Wenn man diesen Blog einigermaßen regelmäßig liest, fällt auf, dass sich der Schwerpunkt zusehends von den philosophischen Überlegungen hin zur Besprechung von Ausstellungen verschiebt. Nun, so ist es halt mal. Ich komme zunehmend öfter in Ausstellungen, weil ich inzwischen eigentlich jede Fahrt, die ich sowieso machen muss, mit einem Besuch verbinde. Und es ist keineswegs so, dass ich hier dann systematisch alle Ausstellungen bespreche, die ich gesehen habe. So war ich z.B. im Januar mit Ti in Stuttgart in der Ausstellung mit den Nominierten für den Deutschen Architekturfotopreis. Das hatten wir hier schon einmal in 2019 und nochmal in 2021. Das muss nicht wiederholt werden, obwohl die thematischen Schwerpunkte ja wechseln. Dieses Mal war das Thema „Provisorium/Stopgap“.
If you read this blog on a fairly regular basis, you will notice that the focus is increasingly shifting from philosophical considerations to discussions of exhibitions. Well, that’s just the way it is. I’m visiting exhibitions more and more often because I now combine every journey I have to make with a visit anyway. And it’s by no means the case that I then systematically discuss all the exhibitions I’ve seen here. In January, for example, I was in Stuttgart with Ti at the exhibition with the nominees for the German Architecture Photography Prize. We already did that here once in 2019 and again in 2021. It doesn’t need to be repeated, although the thematic focus does change. This time the theme was “Provisorium/Stopgap”.
Diesmal gab es, wie schon öfter bei einem Besuch der VHS-Hochburg am Rotebühlplatz auch Beifang. Die Ausstellung “Harry Walter Bilder knistern” zeigte interessante historischen Bilder nebst ihren Besprechungen durch eben diesen Harry Walter, der tatsächlich ein Meister der kurzen Form ist und diese schrägen Bilder wunderbar zwischen gestern und heute verortet. Das Ganze gibt’s im Übrigen auch als Buch bei Schlaufen.
Ende Januar war ich in Frankfurt und habe dort im Dommuseum die Ausstellung Umbruch von der lokalen freelens-Truppe angeschaut. Ein Bericht hat sich nicht ergeben, aber vielleicht schreibe ich ja mal was über freelens und kann dort meine Seherlebnisse einbringen. Was auch immer schön ist, ist, wenn man in Ausstellungen reinstolpert. So hab ich bei meinem Frankfurt-Besuch die Leica-Galerie im Leica Shop entdeckt, hab meine Klassenangst überwunden und mir darin die auch historisch sehenswerten, meist in SW gehaltenen Bilder von David Hurn angeschaut.
So ähnlich ging es mir auch letzten Sonntag in Ulm. Auf dem Weg zum Stadthaus, bin ich beim Kunstverein vorbeigekommen. Und siehe da, die hatten was über Photographie „Medium Photographie – J.Bruns, Chargesheimer, S. Polke“ (bis 20.5.24). Es handelt sich um Relikte aus einer Zeit des unbeschwerten Experimentierens. Barytdrucke mit Fehlern, Übermalungen, Nachkolorierungen etc. Schnell wird klar; hier geht es nicht ums photographieren, sondern darum bestimmte photographische Verfahren für den künstlerischen Ausdruck zu nutzen.
This time, as is often the case when visiting the VHS stronghold on Rotebühlplatz, there was also some by-catch. The Harry Walter Bilderknistern exhibition showed interesting historical pictures alongside their reviews by the very same Harry Walter, who really is a master of the short form and marvellously locates these quirky pictures between yesterday and today. The whole thing is also available as a book from Schlaufen.
At the end of January, I was in Frankfurt and visited the exhibition Umbruch by the local freelens group at the Dommuseum. I didn’t manage to write a report, but maybe I’ll write something about freelens and share my viewing experiences there. It’s always nice when you stumble into exhibitions. During my visit to Frankfurt, for example, I discovered the Leica Gallery in the Leica Shop, overcame my class anxiety and took a look at David Hurn’s pictures, most of which are in black and white and well worth seeing.
I had a similar experience last Sunday in Ulm. On the way to the Stadthaus, I passed the Kunstverein. And lo and behold, they had something about photography “Medium Photography – J.Bruns, Chargesheimer, S. Polke” (until 20.5.24). These are relics from a time of carefree experimentation. Baryta prints with errors, overpainting, re-colouring, etc. It quickly becomes clear that this is not about photography, but about using certain photographic processes for artistic expression.
Über meinen anschließenden Besuch in Stadthaus habe ich, wie mir gerade auffällt, auch noch nicht berichtet. Schon beim letzten Mal habe ich die Ausstellung von Danny Franzreb über die Blockchain unterschlagen, weil ich das Gefühl hatte, ich hab da zu wenig Ahnung, um auch nur einigermaßen informiert zu berichten. Inzwischen habe ich mir das Hartmann Book „Proof of Work“ zugelegt und werde, gesetzt der Fall ich komme mal zum Lesen, gesondert darüber berichten.
Wenn ich mir jetzt so anschaue, warum ich es seit März nicht geschafft habe, über diesen Ausstellungsbesuch etwas zu Papier zu bringen, dann liegt das vielleicht ja auch an den schwer verdaulichen Themen, die dort angeschnitten wurden. Es waren wieder drei Ausstellungen, die aber thematisch locker zusammenhängen. Find ich zumindest. Maziar Morardi, der uns in der Gällery mit der Serie „Was wir sind“ schon einmal begegnet ist, hat Menschen photographiert, die dabei sind sich in Deutschland zu integrieren „Ich werde Deutsch“ (siehe Titelbild) erzählt mit rätselhaften Bildern eine Handvoll sehr unterschiedlicher Geschichten oder reißt sie zumindest an. Kontrastiert wird das durch eine Serie, die die Architektur von Unterkünften für Geflüchtete auf eine ganz sachliche, dadurch aber nicht weniger enthüllende Weise vorführt. Zweckdienlich, sachlich und seelenlos. Bei den Geschichten kommen die Betroffenen zu Wort und hier wird durch die Aufzählung der technischen Daten der Gebäude die abweisende Geste dieser Architekturen nochmal untermalt.
I have not yet reported on my subsequent visit to Stadthaus, as I have just realised. Last time I didn’t mention Danny Franzreb’s exhibition on blockchain because I had the feeling that I didn’t know enough about it to report on it in a reasonably informed way. In the meantime, I have bought the Hartmann book “Proof of Work” and, assuming I ever get round to reading it, I will report on it separately.
When I look at why I haven’t managed to put anything on paper about this exhibition visit since March, then perhaps it’s because of the difficult-to-digest topics that were touched on there. Once again, there were three exhibitions, but they were loosely connected thematically. At least I think so. Maziar Morardi, who we have already encountered in the Gällery with the series “Was wir sind” (What we are), has photographed people who are in the process of integrating into Germany. “Ich werde Deutsch” (I am becoming German) tells a handful of very different stories with enigmatic images, or at least touches on them. This is contrasted by a series that presents the architecture of refugee accommodation centres in a very matter-of-fact but no less revealing way. Expedient, objective and soulless. The people affected have their say in the stories, and here the dismissive gesture of this architecture is emphasised once again by listing the technical data of the buildings.
Im Obergeschoss wurde die Ausstellung „Fragile Träume Orient“ von Katharina Eglau gezeigt. Bilder aus der Fremde, wie man sie eigentlich gar nicht mehr anschauen kann. Aber hier wird eben nicht einfach wild gesammelt, sondern die Bilder behandeln Themen, die in vielen Ländern des Orients akut sind, Ausbeutung von Bodenschätzen, die wachsenden Wüsten und das lebensspendende Wasser, Sufi-Rituale und Initiationsfeste, Fastenbrechen im Ramadan, Kopten im islamischen Umfeld und last but not least couragierte Frauen im Orient mit einem fast ikonischen Bild einer jungen schwarzgekleideten Shisha rauchenden Frau.
The exhibition “Fragile Dreams Orient” by Katharina Eglau was shown on the upper floor. Pictures from a foreign land, the kind you usually can’t really look at any more. But this is not just a wild collection, the pictures deal with topics that are acute in many countries of the Orient, exploitation of natural resources, the growing deserts and life-giving water, Sufi rituals and initiation festivals, breaking the fast in Ramadan, Copts in an Islamic environment and, last but not least, courageous women in the Orient with an almost iconic picture of a young woman dressed in black and smoking shisha.
Als Kontrast hierzu möchte ich eine Ausstellung erwähnen, in die ich auch reingestolpert bin. Im Theaterhaus Stuttgart hab ich bei einem Konzertbesuch die wunderschönen, großformatigen farbigen Portraits von Menschen aus aller Welt gesehen, die Norbert Becke (https://norbertbecke.com/about ) dort ausgestellt hat und ich frage mich zunehmend, ob diese Bilder wirklich das tun, was sie vorgeben zu tun, nämlich uns die Fremde nahezubringen oder ob es schlicht post-koloniale Beutestücke sind, die wir uns mit Genuss so nebenbei in der neuen Hamburger Hafencity oder im Theaterhaus Stuttgart `reinziehen´.
As a contrast to this, I would like to mention an exhibition that I also stumbled across. During a visit to the Theaterhaus Stuttgart, I saw the beautiful, large-format colour portraits of people from all over the world exhibited there by Norbert Becke and I am increasingly asking myself whether these pictures really do what they claim to do, namely to bring us closer to the foreign, or whether they are simply post-colonial spoils that we enjoy in passing in the new Hamburg Hafencity or in the Theaterhaus Stuttgart.
Am schwersten tat und tue ich mich mit der dritten Ausstellung „Eine Reise durch Deutschland. Die Mordserie der NSU“ von Paula Markert. Nicht weil die Serie nicht gut gemacht ist, auch nicht, weil sowas nicht Not tut. Natürlich muss das ins Bewusstsein gehoben werden, gerade um Leute wie mich, die sich gern mit einem leichten Ekelgefühl abwenden und am liebten gar nicht hinsehen wollen, vielleicht doch mal dazu zu bewegen wenigstens für die Zeit des Ausstellungsbesuches sich mit dem Thema konfrontieren zu lassen und etwas von den Bildern, aber vielleicht noch mehr von den die Bilder begleitenden Texten mitzunehmen. Auch hier gibt es ein Buch. Auch wieder bei Hartmann. Man kann sich also auch auf dem Sofa konfrontieren, man tuts nur nicht gern.
I had and still have the hardest time with the third exhibition “A journey through Germany. The NSU murder series” by Paula Markert. Not because the series is not well done, nor because something like this is not necessary. Of course, we need to raise awareness of this, especially in order to persuade people like me, who like to turn away with a slight feeling of disgust and prefer not to look at all, to allow themselves to be confronted with the subject at least for the duration of the exhibition visit and to take something away from the pictures, but perhaps even more from the texts accompanying the pictures. There is also a book here. Again from Hartmann. So you can also confront yourself on the sofa, you just don’t like doing it.