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Richters überfärbte Erinnerungen / Richters overcoloured memories

DAs Bild zeigt den Blick dutch ein buntes Herbstblatt auf weirer bunte Herbstblätter und grüne Wiese

„Die Übermalung einer Bildvorlage kann eine anarchische Gebärde sein, ein Kontern. Sie kann aber auch ein magischer Akt sein, der von einer urtümlichen Abbildscheu herrührt“

>> Botho Strauß in `Der Maler löst den Bann´ im Katalog der Ausstellung <<

Eigentlich schaue ich mir gern Filme an –  tue es aber nur selten. Ich wusste hingegen sofort, dass ich mir diesen Film anschauen würde, als ich von der Fernseh-Premiere des Films „Werk ohne Autor“ erfuhr. Ich habe den Film dann auch wirklich sehr genossen und mich keine Minute der fast drei Stunden gelangweilt. Hätte man Richters  ganzes Werk darstellen wollen, hätte man mindestens neun Stunden Film produzieren müssen. Was das Nachzeichnen der künstlerischen Entwicklung angeht, kommt der Film auch nicht viel weiter, als ich in meinem Artikel über den Foto-Maler gekommen bin.

Für mich war er trotzdem eine Erinnerung daran, dass sich mindestens ein weiterer nicht unerheblicher Teil von Richters Werk mit der Fotografie beschäftigt. Die sogenannten `übermalten Photographien´ . Meist kleinformatige industriell hergestellte Abzüge privater Fotos, die es nicht ins Familienalbum geschafft haben. Diese Fotos sind um es mal ganz einfach auszudrücken mit Farbe verschmiert, bespritzt, bekleckert – nein nicht bemalt worden. Richter hat diese Foto-Abfälle mit den Abfällen seiner Malerei konfrontiert – indem er sie z.B. über den farbfrischen Rakel  gezogen hat, den er für seine großformatigen Öl-Farbflächen benutzt hat. Zu seiner Ehrenrettung muss man sagen, dass einen Großteil dieser Produkte direkt in den Mülleimer geworfen hat. Der Rest ist Kunst. Soviel zum Entstehungsprozess.

Viel spannender ist die Frage, wie diese Zwitter aus Lichtspuren auf Photopapier und Ölfarbe auf den Betrachter wirken. Die mit roten Spritzern übersäten Schneelandschaften kann man noch als eine ein wenig verstörende Form von Schneefall verstehen. Aber was mit den verwackelten Familienfotos, auf denen dicke Farbflächen einen geradezu auffordern hinzuzuphantasieren, was sich unter den Farbflächen verbergen könnte. Manche wirken auf mich wie ein Kampf zwischen Malerei und Photographie. Ein Kampf um die Frage welches Medium die Wirklichkeit des Erlebens wahrhaftiger zum Ausdruck bringen kann.

Im Film wird dieses gemischte Erlebnis, das die übermalten Photos zum Teil auf den Betrachter haben, durch die Szene angedeutet, in der der kleine Kurt dramatische Seherlebnisse der Eindeutigkeit entzieht, indem er seine Hand mit gespreizten Fingern vor die Augen hält. Auch wenn Richter den Film übertrieben findet, muss ich doch sagen, dass er es durchaus geschafft hat ein Aspekt des Richterschen Werkes einem breiteren Publikum nahezubringen.

Für die nähere Beschäftigung mit dem Thema habe ich mich an den Katalog des Museums Morsbroich  gehalten, wo im Winter 2008/2009 eine einem Großteil dieser Werkgruppe gewidmete Ausstellung zu sehen war. In den im Katalog abgedruckten Essays werden die so entstandenen Bilder sowohl von der Seite des Betrachters als auch vom Entstehungsprozess her beleuchtet.

„Durch den methodisch in Gang gesetzten, ja provozierten Augenblick der Spontanität eröffnet sich Gerhard Richter, wie er sagt “eine schöne Freiheit”, die Freiheit zum lustvollen Experiment und damit zu einer weiteren fundamentalen Bereicherung seiner malerischen Möglichkeiten“ (aus dem Essay von Uwe M. Schneede im Kapitel `gelenkter Zufall´ im Katalog.)

 Es ist eine Freiheit, die mich an die improvisierte Musik im Jazz erinnert die sowohl dem Künstler/Musiker/(Autor?) als auch dem Betrachter/Zuhörer wahrhaft ungeahnte Erlebnisse beschert.

Actually, I like to watch films – but I seldom do so. However, I knew immediately that I would watch this film when I heard about the TV premiere of the film “Werk ohne Autor” . I really enjoyed the film and was not bored for one minute of the almost three hours. If you wanted to show Richter’s entire oeuvre, you would have had to produce at least nine hours of film. As far as tracing the artistic development is concerned, the film doesn’t get much further than I did in my article on the photo painter.

Nevertheless, for me it was a reminder that at least another not inconsiderable part of Richter’s work is concerned with photography. The so-called ‘painted-over photographs‘. Mostly small-format industrially produced prints of private photos that did not make it into the family album. To put it simply, these photos have been smeared, splattered, blotched – no, not painted – with paint. Richter confronted this photographic waste with the waste of his painting – for example, by dragging it over the freshly coloured squeegee he used for his large-format oil-paint surfaces. In his honour, it has to be said that he threw a large part of these products straight into the rubbish bin. The rest is art. So much for the process of creation.

Much more exciting is the question of how these hermaphrodites of light traces on photographic paper and oil paint affect the viewer. The snow landscapes covered with red splashes can still be understood as a somewhat disturbing form of snowfall. But what about the blurred family photos in which thick areas of colour almost invite you to fantasize about what might be hidden beneath the areas of colour. Some of them seem to me like a battle between painting and photography. A struggle over the question of which medium can express the reality of experience more truthfully.

In the film, this mixed experience that the overpainted photos partly have on the viewer is suggested by the scene in which little Kurt withdraws dramatic visual experiences from unambiguity by holding his hand in front of his eyes with his fingers spread. Even if Richter finds the film exaggerated, I have to say that it has certainly managed to bring one aspect of Richter’s work to a wider audience.

For a closer look at the subject, I followed the catalogue of the Museum Morsbroich, where an exhibition devoted to a large part of this group of works was shown in winter 2008/2009. In the essays printed in the catalogue, the resulting images are examined both from the viewer’s side and from the process of creation.

“Through the methodically set in motion, indeed provoked moment of spontaneity, Gerhard Richter opens up, as he says, “a beautiful freedom”, the freedom to experiment with relish and thus to a further fundamental enrichment of his painterly possibilities” ( from the essay by Uwe M. Schneede in the chapter `gelenkter Zufall’).

 It is a kind of freedom that reminds me of improvised music in jazz, which gives both the artist/musician/(author?) and the viewer/listener truly unexpected experiences.

Translated with the help of www.DeepL.com/Translator

“The overpainting of a picture can be an anarchic gesture, a counterattack. But it can also be a magical act that stems from a primal aversion to images.”

>> Botho Strauß in `The painter releases the spell’ in the exhibition catalogue (see below)<<

Coverbild des bei Hatje Cantz erschienenen Kataloges /Cover image of the catalogue published by Hatje Cantz 

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