Es war mir ein Anliegen, diese Ausstellung zu sehen. Gut, dass ich wenigstens Harald dazu überreden konnte nach Frankfurt mitzufahren, so wurden die zwei Stunden Fahrt jeweils wenigstens nicht langweilig.
Es geht um Annegret Soltau, auf die ich erst vor kurzem aufmerksam geworden bin, möglicherweise über den DFA-Podcast oder auf Insta, wo die große Retrospektive im Städel-Museum in FFM auch angekündigt wurde.
Aber was fasziniert einen alten, photographierenden und schreibenden Mann wie mich an dieser Photographin, an dieser Frau? Ich kann nur raten und versuche mich dem mal vom Unwahrscheinlichen her zu nähern. Meine Mutter war Näherin, also gelernte Schneiderin und hat mir so viel durch ihr Beispiel beigebracht, dass ich einen Hemdknopf annähen oder meine Socken stopfen kann, um sie noch ein paar Wochen länger tragen zu können. Ist das ein Grund? Dann bin ich seit den frühen siebziger Jahren in Deutschland und immer auch an den emanzipatorischen Bewegungen interessiert und manchmal involviert gewesen. Die Revolution, die Emanzipation, die Abschaffung der Irrenhäuser, alles Themen, die mich begleitet haben. Oft mehr aus Interesse an den theoretischen Hintergründen als an der praktischen Umsetzung.
I was keen to see this exhibition. It was good that I was at least able to persuade Harald to come with me to Frankfurt, so the two-hour drive there and back wasn’t boring.
It’s about Annegret Soltau, whom I only recently became aware of, possibly through the DFA podcast (german) or on Instagram, where the major retrospective at the Städel Museum in Frankfurt was also announced.
But what fascinates an old man like me, who takes photographs and writes, about this photographer, about this woman? I can only guess and try to approach it from the unlikely. My mother was a seamstress, a trained tailor, and she taught me so much by example that I can sew on a shirt button or darn my socks so I can wear them a few weeks longer. Is that a reason? Then I have been in Germany since the early 1970s and have always been interested in and sometimes involved in emancipatory movements. Revolution, emancipation, the abolition of insane asylums—these are all topics that have accompanied me. Often more out of interest in the theoretical background than in the practical implementation.
Da ich aber selbst wenig von der dritten und vierten Welle des Feminismus mitbekommen habe, konnte ich von deren guter Darstellung anhand der Lebensabschnitte von Annegret Soltau profitieren. Aber nicht nur die Entwicklung der feministischen Bewegung, sondern auch die Phasen ihres Lebens spiegeln sich in dieser Retrospektive wider. Zusammengehalten hier nicht vom roten, sondern vom schwarzen Faden, der das alles zusammennäht und sich von den schwarzen gezeichneten Linie der Anfangszeit ausgehend über die Einwicklungs-Performances und Vernähungen immer weiter entwickelt und durch ihr ganzes Werk zieht.
However, as I myself knew little about the third and fourth waves of feminism, I was able to benefit from their excellent presentation based on the stages of Annegret Soltau’s life. But it is not only the development of the feminist movement that is reflected in this retrospective, but also the phases of her life. Held together here not by a red thread, but by a black one, which sews everything together and, starting from the black lines drawn in the early days, continues to develop through the wrapping performances and stitching, running through her entire work.
Vielleicht der herausforderndste Aspekt ihres Werkes ist die Visualisierung, der durch die Vernähung nur unzureichend wiedergutgemachten Fragmentierung des weiblichen aber letztlich auch des menschlichen und des gesellschaftlichen Körpers. Schwierig ist das, weil für mich z.B. durch mein Berufsethos als Körper-Therapeut die Ganzheitlichkeit immer einen hohen Wert dargestellt hat. Aber in der Reflexion wird klar, dass die Ganzheitlichkeit (das, was Annegret Soltau macht, indem sie fast zwanghaft alle Fragmente dann doch wieder zu etwas Ganzem zusammennäht) als ethischer Wert durchaus Sinn macht, während er bei der Beschreibung der Zustände in unserer Menschen-Welt völlig fehl am Platze ist. In Soltaus Werk wird, und das ist vielleicht das Faszinierendste dran, Beides sichtbar.
Perhaps the most challenging aspect of her work is the visualization of the fragmentation of the female body, but ultimately also of the human and social body, which is only inadequately repaired by sewing. This is difficult for me because, for example, my professional ethics as a body therapist have always placed a high value on holism. But on reflection, it becomes clear that holism (what Annegret Soltau does by almost compulsively sewing all the fragments back together into a whole) makes perfect sense as an ethical value, while it is completely out of place when describing the conditions in our human world. In Soltau’s work, and this is perhaps the most fascinating thing about it, both become visible.
Eine weitere aber vielleicht nicht die letzte Frage, die ich mir im Zusammenhang mit dieser Ausstellung stelle, ist was eigentlich an diesen Werken so schwierig ist, dass sie immer wieder aus Ausstellungen verbannt wurden und jetzt in Frankfurt, anscheinend zum ersten Mal, unzensiert gezeigt werden kann? Es kann eigentlich nicht die Nacktheit sein. Diese holt schon seit den Siebzigern niemand mehr aus der Reserve. Vielleicht ist es die öffentliche Darstellung der Tatsache, dass der schöne glatte Hautsack mit der Zeit faltig wird und man sich entweder schämen oder ihn lieber hinter wallenden Gewändern verstecken sollte. Oder ist es die unangenehme Erinnerung daran, wie mühsam es ist die ganzen Fragmente unserer Identität zusammenzuhalten und zur Passung zu bringen; die Erinnerung daran, dass diese letztlich unlösbare Aufgabe immer auch mit Scham und Minderwertigkeitsgefühlen verbunden ist.
Another question I ask myself in connection with this exhibition, and perhaps not the last, is what is so difficult about these works that they have repeatedly been banned from exhibitions and can now be shown uncensored in Frankfurt, apparently for the first time? It can’t really be the nudity. That hasn’t shocked anyone since the 1970s. Perhaps it is the public portrayal of the fact that the beautiful smooth skin bag becomes wrinkled over time and that one should either be ashamed of it or hide it behind flowing robes. Or is it the unpleasant reminder of how laborious it is to hold all the fragments of our identity together and make them fit; the reminder that this ultimately unsolvable task is always associated with shame and feelings of inferiority.
Translated with the help from DeepL
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Sehr interessante Werke
Danke für die Präsentation!