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Sehen und zeigen – To Look And To Show

Mit dr Dommheit do isch so:
Selber merkt mr nix drvo
Aber G’scheitheit isch die Lischt.
dass mr merkt, wie domm mr isch

(Altes schwäbisches Sprichwort)

Für die, die nur hochdeutsch können, hier eine Übersetzung aus dem Schwäbischen:

Mit der Dummheit ist es so:
Selber merkt man nichts davon.
Aber Klugheit ist die List
Dass man merkt, wie dumm man ist.

Man sieht bekanntlich nur das, was man weiß. Mir geht das genauso. Daher versuche ich, mir darüber klar zu sein, dass ich ziemlich wenig weiß. Eine angeborene und kräftig entwickelte Neugier tut das übrige. Daher ist die Welt für mich auch nach deutlich mehr als fünf Jahrzehnten Lebenszeit ein spannender Ort. Es gibt so viel zu entdecken!

Das Fotografieren kann ein Weg sein, das eigene Bewusstsein weiterzuentwickeln. Allerdings reicht es dafür meiner Meinung nicht aus, sich lediglich für die Fotografie zu interessieren. Sie ist für mich ein Mittel zum Zweck, ohne diesen Zweck wäre sie für mich zweck- und vermutlich bald auch sinnlos. Um über die – gewiss sehr schöne –Spielphase hinauszukommen, muss ich mich in Beziehung zur Welt und zur Zeit setzen, in der ich lebe.

Ich habe diesen spannenden Weg betreten, indem ich das Gewohnte und Selbstverständliche zu hinterfragen begann. Man wird dadurch sensibel für Tendenzen, Strukturen und Strömungen. Das scheinbar Bekannte zeigt dann unerwartete und verblüffende Seiten. Das alltägliche Verhalten und die Gewohnheiten der Mitmenschen (und auch die eigenen) wirken dann mitunter sehr seltsam.

Es bleibt nicht aus, mit der Zeit eine Haltung dazu zu entwickeln. Ich kann die Achseln zucken und sagen, na und? Oder kann meine eigene Sicht der Dinge mitteilen. Etwa durch die Fotografie.

Am Beispiel einer kleinen Fotoserie möchte ich deutlich machen, was ich meine. Das Thema ist Individualität. Die Bilder zeigen Makrobilder von reifen Samenkapseln des Klatschmohns. Ich habe sie alle in einem Gebiet von ca. vier Quadratmetern gesammelt. Als ich sie mir genauer ansah erkannte ich, wie verschieden sie waren. Diejenigen Kapseln, die auf der gleichen Pflanze wuchsen, hatten gemeinsame Merkmale, etwa die Form des Schirms, die Grundform der Kapsel oder die Art der Behaarung am Stängel. Dennoch gab es dort auch individuelle Unterschiede. Jede Kapsel ist eine Persönlichkeit.

In einer Zeit, in der uns nahegelegt wird, dass Individualität eine Sache der Marken ist, die man beim Einkauf bevorzugt, halte ich die Erkenntnis für wichtig, dass Individualität eine grundlegende Eigenschaft aller Wesen ist – selbst wenn es nur ein paar Mohnkapseln sind.

PS Wer genau hinschaut kann herausfinden, welche „Modelle“ auf mehreren Bildern zu sehen sind.


Translation of this old swabian proverb:

With stupidity it is like this:
You do not notice anything about it yourself.
But wisdom is a cunning way
To realize how stupid you are.

As you know, you only see what you know. I feel the same way. So I try to be clear that I know very little. An innate and vigorously developed curiosity is helpful too. Therefore, the world is an exciting place to me even after more than five decades of life. There is so much to explore!

Photography can be a way to develop your own consciousness. However, in my opinion, it is not enough to be interested only in photography. Photography for me a means to an end, without this purpose it would be meaningless to me. In order to get beyond the – very enjoyable – playing phase, I have to relate to the world and the time in which I live in.

I have embarked on this exciting journey by beginning to question the familiar and self-evident. This makes me sensitive to tendencies, structures and currents. The seemingly familiar starts to show unexpected and startling sides. The everyday behavior and habits of others (and my own as well) sometimes seem very strange.

I couldn’t help to develop an attitude to those findings over time. I can shrug my shoulders and say, so what? Or can share my own view of things. For example through photography.

Taking the example of a small photo series, I would like to make it clear what I mean. The theme is individuality. The pictures show macro images of ripe seed pods of the poppy. I have collected them all in an area of about ten square yards. When I looked at them more closely I realized how different they were. Capsules that grew on the same plant had common features, such as the shape of the umbrella, the basic shape of the capsule or the nature of the hair on the stem. Nevertheless, there were also individual differences between them. Each capsule is a personality.

At a time when it is suggested that individuality is a matter of brands that one prefers when shopping, I find the recognition important that individuality is a fundamental quality of all beings – even if it’s just a poppy capsule.

PS If you look closely, you can identify the “models” that appear in several pictures.

2 Comments

    • Harald S.

      Vielen Dank, Klaus. Mein Ziel mit der sorgfältigen Bearbeitung ist, den Bildern einen quasi-haptischen Charakter zu geben.

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