Eine Handlungsanalyse von Stefan Brendle
Zur Erklärung: Ausgangspunkt ist hier ein Fund aus dem Blogoversum. „Bilder aus Strom“ (Stephan Obermüller) hat einen unglaublichen Fund gemacht. Der Sieger eines großen Wettbewerbes hat mit einem sehr wahrscheinlich generierten Bild die Goldmedaille in der Kategorie Portrait gewonnen. Ein Fall für die Handlungsanalyse. Folgendes hat mein Studienfreund Stefan auf meine Bitte dazu geschrieben:
Worum geht´s? Ein KI-Bild wird bei einem Portraitfotowettbewerb eingereicht und siegt in der Kategorie People and Portrait Photography. Und der Veranstalter, darauf angesprochen, dass es sich beim „Foto“ um ein KI-Bild handelt, meint: „Ist doch egal, ist doch schön.“
Man könnte sagen: Wie Gemälde oder Zeichnungen sind Fotos Bilder, mit denen man etwas darstellen kann und die sich dann auf die eine oder andere Weise kommunikativ verwenden lassen. Das jedoch, was ein Foto wesentlich von einem Gemälde oder einer Zeichnung unterscheidet, ist die zum Darstellen hinzukommende „Ablichtung“ eines Ausschnitts der (optischen) Ansicht der Welt von Gegenständen, wie sie dem Menschen als sprechendem Lebewesen gegeben ist; bzw. die „Ablichtung“ der (optischen) Ansicht bestimmter Gegenstände an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit.
Insofern es sich dann bei KI-Bildern um die bloße algorhythmische Variation zuvor „eingefütterter“ Fotos handelt, kann hier wohl kaum noch sinnvoll von „Ablichten“ gesprochen werden. Und entsprechend würde ich hier auch nicht mehr von Fotos sprechen, sondern nur noch von – vielleicht „fotorealistischen“? – Bildern und Darstellungen. Aber auch dies scheint mir problematisch, da ja auch die menschliche Handlung des Darstellens ersetzt ist durch (oder reduziert ist auf) die algorhythmische Variation.
Bekanntlich werden von der KI-Industrie nicht nur einzelne KI-Bilder hergestellt, sondern vor allem KI-Bilderfolgen, sprich: KI-Filme. Und hier werden dann nicht nur Darstellungs-Handlungen algorhythmisch ersetzt (oder entsprechend reduziert), sondern in großem Umfang menschliche Handlungen, die mittels Zeigen von Bildern vollzogen werden können, insbesondere die kommunikative Handlung des Erzählens und all das, was man (handlungsmäßig und vor allem auch in kritischer oder subversiver Hinsicht) tun kann, wenn man erzählt. Was bleibt, ist die bloße (algorhythmische) Variation oder Modifikation des eingespeisten toten Materials.
Ist bei KI-Bildern ein aufs Darstellen bezogenes „Schöpferisches“ immer schon erledigt, so lässt sich zumindest von KI-Einzelbildern – wie dem zum Portraitfotowettbewerb eingereichten – ein kritischer Gebrauch durchaus noch machen: Etwa indem man zusätzlich und im Kontrast zum eingereichten KI-Bild Portraitfotos präsentiert, ebenfalls als halbfigürliche Darstellungen einzelner vollbärtiger Männer mit vor der Brust in den Armen gehaltenen Katzen, jeweils in Frontalansicht, den Blick auf den Rezipienten gerichtet. Und mit diesen Fotos dann nicht nur die Ermangelung des aufs Darstellen bezogenen „Schöpferischen“ bei KI-Bildern augenscheinlich macht, sondern vor allem auch die fehlende „Ablichtung“ und (mit fotografischen Mitteln durchaus bis zum „Idealbild“ modifizierbaren) Darstellung einer realen Person.
An analysis of action by Stefan Brendle
Explanation: The starting point here is a discovery from the blogosphere. “Bilder aus Strom” (Stephan Obermüller) has made an incredible discovery. The winner of a major competition won the gold medal in the portrait category with an image that was most likely generated. A case for action analysis. My college friend Stefan wrote the following at my request:
What’s it all about? An AI image is submitted to a portrait photography competition and wins in the People and Portrait Photography category. And when asked about the fact that the “photo” is an AI image, the organizer says, “It doesn’t matter, it’s beautiful.”
One could say that, like paintings or drawings, photos are images that can be used to represent something and can then be used communicatively in one way or another. However, what essentially distinguishes a photo from a painting or drawing is the “photographing” of a section of the (optical) view of the world of objects as it is given to humans as speaking beings; or the “photographing” of the (optical) view of certain objects at a certain place and at a certain time.
Insofar as AI images are merely algorithmic variations of previously “fed” photos, it hardly makes sense to speak of ‘photographing’ in this context. Accordingly, I would no longer refer to them as photos, but only as – perhaps “photorealistic” – images and representations. But this also seems problematic to me, since the human act of representation is replaced by (or reduced to) algorithmic variation.
As is well known, the AI industry not only produces individual AI images, but above all AI image sequences, i.e., AI films. And here, not only are acts of representation algorithmically replaced (or reduced accordingly), but also, to a large extent, human actions that can be performed by showing images, in particular the communicative act of storytelling and everything that can be done (in terms of action and, above all, in critical or subversive terms) when telling a story. What remains is the mere (algorithmic) variation or modification of the dead material that has been fed in.
If, in the case of AI images, the “creative” aspect of representation has always been taken care of, then at least AI single images – such as those submitted to the portrait photo competition – can still be put to critical use: For example, by presenting portrait photos in addition to and in contrast to the submitted AI image, also as half-length representations of individual bearded men holding cats in front of their chests, each in a frontal view, looking at the viewer. These photos then not only highlight the lack of “creativity” in AI images in terms of representation, but above all the lack of ‘photography’ and (with photographic means that can be modified to create the “ideal image”) representation of a real person.
Die Frage schließlich, ob jemand, der ein KI-Bild bei einem Portraitfotowettbewerb einreicht, (bewusst) täuscht und betrügt, könnte man versuchen, anhand von „Annahmen über Annahmen“ zu beantworten: Nimmt man zum Beispiel an, dass der Einreicher des KI-Bildes annimmt, dass kein relevanter Unterschied zwischen einem KI-Bild und einem Portraitfoto besteht, dann, würde ich sagen, täuscht er nicht und betrügt auch nicht. Nimmt man an, dass der Einreicher des KI-Bildes annimmt, dass zwar durchaus ein Unterschied besteht zwischen einem KI-Bild und einem Portraitfoto, es aber – da es nur um „schöne Bilder“ zu tun ist – auf diesen Unterschied nicht ankommt, dann täuscht und betrügt er auch diesmal nicht. Nimmt man an, dass der Einreicher des KI-Bildes annimmt, dass ein KI-Bild auch aus Sicht von Veranstalter, Jury und Publikum kein Portraitfoto ist, für ihn aber eine echte Chance besteht, den Wettbewerb mit einem solchen Bild zu gewinnen, dann liegt, würde ich jetzt sagen, mindestens der Versuch einer Täuschung vor und der eines Betrugs.
Finally, the question whether someone who submits an AI image to a portrait photography competition is (consciously) deceiving and cheating could be answered by making “assumptions about assumptions”: For example, if we assume that the submitter of the AI image believes that there is no relevant difference between an AI image and a portrait photo, then I would say that they are not deceiving or cheating. If we assume that the submitter of the AI image believes that there is indeed a difference between an AI image and a portrait photo, but that this difference is irrelevant because it is only a matter of “beautiful images,” then they are not deceiving or cheating in this case either. If we assume that the submitter of the AI image believes that an AI image is not a portrait photo from the perspective of the organizer, jury, and audience, but that there is a real chance of winning the competition with such an image, then I would say that this constitutes at least an attempt at deception and fraud.
Translated with the help of DeepL.com
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Wie Thomas zuvor bereits geschrieben hat, sind die Regeln des Wettbewerbs entscheidend. Desto mehr verwundert die Reaktion des Ausrichters dieses Wettbewerbs. Ich würde an einem “Fotowettbewerb”, der KI-generierte Bilder nicht eindeutig ausschließt, niemals teilnehmen. Man kann hier also auch mit den Füßen abstimmen!
Innerhalb des Deutschen Verbandes für Fotografie (DVF) ist dies eindeutig geregelt.
Es ist gut zu hören, dass es Ausrichter von Wettbewerben gibt, die den Unterschied zwischen photographierten und generierten Bildern ernst nehmen. Es ist ja nichts dagegen zu sagen, dass generierte Bilder gegeneinander antreten. Da wird dann halt prämiert, wer besser prompten kann.
Ein KI Bild ist kein Foto. Wer mit einem KI Bild an einem Fotowettbewerb teilnimmt, bewegt sich bereits auf dünnem Eis. Hier kommt es IMHO darauf an, dass die Teilnahmeregeln hinreichend geschärft werden, damit die Teilnehmer und Betrachter sich auf festem Grund bewegen können.
Boris Eldagsen hat 2023 zu einem Eklat geführt, weil er zu einer Diskussion anregen wollte.
Auf Boris Seite kann man mehr finden: https://www.eldagsen.com/sony-world-photography-awards-2023/
Danke für den Link. Das ist eine wichtige Hintergrundinfo. Schon schlimm, dass es Leute versuchen. Schlimmer finde ich, dass der Veranstalter in diesem Fall das auch noch wohlwollend durchgewinkt hat,
mit der Bemerkung “Wieso, ist doch ein schönes Bild”. Wird weiterhin wichtig sein sich für dokumentarische Photographie starkzumachen.