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Kann es heute in der Photographie noch etwas Neues geben?/ Can there be something new in contemporary photography?

Ein Problem ist heute, dass  alles schon mal abgelichtet wurde und auch schon auf jede nur erdenkliche Art und Weise. Ich habe das  persönlich schmerzhaft erfahren müssen als ich die scheinbar tollsten eigenen Ideen in meiner Photographie der ersten digitalen Jahre zufällig in einer Ausstellung mit Bildern von Saul Leiter 2012  in Hamburg  entdeckt habe. Er hatte diese Bildideen Mitte des letzten Jahrhunderts mit den ersten Farbfilmen schon entdeckt und umgesetzt.

Woher soll also das Neue in die Welt kommen, wenn schon so Viele damit rumgespielt und alle Varianten schon mal umgesetzt haben.

Durch technische Innovation?  Ich denke nicht und die Erfahrung zeigt auch, dass Flusser mit dem Hinweis, dass Photographen ihre Leidenschaft darauf richten die Möglichkeiten des Apparates auszuloten Recht behält. Immer wenn was Neues möglich wird wie zum Beispiel nahtlose Fotomontagen mit Photoshop und ähnlichen Programmen sich eine Menge Leute draufstürzt das Gebiet auslotet, das Publikum damit beeindruckt und eine Weile unterhält. Dann aber wird es langsam `mainstream´ und damit langweilig und es muss was Neues her.

Dann kann man plötzlich dank `Focusstacking´ die Schärfentiefe in Makroaufnahmen fast grenzenlos steigern. Die gestochen scharfen Insektenaugen und behaarten Blütenblätter faszinieren und werden dann auch bald normal und nicht mehr der Beachtung würdig.  Eine Gemeinde von Fans bildet sich, die diese Kunst weiter betreibt, der Rest der Photographen wandert weiter. Zur nächsten Neuerung.

Das ist aber letztlich nicht wirklich innovativ. Das ist das was Industrie und Handel von uns erwarten und was den Laden am Laufen hält. Es muss neue Ausrüstung gekauft (Bildbearbeitungsprogramme, Macroschlitten etc.) werden. Der damit angesammelte Gewinn wird benutzt um die nächste Neuerung zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.  Das ist nicht Kreativ, das ist Hamsterrad.

Aber wie soll es dann klappen? Es gibt ja doch immer wieder Künstler, die es schaffen überraschend Neues zu zeigen. Ich denke da müssen immer zwei Aspekte zusammenkommen. Einer davon kann technische Innovation sein. Aber dazu muss noch etwas hinzutreten, das aus einem anderen Bereich kommt. Inspiration vielleicht, manchmal kommen die Ideen tatsächlich `aus der Luft´. Ganz persönliche Ausdruckswünsche oder -bedürfnisse können es auch sein. Aus der Biographie sozusagen.

Es muss auch nicht unbedingt eine neue Technologie sein. Neu kann durchaus auch ein Rückgriff auf alte zum Teil sogar verlassene Techniken sein,  wenn Sie in Zusammenhang mit Ideen gebracht werden, die es zu der Hoch-Zeit dieser Technologie noch nicht gab. Dadurch kann etwas Neues entstehen. Als Beispiel taugt hier unser neuester Gast in der Gäste-Galerie Dominique Grosse. Er ist beim Stöbern in der Library of congress auf Kinderbilder von Lewis Hine gestoßen und hat angefangen Diese mit den Möglichkeiten der modernen Bildbearbeitung zu kolorieren. Entstanden sind lebendige Farbbilder, die einem diese längst dahingegangenen Menschen nahebringt.

Letztlich kommt das Neue aus derselben Quelle wie der Witz. Freud hat in seinem Buch „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten“ (1905)  gezeigt das das überraschende Zusammentreffen zweier Ideen aus Bereichen, die sonst nicht miteinander in Beziehung gebracht werden den Funken in uns zündet der dann das Lachen  auslöst.

Wenn ein Bild oder eine Reihe von Bilder im Betrachter bewirken kann, dass  er eben nicht nur kurz `Wow´ sagt sondern wirklich überrascht oder gar beeindruckt ist, dann ist vielleicht wirklich etwas Neues in die Welt gekommen.

One problem today is that everything has been photographed before and in every imaginable way. It was a painful experience for me personally when I happened to see the best of my own ideas in my photographs of the first digital years in an exhibition with pictures by Saul Leiter 2012 in Hamburg . He had already discovered and implemented these image ideas in the middle of the last century with the first color films he used.

So from where should the new come into the world, if so many have played around with it and have implemented all variants before.

Through technical innovation? I do not think so, and experience also shows that Flusser is still right when he points out that photographers direct their passion toward experimenting with the Possibilities of the apparatus. Whenever something new becomes possible, such as seamless photomontages with Photoshop and similar programs, a lot of people rush in to explore the area, impressing and entertaining the audience for a while. But then it slowly becomes `mainstream’ and thus boring and there must be something new.

Then suddenly you can increase the depth of field in macro shots almost infinitely thanks to `Focusstacking’. The razor-sharp insect eyes and hairy petals first fascinate and then soon become normal and no longer worthy of attention. A congregation of fans is forming, which continues to operate this art, the rest of the photographers moves on. To the next innovation.

But that’s not really innovative in the end. That’s what industry and commerce expect from us and what keeps the show going.  New equipment must be purchased (image editing programs, macro sleds, etc.). The accumulated profit is used to develop the next innovation and bring it to the market. That’s not creative, that’s hamster wheel.

But how should it work then? There are always artists who manage to show something surprisingly new. I think there are always two aspects have to come together. One of them can be technical innovation. But there must be something else that comes from another area. Inspiration maybe, sometimes the ideas actually come ‘out of the air’. It can also be a very personal expression, intimate wishes or needs. From the biography, so to speak.

It does not necessarily have to be a new technology either. The `New´ may well be a recourse to old, sometimes even abandoned techniques when brought in connection with ideas that did not yet exist about the high-time of this technology. This can create something new. Our newest guest is in the guest gallery Dominique Grosse serves as an example. While browsing through the Library of congress, he came across images of children by Lewis Hine and began to colorize them with the possibilities of modern image processing. The result is vivacious color images, which brings you closer to this long-gone human beings.

Ultimately, the new comes from the same source as the joke. Freud has shown in his book “The Joke and his Relationship to the Unconscious” (1905) that the surprising coincidence of two ideas from areas that are not otherwise related ignites the spark in us and then causes laughter.If a picture or a series of pictures can cause in the viewer not just to say ‘Wow’, but really be surprised or even impressed, then maybe something really new has come into the world.

7 Comments

  1. Harald S.

    Und noch etwas. Was erwarte ich als Betrachter von einem Bild? Will ich “gekitzelt” werden? Will ich Erkenntnis? Suche ich Schönheit? Das Neue um seiner selbst willen hat meiner Meinung nach die Halbwertzeit eines Silvesterböllers. Ich behaupte, ohne den willen zur Erkenntnis und ohne neu sehen zu lernen. Gibt es nur noch Knalleffekte. Ich erwarte Widerspruch!

    • Rolf Norgaard

      Die Frage muss um den Kontext erweitert werden. Was erwarte ich wo? In einer Kunstausstellung erwarte ich mit gutem Recht, dass das gezeigte Neu ist, odet zumindest neu betrachtet. Und reflektiert. Zumindest auf Nachfrage muss der Künstler sagen können, was er damit sagen/zeigen möchte. Wenn ich mit ebendieser Erwartung auf Flickr auftauche muss ich mich drauf einstellen, dass ich mir die Finger wundsuchen muss um etwas zu finden, was über die reine Zeigelust hinaus geht.

  2. Harald S.

    Im Bereich der Fotografie ist die Entwicklung inflationär. Durch die schiere Masse der Fotos wird das einzelne Bild entwertet. Merkwürdigerweise kommt noch ein zweiter Effekt hinzu. Wie Andi schon gesagt hat, nimmt auch die Erkenntnisfähigkeit der Bildbetrachter ab. Was bedeutet neu in der Fotografie? Am neuesten sind immer die aktuellen Fotoapparate und die entsprechenden Zubehörteile. Solange man sich nur im Bereich der Technik bewegt, bleibt der Blick auf die Wirklichkeit verstellt. Ich denke aber, dass man einen neuen Blick auf Dinge oder Menschen entwickeln kann. Und dieser Blick ist nur möglich, wenn die Fotografin/der Fotograf innerlich tief bewegt ist. (Über das Wow-Erlebnis hinaus bewegt ist.)

    • Rolf Noe

      Ich bin mir gar nicht so sicher, ob man dem Einzelbild im flickr-Strom die Bewegtheit ansieht. Es könnte ja sein,
      dass bestimmte Bilder demjenigen, der Sie gemacht und gepostet hat sehr viel bedeuten – aber kommt das rüber? Geht das nicht in der Masse unter?
      Für mich wird es am ehesten dann sichtbar wenn ich verfolge, wie Jemand immer wieder liebevoll bestimmte Blumen fotografiert. Oder Bushaltestellen. Da sehe ich, oh
      das Thema beschäftigt den aber wirklich, dieser Aspekt der Umwelt ist ihm besonders wichtig. Das Einzelbild wird mitgerissen, es sei denn es hängt
      großformatig in einer Ausstellung an der Wand oder prangt von einem überdimensionalen Werbebanner.

  3. Andi

    Sehr interessante Frage
    Für mich ist diese nicht so trivial. Aus meiner Erfahrung ist der Betrachter in der Masse zu oberflächlich geworden um das „neue“ überhaupt war zu nehmen.
    Mach doch mal einen Versuch: Poste ein Bild welches du vor Jahren schon einmal gepostet hast…
    Wie werden wohl die Reaktion aussehen?

    • Rolf Noe

      Ich kann das Anhand der Arbeit hier an diesem Blog bestätigen. Ich poste die Bilder zu den Beiträgen verziert mit dem Link ja auf facebook und auf flickr und auf 500px und sogar auf Instagram. Es fällt mir auf, dass gerade auf den Photoplattformen Viele diese Bilder, obwohl Sie ja jetzt eine ganz ander Funktion haben, (als zum Beispiel Leute auf dem Bahnhof in Helsinki zu zeigen, wie bei dem Bild zu diesem Beitrag) trotzdem einfach gedankenlos geliked und mit den üblichen “very nice picture”-Kommentaren über den eigentlichen Zweck, den das Bild jetzt hat (nämlich die Leute auf den Blog zu locken) hinweggehen und zum nächsten Bild schreiten. Es scheint einfach nicht genug Zeit oder Aufmerksamkeit übrig zu sein um sich mit der Bedeutung des Bildes auseinanderzusetzen.

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