” Ce qu´on photographie, c´est précisément l´instant ou l´on fait la photo. C´est évident que c´est ca qu´on photographie. “
Dennis Roche, La disparition des lucioles
Manchmal ist es erhellend, sich seinem Thema indirekt zu nähern. Sozusagen um die Ecke oder gar über mehrere Ecken einen Blick auf in diesem Fall die Photographie zu werfen, die im direkten Blick erstmal unverdächtig erscheint. So hab ich mir aus den antiquarische Tiefen des Netzes ein Buch geangelt, das wohl heute sonst keiner mehr freiwillig lesen wird. Es heißt. “Mediengeprägtes Erzählen“ und wurde Anfang dieses Jahrtausends von Giulia Eggeling geschrieben, als Dissertation eingereicht und 2003 bei. J.B.Metzler veröffentlicht. Es geht um “Aspekte der Medienästhetik in der französischen Prosa der achtziger und neunziger Jahre” (Untertitel). Die Autorin zeigt auf, in welcher Form Photographie und Film mit ihren spezifischen Eigenheiten und technischen Besonderheiten in philosophischen und fiktionalen Texten auftauchen und diese dann sogar in ihrer Struktur bestimmen. Das ist keine einfache Lektüre, aber es ergibt sich eine interessante Perspektive indem die Photographie im Spiegel der Literatur und diese wiederum im Spiegel der Sekundärliteratur erscheint. Klingt kompliziert wird aber hoffentlich anhand einiger Beispiele deutlich.
Zuallererst wird gezeigt, wie weitreichend der Einfluss von Roland Barthes’ heller Kammer’ auf die meisten vorgestellten Texte ist. Seine grundlegende Haltung das persönliche Erleben mit allgemeiner Reflexion zu verweben findet sich in den meisten Texten wieder. Auch den Schwerpunkt auf dem Erinnerungsvermögen von Photographien, auf das ‘Ça a été’ (so war das, das war so) zu legen prägt natürlich viele der Erzählungen. In einer Erzählung sammelt die Protagonistin Familienbilder unbekannter Personen. Aus ihren Lieblingsaufnahmen stellt sie sich sowas wie ein eigenes Familienglück zusammen. Die Darstellung der Geschichte der Familienfotographie geht über in eine Reflexion über den persönlichen Wert solcher Bilder. In einem anderen Text werden Bilder beschrieben und gleichzeitig wird der Frage nachgegangen warum bestimmte Bildet einen ansprechen und andere nicht. In einigen der Texte tauchen auch die Phantombilder auf, wie sie Hervé Guibert in seinem gleichnamigen Text eingeführt hat. Dieses Gefühl das es von einer bestimmten Situation ein ganz klares inneres Bild gibt, so dass man sich manchmal sogar dazu verleiten läßt, das Archiv zu durchsuchen und furchtbar enttäuscht ist wenn man kein Photo findet das dem inneren Bild entspricht.
Einige Texte beschäftigen sich damit den Blick des Photographen oder Kameramannes aus den von ihm gemachten Bildern oder Filmen zu rekonstruieren, oft um sich dieser anwesenden Person irgendwie zu nähern. Das ist ja auch ein Phänomen aus der Zeit der analogen Photographie, dass der Photograph fast vollständig hinter der Kamera verschwindet. Es gab eben noch keine Handys die zu jedem Bild auch noch ein ‘making of’ liefern könnten. In einem anderen Text ist der Protagonist bis zum Schluss auf der Suche nach einem stimmigen Selbstporträt. Es misslingt wiederholt und es wird gezeigt, dass es analog zur Heißenbergschen Unschärferelation in ihrer Kopenhagener Variante möglicherweise unmöglich ist gleichzeitig zu leben und ein Bild des Lebens zu machen. Man ist entweder im Prozess mit dem Film als Äquivalent und kann dabei seine Standpunkt nicht bestimmen oder man hält den Prozess an um zu sehen wo man ist/war indem man ein Photo macht. Damit hat man aber den Fluss der lebendigen Gegenwart verlassen und ist ins Schattenreich, in die Welt der Spuren eingetaucht, die letztlich immer schon vergangen ist. Nach Susan Sonntags Definition ist die Photographie ‘ die Inventarisierung des Sterbens’ eine verdichtete ‘Pseudopräsenz einer Absenz’. Damit wird die Photographie auch zu einem bevorzugten Medium der Trauerarbeit , Ein Thema das sich durch mehrere der vorgestellten Texte durchzieht. Da ist z.B. in einer Erzählung der Mann, der mit fünf unscharfen Photographien seiner verstorbenen Frau zu verschiedenen Malern geht und Diese bittet ihm ein Portrait der Frau zu malen. Das gelingt auch. Nur ist es leider nie sein Bild seiner Frau. Oder der andere Mann, der in der Beschreibung von verbleichenden Polaroids das Bild seiner ehemaligen Geliebten zu bewahren sucht. Erinnerung und Trauerarbeit, das sind wahrscheinlich die emotional tiefgehendsten Eigenschaften solcher Bilder. Kein Wunder, dass dies in (Auto)biographischen Erzählungen eine wichtige Rolle spielen kann. Ich kann die Fülle der Motive hier gar nicht wiedergeben.
Was für mich als Frage für die zukünftige Reflexion über Photographie hängenbleibt ist. ist die transmediale Perspektive. Die Frage welche Spuren ein neues Medium (hier Photographie und Film) in einem älteren Medium (hier fiktionale und essayistische Texte) hinterlässt. Bleibt zu hoffen, dass es mir in Zukunft gelingt zu zeigen welche Spuren neuere Medien in der Photographie hinterlassen haben und hinterlassen. Es zeigt sich jetzt schon in mehreren Texten hier im Blog das dies unseren Versuch kennzeichnet über unsere Gegenwart nachzudenken; aus der Lektüre von Texten der vergangenen Jahrzehnte Antworten für die Gegenwart abzuleiten. Ein Versuch wie gesagt – der hoffentlich hilft, das eigene Nachdenken anzuregen.
Sometimes it is enlightening to approach his subject indirectly. So to speak around the corner or even to take a look over several corners at photography in this case, witch at first glance seems to be unsuspicious. So I fished a book out of the antiquarian depths of the net, which nobody else will read voluntarily today. It was written by Giulia Eggeling at the beginning of this millennium, submitted as a dissertation and published by JBMetzler in 2003. It deals with “Aspects of media aesthetics in the French prose of the eighties and nineties” (subtitle) in which form photography and film with their specific characteristics and technical features emerge in philosophical and fictional texts and then even determine their structure. This is not easy reading, but there is an interesting perspective to see photography in the mirror of literature which in turn, appears in the mirror of the secondary literature, but hopefully it will become clear from some examples.
First and foremost, it demonstrates how far-reaching the influence of Roland Barthes’ ‘bright chamber’ is on most of the texts presented. His basic attitude of interweaving personal experience with general reflection can be found in most texts. Of course, the focus on the memory of photographs, the ‘Ça a été’ (that´s what was, it was like that), of course, shapes many of the stories. In a narrative, the protagonist collects family pictures of unknown persons. From her favorite recordings she assembles something like a family happiness of her own. The depiction of the history of family photography turns into a reflection on the personal value of such images. In another text pictures are described and at the same time the question is pursued why certain pictures appeal to one and others do not. In some of the texts also the “phantom images” appear, as introduced by Hervé Guibert in his eponymous text. This feeling that there is a very clear inner picture of a certain situation, so that sometimes one even gets tempted to search the archive and is terribly disappointed if one does not find a photograph that corresponds to the inner picture.
Some of the texts deal with reconstructing the photographer’s or cameraman’s view from the images or films, he has made, often to somehow approach the absent person. This is also a phenomenon from the era of analog photography; that the photographer almost completely disappears behind the camera. There were then no cell phones that could deliver a ‘making of’ to every picture. In another text, the protagonist is looking for a coherent self-portrait right up to the end. It fails repeatedly and it is shown that analogously to the Heißenberg uncertainty principle in its Copenhagen variant it may be impossible to live at the same time and to make a picture of life. You are either in the process with the film as an equivalent and you cannot determine your point of view or you stop the process to see where you are/were by taking a picture. With this, however, one has left the flow of the living present and is immersed in the shadow realm, in the world of the traces, which in the end has always passed away. According to Susan Sonntag’s definition, photography ‘the inventory of dying’ is a condensed ‘pseudo-presence of absence’. This makes photography a preferred medium of mourning work, a theme that permeates several of the texts presented. There is e.g. in a narrative the man who goes to different painters with five blurred photographs of his deceased wife and begs them to paint for him a portrait of the woman. That works too. Unfortunately, it is never his picture of his wife. Or the other man who seeks to preserve the image of his former lover in the description of fading Polaroids. Memory and mourning are probably the deepest emotional qualities of such images. No wonder that this can play an important role in (auto) biographical narratives. I can not reproduce the abundance of motives here.
Whatstuck for me as a question for future reflection on photography is the transmedial perspective. The question which traces a new medium (here photography and film) leaves behind in an older medium (here fictional and essayistic texts). Let’s hope that in the future I will be able to show what traces newer media have left in photography and leave behind. It shows up now in several texts here in the blog that this marks our attempt to think about our present; to derive answers for the present from reading texts from the past decades. An experiment as I said – which hopefully helps to stimulate your own thinking.