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Kann Spuren von Photographie enthalten / May contain traces of photography

Das darktaxa-Projekt  ist mir letztes Jahr schon einmal über den virtuellen Weg gelaufen. Leider konnte ich damals mit dem, was ich auf der Homepage gefunden habe, nichts anfangen. Klar, es ging ums Digitale und von der Stoßrichtung her habe ich schon damals vermutet, dass es darum geht, den Vorschlag, den Vilém Flusser für die Photographie gemacht hat, nämlich mit dem Medium gegen das Medium zu arbeiten, auf die neuen digitalen Möglichkeiten der Bildgenerierung angewendet werden sollen.

Aber erst mit Hilfe des „Fotografie neu denken“- Podcast könnte ich über ein paar Stufen verstehen, welche Frage hier eigentlich verhandelt wird. Ich konnte das „NoManifesto“ von darktaxa (S3 E74 ) nur deswegen ansatzweise verstehen, weil ich vorher das Interview mit Jens Schröter (S2 E41) gehört habe, der grob gesagt die Position vertritt, dass die neuen computergenerierten Bilder den Seh-Gewohnheiten der Photographie folgen und folglich noch in deren Paradigma funktionieren. Etwas später habe ich die Folge mit Michael Reisch (S3 E73) gehört und verstanden, dass es eine Gegenposition gibt, die zwar nicht leugnet, dass computergenerierte Bilder Formen und Inhalte von Photographie enthalten können, sich aber dagegen auf die Fahnen schreibt, diejenigen Aspekte dieser generativen Medien zu erforschen, die über die Photographie hinausgehen. Es handelt sich dabei um etwas Neues, weil Programme und Algorithmen nicht mit Licht beleuchtbar und somit darstellbar gemacht werden können. Das ist eine spannende Position, das ist ein spannendes Projekt, weil es offenzulegen versucht, was uns hinter der Oberfläche unsere leuchtenden Schnittstellen zum Virtuellen zunehmend bestimmt und sich gleichzeitig immer mehr unserem Zugriff entzieht. Es ist insofern auch ein politisches Programm denn es stellt die Frage, wer diese Netze kontrolliert und beherrscht, in denen wir uns zunehmend verfangen.

Aber um es noch besser zu verstehen ist es vielleicht doch nötig sich mit dem Output einer der Künstlerinnen im Projekt zu beschäftigen. Da hilft es mir, dass ich einer der Künstlerinnen woanders schon begegnet bin und mich mit den Beschreibungen zweier ihrer Projekte beschäftigt habe. Es geht um Beate Gütschow deren Projekte „S“  und „LS“  ich im 2011 erschienenen Katalog der Ausstellung VETO von 2009 mir vor allem aufgrund des Interviews mit Ingo Taubhorn in ihrer Bedeutung einigermaßen klar geworden sind. Die Bilder zeigen scheinbar schwarzweiße Architekturaufnahmen (oder farbige Landschaften in “LS”), die aber ein wenig befremden, weil man beim Betrachten den Eindruck bekommt, dass es so irgendwie nicht gewesen sein kann. Und tatsächlich, die Bilder sind weder in dem, was sie zeigen noch in dem, was ihre Komposition betrifft Abbilder unserer heutigen vermeintlichen Wirklichkeit. Sie sind zwar zusammenkomponiert aus Elementen photographischer Abbilder heutiger Architektur aus aller Welt und verschiedenen normaler Landschaften, aber nach Kompositionsregeln, die aus längst vergangenen Zeiten stammen. Es entsteht etwas nie dagewesenes, etwas wirklich Neues und wie alles Neue ist es irritierend. Wir sehen uns viel lieber Bilder an, die unseren Sehgewohnheiten entgegenkommen, gewohnte Perspektiven, gewohnte Motive, gewohnte Komposition und am besten noch einen Ort/ein Ding, den/das wir wiedererkennen können. Dann ist die Freude groß. Dies alles verweigert uns Beate Gütschow in ihren Bildern. Da freut sich eher der Intellekt. Oh toll, was Neues! Sie arbeitet zumindest in diesen Projekten mit Versatzstücken aus Photographien und das Ergebnis ist ein Bild aber eben kein Photographiertes. Einige der Projekte von darktaxa gehen auch darüber hinaus und versuchen Bilder und Skulpturen entstehen zu lassen, ohne je ein Abbild von Etwas auch nur benutzt zu haben.

The darktaxa project crossed my virtual path last year. Unfortunately, I couldn’t do anything with what I found on the homepage. Sure, it was about digital and from the direction of the project I already suspected back then that it was about applying the proposal Vilém Flusser made for photography, namely, to work with the medium against the medium, to the new digital possibilities of image generation. But it was only with the help of the Rethinking Photography podcast that I was able to understand, via a few steps, what question is actually being negotiated here. I could only begin to understand darktaxa’s NoManifesto (S3 E74) because I had previously listened to the interview with Jens Schröter (S2 E41), who roughly takes the position that the new computer-generated images follow the viewing habits of photography and consequently still function in its paradigm. A little later, I listened to the episode with Michael Reisch (S3 E73) and understood that there is a counter-position that does not deny that computer-generated images can contain forms and contents of photography, but against this, takes upon itself to explore those aspects of these generative media that go beyond photography. This is something new because programmes and algorithms cannot be illuminated with light and thus made representable. That’s an exciting position, that’s an exciting project, because it tries to reveal what increasingly determines our luminous interfaces to the virtual behind the surface and at the same time increasingly eludes our grasp. In this respect, it is also a political programme because it poses the question of who controls and dominates these networks in which we are increasingly entangled.

But to understand it even better, it is perhaps necessary to engage with the output of one of the artists in the project. It helps that I have already met one of the artists elsewhere and have dealt with the descriptions of two of her projects. It is about Beate Gütschow whose projects “S” and “LS”  in the catalogue of the exhibition VETO from 2009, published in 2011, became clear to me to some extent in their meaning, mainly because of the interview with Ingo Taubhorn. The pictures seem to show black-and-white architectural shots (or coloured landscapes in “LS”), but they are a little disconcerting because when you look at them, you get the impression that somehow it couldn’t have been like that. And in fact the pictures are neither in what they show nor in what concerns their composition, images of our today’s alleged reality. They are indeed composed of elements of photographic images of today’s architecture from all over the world and various normal landscapes, but according to rules of composition that originate from times long past. Something unprecedented is created, something truly new, and like everything new, it is irritating. We much prefer to look at pictures that meet our visual habits, familiar perspectives, familiar motifs, familiar composition and, best of all, a place/thing that we can recognise. Then the joy is great. Beate Gütschow denies us all this in her pictures. It is rather the intellect that rejoices. Oh, great, something new! At least in these projects she works with set pieces from photography and the result is a picture but not a photographed one. Some of darktaxa’s projects also go beyond this and try to create pictures and sculptures without ever having used an image of anything.

7 Comments

  1. Stefan Brendle

    Muss mich freilich erst noch intensiver mit “dem Zentrum” auseinandersetzen, aber mein erster Eindruck ist überaus positiv! Wer Deutschlands Nazis derart zum Aufjaulen bringt, kann nur gut sein! Wenn es für “Künstler” darum gehen muss, wider sich selbst als “Künstler” aus dem “Kunst-Käfig” rauszukommen, den Kollegen hier scheint dies bestens zu gelingen!

  2. Rolf Noe

    Ja, aber ich hätt´s gern konkreter. Kennst Du das “Zentrum für politische Schönheit” (https://politicalbeauty.de/)? Da sind, glaube ich, auch Künstler, die politische Aktion zu Kunst erklären und damit zumindest in der Öffentlichkeit der sozialen Kanäle recht präsent sind. Was hältst Du von dieser Art der künstlerischen Aktion?

  3. Stefan Brendle

    Emanzipatorische Aktionen, zu deren Motivation man mittels Herstellung und Präsentation/Zeigen von Bildern beizutragen versuchen könnte, müssen sich zunächst nicht von durchaus Bekanntem wie Protestaktionen verschiedenster Art, Streiks oder Auseinandersetzungen mit der Krisenverwaltung unterscheiden; und als “emanzipatorischer Aktionist” ist man noch nicht einmal auf “außerparlamentarische Opposition” beschränkt, man kann, wenn man das will, auch richtig in die Politik einsteigen. Der entscheidende Punkt ist, dass die Aktionen, die man betreibt, mit einer über den Kapitalismus, über die warenproduzierende Gesellschaft hinausführenden Zielsetzung verbunden sind und bleiben: Wenn man “antikapitalistisch” agiert, den Kapitalismus jedoch allenfalls modifizieren will, darf man sich nicht wundern, dass man nie rauskommt aus ihm und alle Aktion letztlich wieder in kläglicher Anpassung verpufft.

    Was eine für menschliche Emanzipation beste Bedingungen schaffende Reproduktionsweise betrifft, auf deren Kreation in Alternative zum Kapitalismus zuerst und zuletzt abzuzielen wäre, sie lässt sich unter Rückgriff auf Autoren wie Robert Kurz und Tomasz Konicz skizzieren wie folgt: Die menschliche Reproduktion wird weltweit organisiert als Herstellung und Verteilung gemäß bedürfnisorientierter Absprache und damit symmetrisch. Statt einer zentralen Planungsbehörde eine egalitär-symmetrische Koordinationsstruktur regional-lokaler, aber auch (wenn notwendig) globaler Planung (etwa zwecks Zuweisung knapper Ressourcen, Bekämpfung globaler Probleme, globaler Projekte). Es erfolgt eine kommunale Selbstversorgung und Selbstverwaltung und eine transnationale Organisation der Ressourcenflüsse. Ein Netzwerk von Räten befindet sich in dauerndem Datenaustausch bzgl. des Wie und Was der Herstellung und Verteilung. Die Organisation der Reproduktion basiert auf Echtzeitkoordination mittels Internet: Die technischen Möglichkeiten, einen Computer- und Internetkommunismus (kommunistische Echtzeit-Ökonomie) zu verwirklichen, sind längst gegeben. Qua immer dichterem Netz internetgebundener Geräte kann ein Bedarf an Gütern sofort lokalisiert und befriedigt werden und ein Aufbau nahtloser Produktionsketten (vom Feld über die Herstellung und Verteilung bis zum Kühlschrank) wird möglich.

    Und was die “Realistik” hier betrifft: Eine symmetrische Organisation der Reproduktion wie skizziert ist keine Utopie (sprich: kein unrealistischer Traum vom guten Leben), der die “materielle Basis” fehlte: Der Kapitalismus hat die Eine Welt in ihrer stofflichen, inhaltlichen und technischen Vernetzung hergestellt, die kapitalistische Arbeitsteilung hat die reale Produktion zu einem System direkter Vergesellschaftung zusammengeschlossen und der Kapitalismus hat so bereits auf stofflicher, inhaltlicher, technischer Ebene eine kommunistische Vergesellschaftung geschaffen (die jedoch ignoriert wird).

  4. Stefan Brendle

    Na ja, mir ist´s in der sozial-ökologischen Krisensituation, in der wir uns (und im Grunde für jedermann überdeutlich erkennbar) befinden, um (menschliche) Emanzipation zu tun, nicht um Rekrutierung fürs Bauernkriegs-Reenactment. Auch nur die Folgen des insbesondere durch die “Erste Welt” erzeugten Klimawandels lassen sich auf keine auch nur halbwegs akzeptable Weise bewältigen, indem man mit der warenproduzierenden Gesellschaft (auf welche Art auch immer) weiterzumachen versucht.

    • Rolf Noe

      Mit den Äxten und Heugabeln wollte ich eigentlich nur meiner Ratlosigkeit darüber Ausdruck verleihen wie eine emanzipatorische Aktion heute wohl aussehen könnte…

  5. Stefan Brendle

    Okay, als dem (nicht-fotografierenden) Gebrauchstheoretiker, der ich nun mal bin, fällt mir jetzt folgendes ein:

    Mit dem Medium gegen das Medium: Emanzipatorische Herstellung und Verwendung von Bildern wider die anpasserische?

    Frage: Wer beherrscht und kontrolliert die (medialen) Netze, in denen wir uns andauernd verfangen? Antwort: Der Kapitalismus bzw. die warenproduzierende Gesellschaft bzw. seine/ihre affirmativen VertreterInnen in Wirtschaft und Politik, insbesondere diejenigen in “Geld-mächtigen” Positionen, Stichwort: “Klassenkrieg von oben”! (Siehe dazu z.B. Tomasz Konicz, Klimakiller Kapital, Berlin 2020)

    Der emanzipatorische Gebrauch von Bildern ist nicht nur eine Frage der Darstellung (bzw. eine Frage dessen, was mit Bildern jeweils dargestellt wird). Und eine bestimmte Darstellung macht noch keinen emanzipatorischen Gebrauch.

    Es kommt zum einen auf die emanzipàtorische Verwendung an, die von einem Bild gemacht wird. (Und es lassen sich auch emanzipatorische Verwendungen von Bildern machen, die nicht für solche Verwendungen hergestellt wurden.) Und es kommt zum anderen darauf an, dass die emanzipatorische Verwendung vom Betrachter auch entsprechend verstanden wird, zumindest werden kann. (Freilich ist vom Bilder-Zeigenden auf eine emanzipatorische Reaktion des Betrachters übers angemessene Verstehen hinaus abzuzielen!)

    Zu den angeführten darktaxa-Projekten:

    Ein soz. hartnäckig als fotografische Darstellung eines bestimmten Ausschnitts unserer realen Welt (oder auch bestimmter Szenen in unserer realen Welt) erscheinendes Bild soll sich für den Betrachter als, nennen wir´s, computererzeugte Fotocollage herausstellen. Welche emanzipatorischen Ziele ließen sich mittels Zeigen dieses Bildes verfolgen?

    Abstrakte Gegenstände abstrakt darstellen, diesmal jedoch nicht malerisch (siehe sog. gegenstandslose Malerei), sondern qua, nennen wir´s diesmal, computererzeugte Fotografie? Abstrakte Gegenstände abstrakt darstellen: Ist das nicht nur Aufwärmen von längst Bekanntem, bloßer Retro-Mist, sondern sinnvoll, um emanzipatorischen Gebrauch (und nur ein solcher zählt heute!) von Bildern machen zu können?

    Und zuletzt noch das in der bildenden Kunst auch nur allzu bekannte Problem der “reinen Objekte”? Bilder und Skulpturen, die nichts darstellen (genauer: mit denen man nichts darstellt), sind, was immer sie sind, aber jedenfalls keine Bilder und Skulpturen. Was geht hier ab? Statt sich emanzipatorisch zu engagieren, pseudo-avantgardistisches Anrennen gegen die Grenzen der Sprache?

    • Rolf Noe

      Letztlich müsstest Du Deine Fragen an die Künstler selbst richten. Was mich bewogen hat diese Gruppe herauszuheben, ist, dass Sie zumindest den Versuch unternehmen mit ihrer Produktion die Bedingungen des Entstehens von digitalen Bildern zu thematisieren.
      Ob sie dem gerecht werden wird sich zeigen. Der Gebrauch, der von den Bildern gemacht wird, ist, so weit ich das sehe, eben nicht der Darstellung unterworfen, sondern der Generierung. Natürlich werden diese Bilder in Ausstellungen und im Netz gezeigt und erläutert; da kann man natürlich mit Recht Fragen, ob und wie Sie da eine emanzipatorische Wirkung erzielen sollen. Ichs frage mich, ob die Hacker nicht mehr über das Funktionieren der Netze aufzeigen als die Künstler aber auch da ist das Publikum eher klein und wenig geneigt mit Axt und Mistgabel auf die Straße zu gehen.

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