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Mit Bildern erzählen / Telling stories with pictures

Wenn man Bilderserien inhaltlich anschaut kann man zwei große Gruppen einteilen. Die additiven Serien und die narrativen Serien.  Additive Serien kommen gelegentlich in Ausstellungen vor z. B. der Maler oder Photograph, der Bilder mit Landschaften ausstellt. Letztlich sind auch die unendlich großen Genresammlungen auf den Photoportalen (z.B.  Natur/Nacht/ People/Reise auf 500px) additive Serien nur das sich der Begriff Serie als abgegrenzte Menge da irgendwo in der Unendlichkeit verliert.

Etwas anders verhält es sich mit den narrativen Serien. Sie erzählen eine Geschichte oder illustrieren eine Reportage. Ihre große Zeit war die Zeit der Illustrierten. Die Geschichten aus aller Welt, die, natürlich mit einer schönen Bildstrecke garniert, die wunderbare Welt ins heimische Wohnzimmer gebracht haben. Natürlich gibt es diese wunderbare Anwendung der Photographie auch heute noch, auch wenn ihr Haupttransportmedium doch eher an den Rand gedrängt wurde und in den Wartezimmern von Zahnärzten ein wenig rühmliches Dasein fristet.

Einer der langjährigen Rückzugsorte für narrative Photographie ist der zweijährlich stattfindende Photowettbewerb „Schömberger Fotoherbst“. Seit zwanzig Jahren wird dieser Wettbewerb durchgeführt, der jeweils in einem Ausstellungs- und Veranstaltungsevent im Herbst kulminiert. 2019 ist es wieder so weit.

Das Besondere an diesem Wettbewerb ist dass die Photographen 8-10 Bilder abgeben müssen und damit noch nicht genug. Diese Bilder sollen um erfolgreich ausgestellt zu werden eine Geschichte erzählen. Wie sie das tun bleibt letztlich den Teilnehmern überlassen aber eines der Kriterien in der Vorauswahl ist natürlich, ob die Bildstrecke als erzählerische Einheit funktioniert, ob sie ein Narrativ hat, etwas mitteilt.

Das kann ganz trivial sein und einen Töpfer im Prozess der Herstellung einer Tasse in mehreren Aufnahmen zeigen, es kann aber auch eine Bildstrecke sein die mit ein paar typischen Aufnahmen die Herstellungsbedingungen von z.B. Jeans in einem Schwellenland zeigt. Noch konkreter. Wenn ich als Tourist auf Korsika war und die zehn schönsten Bilder dieser Reise als Serie einreiche, dann erzählen Sie für mich zwar eine Geschichte aber die Jury wird sich nur schwerlich darauf einlassen. Wenn ich aber in zehn Bilder die in der Macchia lebend en Tiere portraitiere könnte das schon eher funktionieren. Wenn ich es gar schaffe anschaulich von den wilden Schweinen dort zu erzählen könnte das den Schlüssel dazu beinhalten ausgestellt zu werden.

John Berger unterscheidet in seinem Essay „Geschichten“ (in: `Der Augenblick der Fotografie´, 2013) zwischen Reportagen, die eine Außenansicht bieten und eher mehr auf begleitende Texte angewiesen sind und  einer subjektiveren Art mit Bildern zu erzählen. Diese ist eher mit Erinnerung und Verknüpfung als mit Spannung und linearer Handlung assoziiert:

„…sind Fotografien das Gegenteil von Filmen. (…)Vor einer Fotografie fragt man danach, was da war. Im Kino wartet man darauf, was als nächstes folgt.“

„Fotografie kann das besondere Einzelne zum Allgemeinen in Beziehung setzen. (…) Wenn es in einer Folge von Bildern stattfindet, kann die Verknüpfung jeweiliger Affinitäten, Kontraste, und Vergleiche umso umfassender und komplexer sein.“

„Geschichten bewegen sich wie Tiere oder Menschen. Und Sie machen Schritte nicht nur von einem Ereignis zum anderen, sondern auch von Satz zu Satz und manchmal von Wort zu Wort. Jeder Schritt schreitet über etwas Ungesagtes hinweg.“

Die Herausforderung bleibt spannend. Wie mit Bildern berichten, wie mit Ihnen erzählen. Wie den Betrachter dazu bringen dass er in einer Bildfolge Zusammenhänge und Bezüge sieht.

Wer teilnehmen möchte kann sich hier informieren und die Teilnahmeformulare herunterladen:

https://www.schoemberg.de/fotoherbst2019

Wer sich das eher nur anschauen möchte kann im Oktober nach Schömberg kommen. Infos über die Veranstaltungen auch auf Facebook:

https://www.facebook.com/pg/Schömberger-Fotoherbst-137333753003595/about/

If you look at the content of image series, you can divide into two big groups. The additive series and the narrative series. Additive series occasionally appear in exhibitions. For example, the painter or photographer who exhibits pictures with landscapes. Ultimately, the infinite genre collections on the photo portals (e.g., nature / night / people / travel on 500px) are additive series except that the term series as a limited set loses itself set somewhere in infinity.

It´s something different with the narrative series. They tell a story or illustrate a reportage. Their big time was the time of magazines. The stories from all over the world, garnished with a beautiful picture, brought the wonderful world into the living room. Of course, this wonderful use of photography still exists even today, even though its main transport medium has been marginalized and has a rather inglorious existence in dentists’ waiting rooms.

One of the long-standing retreats for narrative photography is the biennial photo competition “Schömberger Fotoherbst”. For twenty years, this competition has been held, culminating in an exhibition event in the fall. 2019 it is time again.

The special thing about this competition is that the photographers have to hand in a series of 8-10 pictures and that’s not enough. These pictures are supposed to tell a story to be exhibited successfully. How they do that is ultimately left to the participants, but one of the criteria in the preselection is, of course, whether the image section works as a narrative unit, whether it has a narrative, tells us something.

This can be quite trivial, showing a potter in several stages in the process of making a cup, but it can also be a series of pictures which, with a few typical shots, illustrate the production conditions of e.g. Jeans in an emerging country. Even more concrete. If you were a tourist in Corsica and submitted the ten most beautiful pictures of this trip as a series, you tell a story, that makes sense to you but the jury will hardly get involved. But if you portray the animals living in the macchia in ten pictures, that might work better. If you manage to tell the story graphically about the wild pigs there, that could be the key to being exhibited.

In his essay “Stories” (in: `The Moment of Photography’, 2013), John Berger differentiates between reports that offer an outward view and rather rely on accompanying texts and a more subjective way of telling images. This is more associated with memory and connection than tension and linear action:”… photographs are the opposite of films. (…) Before a photograph you ask what was there. In the cinema you wait for what follows next. “”Photography can relate the particular individual to the general. (…) When it takes place in a sequence of images, the combination of respective affinities, contrasts, and comparisons can be all the more comprehensive and complex. “”Stories move like animals or humans. And you do not just take steps from one event to another, but also from sentence to sentence and sometimes from word to word. Every step passes over something unsaid. “The challenge remains exciting. How to report with pictures, how to tell with you. How to make the viewer see that in a series of images connections and references.If you want to participate, you can find information here and download the german or english participation forms:

https://www.schoemberg.de/fotoherbst2019

If you just want to see the exhibition, you can come to Schömberg in October. Information about the events also on Facebook:

https://www.facebook.com/pg/Schömberger-Fotoherbst-137333753003595/about/

5 Comments

  1. Harald S.

    Das Einzelfoto hat immer etwas Unnatürliches, finde ich. Es ist so ganz wider unsere Art zu sehen. Denn wir sehen ja kontinuierlich. Das in der Zeit eingefrorene Bild verleitet leicht zu Missverständnissen. Wenn man nicht weiß, was vorher geschah und was nachher, denkt man sich leicht etwas aus. Die Geschichten, die ein Einzelfoto erzählt, sind die Geschichten der Betrachter. Manche Bilder entwickeln ein hartnäckiges Eigenleben, das weitgehend auf falschen Annahmen beruht. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das Bild „Migrant Mother“ der Fotografin Dorothea Lange (https://www.artberlin.de/kuenstler/dorothea-lange-migrant-mother-1936/)
    Das Einzelphoto appelliert überwiegend an das Gefühl. Das war 1936 so und das ist auch heute noch so. Auf den bekannten Fotoplattformen im Internet sind die Bilder erfolgreich, die ein Wow-Gefühl hervorrufen.

    Bei der Bildserie ist das einzelne Bild eingebunden in eine Geschichte und gerät nicht in so leicht Gefahr, missverstanden oder missbraucht zu werden. Das Element Zeit – unverzichtbar für jeder Geschichte – kommt zum Tragen. Es gibt einen Anfang, einen Verlauf und ein Ende. Die Bildserie spricht nicht nur das Gefühl an, sondern gibt auch der Neugierde Raum.

    Ich freue mich schon auf den kommenden Schömberger Fotoherbst.

  2. Rolf Noe

    Der Publikumspreis ist wichtig. weil er eine ganz andere Sicht auf die Bilderserien zeigt. Die Jury entscheidet streng nach den Kriterien und ist auch immer daran interressiert etwas neues hervorzuheben oder etwas höher zu bewerten, wenn es eine noch nicht dagewesene Sicht auf das Thema der Serie zeigt. Das Publikum geht eher nach dem Wow-Effekt und schätzt daher auch Serien die gewohnte Sichtweisen besondern schön präsentieren. In dieser Spannung lebt aber die Rezeption von Bildern.

  3. JohnDoe

    “Wie den Betrachter dazu bringen dass er in einer Bildfolge Zusammenhänge und Bezüge sieht.”
    Es ist immer wieder schön, zu sehen wie die Fotografen mit ihren Bildern beim “Schömberger Fotoherbst” Geschichten erzählen. Die Reportagefotografie ist hier bestimmt noch einmal eine Extraklasse. Aber warum werden die Geschichten bei den Profis besser erzählt? Haben sie ein besseres Können? Nein, den die Aufnahmen der Amateure können mit denen der Profis auf jeden Fall mithalten. Es liegt an der Präsentation. Wird eine Bildgeschichte schlecht präsentiert gehen die Zusammenhänge und Bezüge verloren, wenn auch der Fotograf noch so gut gearbeitet hat. So werden die Aufnahmen der Amateure in den Schaufenstern oftmals durcheinander gewürfelt, versteckt oder sehr schlecht sichtbar aufgehängt. Schade, dass hier der Veranstalter nicht auch sein Augenmerk darauf legt. Wenn die Betrachter der Bilder die Zusammenhänge nicht erkennen können, werden sie diese nicht zusammen suchen, sondern zur nächsten Bilderserie gehen. Ich kann daher allen Amateuren nur eine gute Präsentation ihrer Bilder wünschen.

    • Rolf Noe

      Ich kann Ihnen nur Recht geben. Es mutet tatsächlich ungerecht an, wenn die Bildstrecken der Profikategorie vom Kuratur persönlich in gut geheizten Räumen sorgfältig gehängt werden und die Serien der Amateure sich in den Schaufenstern der Einzelhändler einen bitteren Kampf gegen die ebenfalls um Aufmerksamkeit buhlenden Produkte liefern müssen. Zudem kommt, dass die Händler zwar Anweisungen haben wie gehängt werden soll, aber dann doch so gehängt wird wie Platz da ist. Andererseits ist die Straßengallerie eine der Besonderheiten des Fotoherbstes, die wir (ich gehöre zum Organisationsteam) nicht gern aufgeben würden. Was im Laufe der Jahre zu beobachten war, ist dass die eingereichten Serien der Amateure sich von der Qualität her immer mehr Denen der Profis nähern. Dem trägt auch Rechnung, dass Amateure ausdrücklich auch in der Profikategorie starten dürfen (was umgekehrt nicht geht). Man kann also, wenn man sich traut auch im Kurhaus zu hängen kommen, aber da ist die Konzurenz etwas härter.
      Jetzt aber mal ganz abgesehen von dem konkreten Setting des Fotoherbstes stelle ich mit doch die Frage wie viel Bildung, Kunstverständniss, Empathie,Informationen oder Phantasie der Betrachter eigentlich mitbringen muss, um auch nur annähernd das in den Bilder (oder Bilderserien ) zu sehen, was der Autor darin sieht oder erwartet, dass sein Publikum darin sehen soll? Eine komplizierte aber durchaus nachdenkenswerte Frage. Es streift das Problem, dass Bilder dann doch anders funktionieren als Sprache oder etwa Musik.

      • JOHNDOE

        Es ist richtig, die Straßengallerie gehört zum Schömberger Fotoherbst und man sollte keines falls darauf verzichten. Interessant ist aber trotzdem die Frage wie das Publikum mit der Bildserie angesprochen werden muss. Was muss der Betrachter mitbringen? Ich denke hier gibt es zwischen Profis und Amateuren wieder Unterschiede. Ziel eines jeden Fotografen beim Fotoherbst dürfte sein, dass seine Bilder Anklang beim Publikum bekommen. Ich würde sagen bei beiden ist das Publikum unterschiedlich. Zu den Profis gehen wahrscheinlich Betrachter, die die Bilder bewusst betrachten möchten und die von Ihnen erwähnten Kenntnisse haben. Bei den Amateuren kommt aber noch das Publikum hinzu, welches z.B. nur das Schaufenster betrachten möchte und vielleicht nicht die “künstlerischen Kenntnisse” besitzt. Die Amateure sollten daher beide Gruppen mit Ihrer Bildstrecke ansprechen. Ich denke die Auszeichnung mit dem Publikumspreis ist hier mehr Wert als der bei den Profis. Wahrscheinlich gibt es hier ab und zu Heimvorteile, aber immer wieder auch Bildstrecken denen es gelungen ist viele Betrachter mit unterschiedlichen künstlerischen Kenntnissen in Ihren Bann zu ziehen.

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