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Photographie und Transzendenz / Photography and Transcendence

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Schluss, dass Fotografie und der Versuch Verbindung zum ganzen oder zum Ursprung zu bekommen diametral entgegengesetzt sind. Es gibt eine sehr schöne Meditationstechnik, die ich hier mal für unsere Zwecke den `weiten Blick´ nenne. Man setzt sich ruhig hin und versucht den Blick vom einzelnen zu lösen und alles wahrzunehmen was im eigenen Blickfeld liegt. Es ist eine Art des Defokussierens und wenn man es erfolgreich schafft, stellt sich auch ein Gefühl der Verbundenheit ein. Beim Fotografieren machen wir genau das Gegenteil. Wir schneiden ein Rechteck aus der Wirklichkeit raus und fokussieren auf ein bestimmtes Objekt oder eine Ebene im Bild, wir versuchen etwas freizustellen oder einzufrieren. Auch mit dem „Hier und Jetzt“ ist es beim Fotografieren nicht weit her. Bilder gehören immer der Vergangenheit an. Sobald sie gemacht sind sie nicht mehr Teil der lebendigen Präsenz des „Jetzt!“. In der Meditation geht es, soweit ich das verstanden habe, darum auftauchende Bilder und Gedanken nicht festzuhalten, sondern sie vorbeiziehen zu lassen, wodurch sie jegliche Bedeutung verlieren. In der Fotografie machen wir genau das Gegenteil. Wir halten die Bilder fest wir machen uns Gedanken über Bilder von Momenten, die längst vergangen sind. Möglicherweise gehen diese Gegensätze noch weiter und tiefer aber die drei Beispiele sollen mal für unsere Zwecke erreichen. Es gibt nämlich durchaus eine Gegenposition und Menschen, die behaupten beides unter einen Hut zu bekommen. Der einzige Aspekt, den ich da sehe, ist, dass das Fotografieren als Tätigkeit genauso wie jede andere mit Hingabe ausgeführte Tätigkeit ein Erlebnis einer andauernden Präsenz sein kann. Das was man neudeutsch “flow” zu nennen begonnen hat. Das kenne ich durchaus auch und es kann ein wundervolles Gefühl sein. Ich erinnere mich an einen sonnendurchfluteten Nachmittag, den ich kniend und liegend wie in einem Rausch in einer blühenden Wiese verbracht habe. Und es hat dem Erlebnis überhaupt nicht nichts genommen, dass ich die ganze Zeit 25000 600 ISO auf der Kamera eingestellt hatte. Ich war glücklich, obwohl ich kein einziges Bild mit nach Hause gebracht habe.

The longer I think about it, the more I come to the conclusion that photography and the attempt to connect to the whole or to the origin are diametrically opposed. There is a very beautiful meditation technique that I call `the wide gaze´ for our purposes. You sit down quietly and try to detach your gaze from the individual and perceive everything that lies within your field of vision. It’s a way of defocusing and if you do it successfully, a feeling of connectedness sets in. When we take photographs, we do exactly the opposite. We cut a rectangle out of reality and focus on a particular object or plane in the picture, we try to crop or freeze something. Photographing is also not very much about the “here and now”. Pictures always belong to the past. As soon as they are taken, they are no longer part of the living presence of the “Now!”. In meditation, as far as I understand it, the point is not to hold on to images and thoughts that arise, but to let them pass by, whereby they lose all meaning. In photography, we do exactly the opposite. We hold on to the images – we think about images of moments that have long since passed. Possibly these opposites go even further and deeper, but the three examples are meant to reach our purposes. There is indeed an opposing position and people who claim to be able to reconcile both.

The only aspect I can see is that photography as an activity can be an experience of ongoing presence, just like any other activity carried out with dedication. This is what we have begun to call “flow”. I know this too, and it can be a wonderful feeling. I remember a sun-drenched afternoon spent kneeling and lying down in a flowering meadow as if in a frenzy. And it didn’t take anything away from the experience at all that I had 25000 600 ISO set on the camera the whole time. I was happy, even though I didn’t bring home a single picture.

OM, Vespa & Amen.

1 Comment

  1. Stefan Brendle

    Zunächst, so scheint mir, sollte man hier unterscheiden zwischen Fotografieren, Meditieren und einem archaischen Ritualen entstammenden und entsprechend zumindest quasi-rituellen Erleben eines so ewigen wie „außerzeitlichen“ Augenblicks. Und dann zwischen Fotografieren im Allgemeinen und Fotografieren im Besonderen: einmal aus einer meditativen Grundhaltung heraus (sagen wir: à la zenmäßiges Bogenschießen); und einmal als quasi rituellem Akt, innerhalb dessen man einen so ewigen wie „außerzeitlichen“ Augenblick erfahren könnte (sagen wir: à la Kalligrafie).

    Zweifellos: Mit Fotos kann man die optische Ansicht der Realität, der Wirklichkeit, der Welt von Gegenständen, in der wir leben, nur ausschnittsweise „ablichten“. Dennoch lassen sich (und nicht etwa nur aus dem Zusammenhang eines „meditativen“ Fotografierens heraus) Fotos „mit meditativer Wirkung“ herstellen, also Fotos, mit denen sich versuchen lässt, den Betrachter zur Meditation zu motivieren. (Bilder, so will ich doch meinen, erzeugen beim Betrachter trotz ihrer qua Herstellung unvermeidlichen „Geschichtlichkeit” nicht quasi automatisch die Vergangenheit betreffende Gedanken; sondern sind, sofern geeignet dafür, frei für einen durch und durch gegenwärtigen meditativen Gebrauch.)

    Als Mensch, der man gegliederte Sätze gebrauchen und auf Gegenstände Bezug nehmen kann, ist man sich einer Allheit, eines Universums, einer Welt von Gegenständen bewusst, die dann als Macht erscheinen kann, die den Menschen in unvergleichlicher Weise, Größe und Rätselhaftigkeit umgibt. Und noch vor aller Auseinandersetzung mit einer spezielleren „sozialweltlichen“ Problematik ist man als Mensch dann zum einen mit dem radikalen Ungenügen menschlichen Handelnkönnens und zum anderen mit einer qua Bezugnahme nicht nur auf irgendwelche Gegenstände der Welt, sondern auch auf sich kreierten Vereinzelung (seiner selbst) innerhalb der Welt konfrontiert. Und im Hinblick auf ein entsprechend verstandenes Universum kann man als Mensch dann auf meditative Weise versuchen, nicht nur von eigenen Wünschen/Zielen, sondern von sich selbst (als Vereinzeltem) auf relative oder auch (und dann wohl massiv „sozialweltlich“ motiviert) „absolute“ Weise zurückzutreten.

    In ihrer Entsprechung zu einer jeweiligen „Zurücktretungs-Absicht“ („absolut“ oder nur relativ) lassen sich unter Rückgriff auf einschlägige Traditionen grob zwei „Universums-Konzepte“, also Konzepte, die das Verständnis der Welt von Gegenständen betreffen, derer man sich als Mensch bewusst ist, unterscheiden: das Universum als das Eine, in dem das Viele verschwindet (wie gemacht f „absolutes“ Zurücktreten); und das Universum als das Viele in seiner Einheit (wie gemacht für relatives Zurücktreten).

    Ist nun ein Fotograf an der Herstellung von Fotos interessiert, mit denen er versuchen könnte, den/die Betrachter zur Meditation zu motivieren, so könnte er sich, was die fotografische Darstellung betrifft, z.B. an Bildern wie den folgenden orientieren: einem japanische Landschaftsmalerei repräsentierenden Einzelbild; und zwei von Jean Giraud/Moebius verfertigten zeichnerisch-szenischen Darstellungen aus Comics-Erzählungen, unterschiedlich im Stil der Zeichnung und deshalb wohl auch Teil unterschiedlicher Storys. Mit allen drei Bildern scheint mir der Rezipient nicht nur zur meditativen Betrachtung der jeweils dargestellten (realen oder fiktionalen) Welt angehalten zu werden, sondern darüber hinaus zur meditativen Betrachtung der realen Welt, in der er sich selbst befindet.

    Gemäß obiger Unterscheidung der zwei „Universums-Konzepte“ ist die „Welt-Darstellung“, die durch das japanische Landschaftsmalerei repräsentierende Einzelbild geleistet wird, wohl ganz klar dem Verständnis des Universums als dem Einen, in dem das Viele verschwindet, zuzuordnen; und entsprechend scheint mir hier dann auch ein „absolutes“ Zurücktreten angesprochen:
    Bild 1
    Auch der ersten Giraud/Moebius-Zeichnung scheint mir ein Verständnis des Universums als dem Einen, in dem das Viele verschwindet, zugrunde zu liegen; und auch hier dann entsprechend ein „absolutes“ Zurücktreten angesprochen:
    Bild 2
    Mit der zweiten Giraud/Moebius-Zeichnung dagegen scheint mir dann ganz klar ein Verständnis des Universums als des Vielen in seiner Einheit in Anwendung gebracht (oder, was das Verständnis des Universums betrifft und über eine Unterscheidung zwischen nur zwei „Universums-Konzepten“ hinaus, ein Einheitsbezug sogar ganz wegzufallen); und damit ein nur relatives Zurücktreten angesprochen (was bei fehlendem Einheitsbezug auf ein Sich-Relativieren auf das unbestimmt viele andere im Ganzen hinauslaufen würde):
    Bild 3

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