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Gedanken zu Fotografie und Kunst / Thoughts about Photography and Art

Das Verhältnis von Fotografie und Kunst ist kompliziert. Es wird seit Beginn der Fotografie darüber gestritten, ob sie nun Kunst sei, oder nicht, oder doch…

Man könnte sagen, dass die Fotografie die Malerei erst zur Kunst gemacht hat. Durch die Fotografie gab es zum ersten Mal etwas, das der Malerei gegenüberstand und durch das sie als Kunst erkennbar wurde. Beide – Malerei und Fotografie hatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die gleichen Aufgabengebiete: Das Darstellen und Festhalten des vergänglichen Sichtbaren. Bald wurde deutlich: Die Fotografie kann das genauer und schneller – und ließ sich vor allem bald beliebig oft reproduzieren. Das wog den anfänglichen Mangel auf, dass sie nur monochrom war.

Seither umkreisen Fotografie und Malerei einander, wechseln Positionen und Haltungen und verändern sich dabei unablässig. Der Fotografie spricht man bald ab Kunst zu sein, weil sie so exakt sei und ganz ohne künstlerische Kreativität. Die Folge: gewollt unscharfe Bilder. Die Malerei fühlt sich befreit von der Last, reine Abbildungen machen zu müssen. Es entstehen Impressionismus, Expressionismus und abstrakte Malerei. Inzwischen gab es den Fotorealismus als Malstil und der zu Zeit teuerste Maler, Gerhard Richter, verwendet Fotografien als Vorlage und malt sie unscharf nach. Die Fotografie stand auch nicht still und hat das Abstrakte ebenfalls für sich entdeckt. Und der Tanz geht weiter.

Einem gemalten Bild, einer Zeichnung, nimmt man leichter ab, Kunst zu sein. Aber wann ist ein Foto Kunst? Zweifellos gibt es einen Markt für Kunstfotografie, und da der Markt ja heute die ultimative Definitionsmacht hat, wäre die Diskussion damit eigentlich beendet: Man kann Kunstfotos kaufen also ist es Kunst. Aber so einfach wollen wir es dem Markt dann doch nicht machen.

Ein Beispiel, wie Kunst entstehen kann, sind die Arbeiten des Schweizer Polizisten Arnold Odermatt. Er dokumentierte viele Verkehrsunfälle, dienstlich. Seine Bilder mussten die Unfallsituation möglichst genau darstellen, damit sie vor Gericht als Beweismittel verwendbar waren. Listigerweise komponierte er für sich nach Abschluss der Unfallaufnahmen immer auch ein privates Bild des Unfalls. Daneben fotografierte Odermatt die Kollegen bei der Arbeit, den Bau einer Autobahn, Bergbahnen und seine Familie. Er sah sich nie als Künstler. Außerhalb des gedachten Gebrauchs – in Gerichts- und Polizeiakten, in den Publikationen der Kantonspolizei und im privaten Album existierten seine Bilder nicht.

1992, zwei Jahre nachdem Arnold Odermatt aus dem Polizeidienst ausgeschieden war, entdeckte sein Sohn, der Regisseur Urs Odermatt, das Fotoarchiv seines Vaters. Er stellte daraus die Fotosammlungen „Karambolage“, „Im Dienst“, „In zivil“, „Feierabend“ und „Im Ruhestand“ zusammen. Diese Werkgruppen erregen viel Aufmerksamkeit. Sie werden in Museen gezeigt und in Galerien verkauft. Quasi über Nacht sind sie zu Kunst geworden. In einem Interview mit dem Magazin Der Spiegel sagte Urs Odermatt von seinen Vater, dass dieser die Aufregung der Fachwelt über seine Fotos gar nicht recht verstehen könne.

Die Bilder des Arnold Odermatt wurden zur Kunst, indem sie dem gedachten und beabsichtigten Zweck entfremdet wurden.

The relationship between Photography and Art is complicated. Since the beginning of photography there is a dispute going on, if photography is art, or not, or yet.

One could argue, it was photography which defined art to be art. Because for the first time there was a counterpart, something like a mirror in which art could recognize itself. Both, art and photography were competing for the same end: To depict and record the visible. It soon became clear that photography war quicker and far more precise. And it could easily be reproduced. This made amends for its early disadvantage of being monochrome.

Since then photography and the fine arts are circling each other, changing positions and attitudes and both are undergoing a continuous metamorphosis. Photography was early on denied to be art for being so precise. It reacted by making photos slightly blurred, which was considered to be more artistic. The fine arts felt liberated from being enslaved by reality and developed impressionism, expressionism and abstract painting. By now we had photo-realism as a style of art. One of the most highly rated contemporary painters, Gerhard Richter, is using photographs as template paints them blurred. Photography, not standing still, has adopted the abstract. And the dance goes on.

A painting or a drawing are at an advantage when it comes to be recognized as being art. When do we call a photograph to be art? Beyond any doubt, there is a market for art photography. And as “the market” defines reality, there should ne no need for further discussion: You can buy art photography and therefore it is art. But we do not want to make it that easy for the market, do we?

An example how photography can become art is the work of a Swiss police officer. Arnold Odermatt had the official task of documenting traffic accidents with his camera. His pictures were used in court and had to be precise and clear. Cunningly he always made one private shot of the scene which he composed according to aesthetic principles. He also photographed his fellow police officers at work, the construction of motorways, the Swiss mountains and his family. Outside of the intended use as there were, police and court files and private albums, his pictures did not exist.

In 1992, two years after Arnold Odermatt hat retired from service, his son the, film director Urs Odermatt, discovered the archive of his father. He compiled collections and found a promotor for it. Now they can be found in Museums and are sold in galleries. They became art overnight. In an interview Urs Odematt told the news magazin “Der Spiegel” his father cannot quite understand the fuss about his photographic work.

The photos of Arnold Odermatt became art as the were alienated from the intended use and purpose.

3 Comments

  1. Klaus

    Im Zeitalter der Digitalisierung, in dem Wirklichkeit zu Realität herabsinkt und die Welt meine gemachte standardisierte Vorstellung ist, ist die Suche nach scheinbarer Authentizität eine schöne romantische Vorstellung! Um so besser wenn sich der Schein von Authentizität auch pekuniär materialisiert!
    Banksys Aktion war für den Schwaben natürlich eine Katastrophe: Es geht gar nicht, dass man sei Sach kaputt macht! Aber die vermutete Wertsteigerung des Bildes war dann wieder ein schöner Trost!

  2. Rolf Noe

    mit deinem Beispiel aus der Schweiz hast Du einen etwas eigenartigen Trend in der Kunstwelt aufgezeigt, der dahin geht den Werken, die mit der Absicht herstellt wurden, Kunst zu produzieren, zu misstrauen und sich Produkten zuzuwenden, die in anderen Zusammenhängen und aus anderen Motivationen heraus entstanden sind. Diese werden dann, vorausgesetzt sie sind auch wirklich interessant, durch Ausstellung und Verkauf geadelt in somit in den Kunstmarkt integriert. Das prominenteste Beispiel der vergangenen Jahre ist Vivian Maier Die gute Frau hat “just for fun” photographiert und ihre Produkte in Kisten verwahrt. Seit ihrer Entdeckung ist sie so eine art Leitstern der `street photography´ geworden.
    In unserer Verzweifelten Suche nach Authentizität verwursten wir, was noch so an Authentischem rumläuft. BANKSY läßt grüßen. Er spielt Katz und Maus mit dem Kunstbetieb. Er ist Täter und Opfer zugleich und wir warten alle gespannt auf seinen nächten Streich.

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