahls Aussage, dass sie gerne 1939 gestorben wäre, sozusagen auf dem Höhepunkt ihres sicherlich berauschenden Erfolges. Aber das Schicksal hat es ihr bestimmt 102 Jahre alt zu werden und die komplette Nachkriegszeit damit zu verbringen, ihre Verstrickungen abzustreiten und ein Bild als einer von der (politischen) Welt unberührten Künstlerin zu erzählen.
Dazu gehören wohl auch ihre Versuche, ein Comeback zu inszenieren. Vor allem mit ihren Büchern über die Nuba von Kau hat sie versucht als Photographin Anerkennung zu erreichen. Ich habe eines der Bücher mal in der Hand gehabt und es gibt einige sicher sehr starke Bilder darin, aber selbst in dieser schwarzhäutigen Verkleidung riecht man noch die faschistische Ideologie von Makellosigkeit und Stärke raus, zu der eben auch leider gehört, dass man die weniger Starken und Schönen gerne loshaben möchte.
Ein weiterer Grund, warum ich mich für Riefenstahl interessiere ist, dass ich vor einiger Zeit im DFA Podcast die Geschichte von Willy Zielke gehört habe, einem der innovativsten Filmemacher der 20er Jahre, den sie benutzt hat um ihrem Olympia-Film (vor allem dem Prolog) das gewisse Etwas zu verleihen, den sie dann aber ohne für Mitleid im Irrenhaus hat versauern lassen, wo sie nur einmal wieder rausgeholt hat als Sie mal dringend einen Kameramann brauchen konnte. Ich will hier nicht ins Detail gehen, aber empfehle sich die Geschichte anzuhören, die im Film nur unvollständig erzählt wird. Insgesamt und das zeigt der Film auch sehr deutlich und nicht nur anhand ihrer intimen Freundschaft mit Rudolf Hess, die ungerührt weitergeführt wurde, dass es bei Riefenstahl nie ein Einsehen gegeben hat. Nur ein sich wehren gegen Vorwürfe, die unangenehm, aber doch treffend waren.
Offensichtlich habe ich mit vielen meiner Altersgenossen unterschätzt, wie viel faschistisches Gedankengut selbst noch die 60er Jahre überlegt hat und jetzt in verschiedensten Farben sich wieder offen auf die Straße traut.
In a situation in which fascism (even if only with a new face) is on the rise again, it perhaps makes sense to take a closer look at an artist who is inextricably linked to the public relations work of the Hitler regime, but who has always pretended to have emerged unsullied from this unfortunate alliance and has always had only art in mind and not politics. As if that could be separated.
During my last visit to Mainz, I spontaneously decided to take the opportunity to attend a screening of Andres Veiel’s new documentary in order to immerse myself a little more in this topic. Because I was too stupid to get an online ticket in advance, I had to wait until the very end to see if I could even get into the sold-out Arthouse cinema. Because apparently the name Leni Riefenstahl still manages to fill movie theaters today.
In this film, the director succeeds in uncovering a whole series of facets that this woman showed in the course of her life and, above all, in positioning them in such a way that the film does not tilt in any one direction, but maintains the whole ambivalence between the narrative of victim and perpetrator, between the web of lies and the verifiable facts.
A key sentence for me was Riefenstahl’s statement that she would have liked to have died in 1939, so to speak, at the height of her certainly intoxicating success. But fate destined her to live to be 102 years old and to spend the entire post-war period denying her involvement and portraying herself as an artist untouched by the (political) world.
This probably also includes her attempts to stage a comeback. Especially with her books about the Nuba of Kau she has tried to achieve recognition as a photographer. I once held one of the books in my hand and there are certainly some very strong images in it, but even in this black-skinned disguise you can still smell the fascist ideology of flawlessness and strength, which unfortunately also includes wanting to get rid of the less strong and beautiful.
Another reason why I’m interested in Riefenstahl is that I heard the story of Willy Zielke (german), one of the most innovative filmmakers (german) of the 1920s, on the DFA podcast some time ago, who she used to give her Olympia film (especially the prologue) that certain something, but who she then let languish in an insane asylum without pity, where she only got him out again once when she urgently needed a cameraman. I don’t want to go into detail here, but I recommend listening to the story, which is only told incompletely in the movie. All in all, and the film shows this very clearly, and not only on the basis of her intimate friendship with Rudolf Hess, which was continued unaffected, that Riefenstahl never showed any understanding. Only a defense against accusations that were unpleasant but nevertheless accurate.
Obviously, I and many of my contemporaries underestimated how much fascist thought was still pondering even beyond the 1960s and now openly dares to take to the streets again in various colors.


Andres Veiel hat nach dem Film einiges über den Entstehungsprozess des Filmes erzählt. Vieles davon gibt es auch in diesem Video zu hören. Er sieht den Film weniger als eine Auseinandersetzung mit Vergangenem, sondern als einen Appell an das Heute.
Hinter dem Film steckt als Produzentin Sandra Maischberger. Sie hat den Nachlass von Leni Riefenstahl sichten lassen und den Film mit dem Regisseur zusammen gestaltet. Die Motivation dazu erklärt sie recht schön in einem YouTube Video.
Andres Veiel talked a lot about the making of the movie after the screening. Much of this can also be heard in this video (german). He sees the film less as an examination of the past and more as an appeal to the present.
Sandra Maischberger is the producer behind the film. She sifted through Leni Riefenstahl’s estate and created the film together with the director. She explains the motivation for this quite nicely in a YouTube video (german).

Ein leider so aktueller Beitrag. Vielleicht sagt Herr Merz auch eines Tages, er wäre gern am 28.1.2025 gestorben?
Ich tröste mich immer mit dem Zitat “Die Geschichte wiederholt sich immer zweimal – das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce.” von dem ich immer dachte, es sei von Nietzsche. Aber das Netz sagt, es sei von Marx.