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Ein Leck in der Matrix / A leak in the matrix

This is your last chance. After this, there is no turning back. You take the blue pill – the story ends, you wake up in your bed and believe whatever you want to believe. You take the red pill – you stay in Wonderland and I show you how deep the rabbit-hole goes.

Morpheus in “The Matrix”

Ich werde mal versuchen, den Gedanken, den Harald über die Transiträume und die unwirtlichen Nicht-Orte formuliert hat, in die gegenwärtige Welt der Fotografie zurückzuholen. Ich denke inzwischen ist klar, dass es die Photographie nicht gibt. Wenn ich aber hier darüber spreche, dann meine ich das Massenphänomen und nicht den Künstler, der sich der Fotografie bedient, um seine Welterfahrung  zu reflektieren. Auch nicht den Photo-Profi, der mit Architektur- oder Wissenschaftsphotographie sein Geld verdient.

Harald sagte, dass die Architektur zum größten Teil nicht mehr für die Menschen da ist, dass sie also noch nicht mal versucht, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, sondern, dass die Menschen schauen müssen, dass sie in die vorgegebenen Strukturen passen und dort ihre Funktion erfüllen.

Es lief doch alles so gut, bis dieser blöde Virus kam! Wie geschmiert wurde photographiert und es wurde im Halbjahresrhythmus neue Hardware auf den Markt gebracht, beworben und verkauft. Und wenn man dachte, man hat schon alles, kam da noch so ein lichtstarkes Objektiv um die Ecke und wollte auch noch gekauft werden. „Das brauch ich!“ war das zum Kauf treibende Gefühl…

Dass die Umsätze von Canon  und Nikon schon im ersten Quartal 2020 um 80-90% eingebrochen sind, zeigt – neben der Tatsache dass der Markt möglicherweise übersättigt ist – wie wenig das Photographieren ein Grundbedürfnis ist, wie sehr es damit verknüpft ist, dass Reisen und Kulturangebote vorhanden sind, die man ablichten kann, dass man Andere treffen darf, denen man seine Ausrüstung zeigen kann. Die Kamerahersteller befriedigen also nicht ein Bedürfnis, dass unabhängig vom anderen Konsumverhalten vorhanden ist, sondern liefern Werkzeuge für ein gesellschaftliches Spiel. Und sie machen halt auch nur Gewinne, so lange das Spiel gespielt wird.

Aber man könnte es inzwischen auch andersrum betrachten. Wir werden darauf getrimmt, bestimmte Verhaltensweisen, wie z.b. auf Reisen zu fotografieren, gut zu finden. Es wird uns eingeredet, dass wir die neueste Technologie brauchen, um die coolen Bilder abliefern zu können, dass wir nur mit dem neuesten Handy mit mindestens vier Objektiven Bilder machen können, die aussehen, als wären Sie mit einer Profi-Kamera gemacht. Dass wir nur mit der neuen Super-Kamera mit dem handtuchgroßen Sensor richtig anspruchsvolle Bilder abliefern können. Das wird uns eingeredet. Wir brauchen diese Dinge aber nicht wirklich; die Hersteller brauchen uns. Wir sind letztlich dafür da, dass die Kamera- und Handy-Hersteller weiter ihre Umsätze machen können. Und wenn wir zu Hause bleiben, dann gehen die Umsätze zurück.

Die Software-Hersteller sind da schon einen Schritt weiter; die stört so eine Krise mit Reiseeinschränkungen kurzfristig wenig, weil sie mit den Abo-Modellen die Kunden schon konstant an ihre Melkmaschine angeschlossen haben. Da kann ich  mich nicht ausnehmen. Ich bezahle auch monatlich meinen Obolus an eine bekannte Firma, die mit A anfängt, damit ich immer mit den neuesten Werkzeugen meine Amateurknipserbilder ein wenig aufhübschen kann.

Wer also bisher geglaubt hat, dass Matrix science fiction ist, wird jetzt eines Besseren belehrt. Nicht die Maschinen sind dafür da, dass es den Menschen gut geht, sondern umgekehrt. Wir Verbraucher sorgten dafür, dass die Maschine läuft zumindest bis der Virus kam…

I will try to bring the idea Harald formulated about transit spaces and inhospitable non-places back into the contemporary world of photography. I think it is now clear that the photography does not exist. But when I talk about it here, I mean the mass phenomenon and not the artist who uses photography to reflect his experience of the world. Also not the photo-professional who makes his money with architecture or science photography.

Harald said that for the most part architecture is no longer there for people, that it doesn’t even try to satisfy human needs, but that people have to see that they fit into the given structures and fulfil their function there.

Everything was going so well until this stupid virus came along. Photographs were taken like clockwork and new hardware was advertised and sold every six months. And when you thought you already had everything, a fast lens came around the corner and wanted to be bought. “That’s what I need!” was the buying impulse…

The fact that the sales of Canon and Nikon have already slumped by 80-90% in the first quarter of 2020 shows besides the fact that the market might be saturated, how little photography is a basic need, how much it is linked to the fact that there are trips and cultural offers that you can take pictures of, that you can meet others to show them your equipment. So the camera manufacturers do not satisfy a need that exists independently of other consumer behaviour, but provide tools for a social game. And they only make profits as long as the game is played.

But you could also look at it the other way round. We are trimmed to find certain behaviours, such as photographing while travelling, good. It is said that we need the latest technology to be able to take the cool pictures, that we can only take pictures that look like they were taken with a professional camera using the latest mobile phone with at least four lenses. That only the new super camera with the towel-sized sensor will enable us to deliver really sophisticated images. That’s what we are being told. But we don’t really need these things; the manufacturers need us. Ultimately, we are there to ensure that camera and mobile phone manufacturers can continue to make their sales. And if we stay at home, sales will fall.

The software manufacturers are already one step ahead; they are not bothered by a crisis with travel restrictions in the short term because they have already constantly connected customers to their milking machines with the subscription models. I can’t make an exception here. I also pay my monthly fee to a well-known company starting with an A so that I can always use the latest tools to make my amateur pictures a little prettier.

So whoever believed that Matrix is science fiction is now proven wrong. Not the machines are there to make people feel good but the other way round. We consumers kept the machine running at least until the virus came along…

Translated with the help of www.DeepL.com/Translator

8 Comments

  1. Klaus

    Stimmt, Flusser schon 1983:

    Neben dem Streben nach Gewinn der Apparatehersteller und der damit verbundenen Erziehung zum “Homo Consumens” entwickeln die Apparate eine Apparatisierung des Benutzers, zu hause bleiben reicht also nicht mehr aus, die Apparate sind dabei, sich unseres Wahrnehmens und Denkens zu bemächtigen.

    Flusser:
    “Die Kamera verlangt von ihrem Besitzer…immerfort zu knipsen, immer weitere redundante Bilder herzustellen. Diese Fotomanie der ewigen Wiederholung des Gleichen (oder sehr Ähnlichen) führt schließlich zu einem Punkt, von dem ab sich der Knipser ohne Kamera blind fühlt: Drogengewöhnung setzt ein. Der Knipser kann die Welt dann nur noch durch den Apparat und in den Fotokategorien ansehen. Er steht nicht “über” dem Fotografieren, sondern ist von der Gier seines Apparats verschlungen, zum verlängerten Selbstauslöser seines Apparats geworden.“ (2011, S.40/41)
    “…die Kategorien des Apparates setzen sich auf die Kulturbedingung auf und filtrieren sie.” (S.25)

  2. Harald S.

    War es nicht Flusser, der zu Recht behauptete, dass die Hobbyfotografie eine Erfindung der Industrie ist?

    • Rolf Noe

      Ja, das ist sehr richtig. Er konnte das damals so klar (vorher)sehen, weil das Netz damals noch nicht so dicht gestrickt war.
      Und jetzt wird es wieder deutlich sichtbar in diesem Bruch/Riss/Loch, der durch den Virus entstanden ist. Klar war es immer und es gab auch immer Leute die darauf hingewiesen haben wie unser Vorläufer im Geiste der Herr `photosuversive´, der als Rufer in der Wüste irgendwann aufgegeben und seinen blog gelöscht hat. Aber das Netz vergisst nix ((siehe Kommnetare dort)

  3. Herr Rausch

    E.M.Forester “Die Maschine steht still” passt auch, um deinen Texten und die These zu stützen.

    • Rolf Noe

      Es geht mir im übrigen nicht darum, Recht zu haben oder für meine Meinung zu argumentieren. Im Gegenteil, ich wünschte, ich hätte Unrecht. Aber es ist ein befreiender Akt, verschiedne Perspektiven einnehmen zu können (wie beim photographieren) damit man ein umfassenderes, wenn auch nicht vollständiges Bild eines Sachverhaltes bekommt.

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