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Selbstinszenierung / Selfstaging

Me filling empty space created by Marcel Duchamps (reconstructed by H. Molderings et. al.) at ZKM Karlsruhe 2019

“We have never been so drowning in inspiration while so thirsty for individuality”

David DuChemin

In meinem Beitrag `Weniger ist die Botschaft´habe ich Retusche und Inszenierung als die wesentlichen Möglichkeiten zitiert vom schlichten `Ablichten´ zu einer gestalteten Form der Photographie zu kommen.

Obwohl ich selbst in meiner Photo-Praxis selten mal darüber hinausgehe, einen Ast zu entfernen, wenn er beim Gesamteindruck eines Pilz-Photos stört, möchte ich mal versuchen mich dem Thema Inszenierung zu nähern. Das Thema ist ja nicht neu und ist schon in den allerersten Studio-Aufnahmen in Form von steifen Posen und Haltevorrichtungen präsent. Der zu Photographierende wird hergerichtet und dann abgelichtet. Und mit Hippolyte Bayard haben wir auch schon mal ein Beispiel von Selbstinszenierung gesehen. Er lichtete sich schon 1840 als Ertrunkener ab. Mit dieser Inszenierung eines Selbsttötung wegen mangelnder Anerkennung wollte er auf sein Schicksal aufmerksam machen.

Meine erste Begegnung mit einer mich ansprechenden Selbstinszenierung fand auf flickr statt. Dort zeigte Miss Aniela aufwendige Selbstinszenierungen in nachgestellten Gemälden alter Meister, historischen Tableaus oder Theaterszenen. Ich war fasziniert von den aufwändigen und detailreichen Inszenierungen, die diese alten Bilder reanimierten. Auch wenn das manchmal etwas Richtung Fashion abgleitet hat es doch eine Tiefe, die wohl von der ausgeprägten Persönlichkeit kommt (siehe ihren Blog)

Erst später, ich glaube anhand einer Ausstellung, die ich in London sehen durfte, wurde mir klar, dass die `Mutter der Selbstinszenierung´ Cindy Sherman ist. Was geradezu harmlos mit den `Film Stills´ beginnt mündet bald in eine obsessive Verkleidungsorgie, die uns an multiple Persönlichkeiten denken lässt und letztlich radikal die Ich-Konstruktion anhand von Attributen und Merkmalen entlarvt und ad Absurdum führt. Große, faszinierende Kunst. Zurzeit ist Sie übrigens wieder mit ihren Bildern in London zu Gast, in der National Portrait Gallery – wie passend!

Fremd-Inszenierungen in der Photographie haben mich übrigens nie interessiert. Weder in Form des beliebten Model-Schubsens, noch in historisierenden Tableaus und schon gar nicht in Composings. Klar, da gibt es auch vereinzelt herausragende Künstler aber für mich ist das Alles eher abstoßend. Mich stört die Manipulation, die Macht-Position derer, die hier inszenieren ohne sich zu zeigen.

Aber wie kann man die Inszenierung in der vielfältigen Welt der Photographie einordnen? Andreas Müller Pohle beschreibt in einem ursprünglich 1988 erschienenen Artikel die Geschichte der Photographie als ein Hin und Her zwischen den Polen von `Findern´ und `Erfindern´. Die Finder sind als Jäger und Sammler Bewegungs- und Naturorientiert und mit dem Vorgefundenen zufrieden während die Erfinder eher statisch und kulturorientiert unterwegs sind. Die Natur, ja die Realität selbst reicht nicht mehr, sie muss neu erfunden werden. Von den verschiedenen möglichen Modi dieser Neuerfindung haben die Selbstinszenierer die Neuerfindung des Subjekts (Sich selbst) zum ihrem Thema gemacht. Anders als die klassischen Inszenierungsgenres von Pornographie und Werbung, die ihre Objekte immer wieder neu zu erfinden versuchen, beinhaltet die Selbstinszenierung wenigstens einen gewissen (Selbst)aufklärerischen Gestus im Sinne des alten griechischen Leitspruches „Erkenne dich selbst“.

Dass Selbstinszenierung und Gruppenselbstinszenierung zu einem Massenphänomen geworden sind habe ich schon in dem Beitrag `Selbstversicherung oder Selbstdarstellung ´angerissen und dieses Thema wird uns wohl auch noch ein Weilchen begleiten. Kürzlich stellte Jemand die berechtigte Frage, ob das wohl Alles Narzissmus sei? Ist es das?

In my post `Less is the message ‘ I have cited retouching and staging as the essential possibilities to go from the simple snap to a designed form of photography.

Although I seldom even go beyond removing a branch in my photo practice, when it disturbs the overall impression of a mushroom photo, I would like to try to approach the topic of staging. The topic is not new and is resent already in the very first studio recordings in the form of stiff poses and holding devices. The person to be photographed is prepared and then photographed. And with Hippolyte Bayard we’ve also seen an example of self-staging. He posed as a drowned man in 1840. With this staging of a suicide for lack of recognition, he wanted to draw attention to his fate.

My first encounter with an appealing self-staging took place on flickr. There, Miss Aniela showed elaborate self-stagings reconstructing the paintings of old masters, historical tableaux or theater scenes. I was fascinated by the elaborate and detailed productions that reanimated these old pictures. Even if that sometimes drifts a bit in the direction of fashion photography, it still has a depth that probably comes from the strong personality (see her blog)

Only later, I believe from an exhibition, which I was allowed to see in London, I realized that the ‘mother of self-staging’ is Cindy Sherman. What begins almost harmlessly with the ‘movie stills’ soon leads to an obsessive orgy of disguises, which makes us think of multiple personalities and ultimately radically exposes the ego construction on the basis of attributes and characteristics and leads us to see the absurdity in it. Great, fascinating art. By the way, she is back with her pictures in London, in the National Portrait Gallery – how fitting!

On the other hand, extraneous stagings in photography have never interested me. Neither in the form of the popular model shoving, nor in historicizing tableaux and certainly not in composings. Sure, there are also single outstanding artists but for me it’s all rather disgusting. I am disturbed by the manipulation, the power position of those who stage others without showing themselves.

But how can one classify the staging in the diverse world of photography? Andreas Müller Pohle describes in an article originally published in 1988 the history of photography as a back and forth between the poles of ‘finders’ and ‘inventors’. As hunters and collectors, the finders are motivated by movement and nature and satisfied with what they have found, while the inventors are more static and culture-oriented. Nature, even reality, is no longer enough to them, it has to be reinvented. Of the various possible modes of this invention, the self-promoters have made their reinvention of the subject (themselves) their theme. Unlike the classic staging genres of pornography and advertising, which try to reinvent their objects over and over again, the self-staging at least includes a certain Enlightenment gesture in the sense of the old Greek motto “Know thyself” .

The fact that self-staging and group self-staging have become a mass phenomenon I already touched in the post `self-insurance or self-expression´ and This topic will probably accompany us for a while. Recently, someone asked the legitimate question, isn´t this all Narcissism? Is it?

1 Comment

  1. Klaus

    Selbstbildnisse als Versuch der Selbsterkenntnis? Vielleicht ist ja das Erkenne dich selbst – Thema schon in Altersteilzeit, dh liegt in den letzten Zügen. Heute geht es vielleicht weniger um “Kenne ich mich” sondern eher um “Kennt ihr mich noch, seht ihr mich noch”, also Sein als wahrgenommen werden, wobei ich nicht sicher bin, ob Berkeley das so gemeint hat. 🙂

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