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SIZE MATTERS

Es ist immer wieder überraschend, wie es dazu kommt, dass ich mir eine interessante Ausstellung auch wirklich anschaue. Meist kommen da mehrere Stränge zusammen. Zuerst hat mir eine Bekannte erzählt, dass das Bild ihres Sohnes, den ich als Kind noch kannte und der jetzt Kunst studiert hat, in Düsseldorf in einer Ausstellung hängt die “Size Matters” heißt.
Ich hatte das Bild in Stuttgart in der „Gällery“ schon mal gesehen und dachte nicht im Traum daran, deswegen nach Düsseldorf zu fahren. Dann las ich noch einen Bericht in den PhotoNews, illustriert mit dem Bild von Wolfgang Tillmanns, auf dem man zwei gigantische Springerstiefel-Beine sieht, die mitten in einer Kunst-Ausstellung stehen. Das Bild fasst für mich optisch zusammen, was meine Realität gerade prägt. Ich fahre zu einer Kunstausstellung nach Düsseldorf während in den Nachrichten noch darüber gerätselt wird, ob das, was zwischen Israel und Iran abgeht, schon ein Krieg ist und während der dauernden Angriffe der russischen Armee auf die Ukraine schon fast aus dem Bewusstsein verschwinden, weil neue Dramen sich ankündigen. Krieg ich das in meinem Selbstbild noch zusammen, so wie Wolfgang Tillmanns in seinem Bild?

It’s always surprising how I end up actually going to see an interesting exhibition. Usually several strands come together. First, an acquaintance told me that a painting by her son, whom I knew as a child and who is now studying art, is hanging in an exhibition in Düsseldorf called “Size Matters”.

I had already seen the painting in Stuttgart in the “Gällery”  and never dreamed of going to Düsseldorf for it. Then I read a report in PhotoNews, illustrated with a picture by Wolfgang Tillmanns, in which you can see two gigantic combat boot legs standing in the middle of an art exhibition. For me, the picture visually summarizes what is currently shaping my reality. I’m going to an art exhibition in Düsseldorf while the news is still puzzling over whether what is happening between Israel and Iran is already a war and while the Russian army’s constant attacks on Ukraine are almost disappearing from my consciousness because new dramas are on the horizon. Can I still get it together in my self-image, like Wolfgang Tillmanns in his picture?

Auf jeden Fall hat es sich so ergeben, dass ich auf dem Weg von Mainz nach Bremen Zeit für einen Zwischenhalt in Düsseldorf einplanen konnte. Und es war, wie nicht anders zu erwarten, großartig und gleichzeitig irgendwie auch erwartbar insofern, als dass eben ein konzeptueller Gedanke ausstellerisch durchdekliniert wurde. Großartig aber vor allem in der Vielfalt der Präsentationsformen. Da war alles geboten, was man zurzeit so mit Bildern macht, die man zeigen will. Bilder an der Wand, mit oder ohne Rahmen, Repros von Fotos an der Wand, auf dem Boden als Teppich, an die Wand gelehnt oder in einem Posterständer zum Blättern. Ein Stapel Photoalben, irgendwo in der Ecke. Eine Vitrine mit Miniatur-Bildern und Medaillons, zum Teil mit Lupe, um sie besser betrachten zu können bis hin zu einem Raum, in dem nicht nur die Wand, sondern auch der Boden, die Decke und die Sitzbank mit Bildern tapeziert war. Das ist die Arbeit von Evan Roth mit dem Titel „Since You Were Born“. Er hat in diesem fortlaufenden Projekt seit dem Tag der Geburt seiner zweiten Tochter alle Bilder gesammelt, die sich so in seinem Cache angesammelt haben. Eine wilde Mischung aus Privatem, Werbung, Recherchiertem und sonstigem Angeschauten. Deutlich wird die unterschiedliche Größe der Bilder und die schier wahnsinnige Menge, die sich da ansammelt. Dadurch, dass der Künstler diese Bilder gesammelt und aufbewahrt hat, wird letztlich auch klar, dass Bilder heute nicht mehr der Erinnerung dienen, sondern der alltäglichen Kommunikation und Unterhaltung.

Es gibt einen Riesen-Gurski, den ich tatsächlich noch nie gesehen habe, eine exquisite Wimmelbildkomposition von einem “Madonna”-Konzert. Ebenfalls die plakative Kunst von Katharina Sieverding, mit der ich immer noch nicht warm werde.

Sehr spannend und ausführlich gezeigt und erklärt werden auch die frühen Portraits von Thomas Ruff in den früheren kleinen Formaten und in den späteren Großformaten, die durch die Vergrößerung tatsächlich nur noch als Kunstobjekt infrage kommen. Aber die Formatänderung beeinflusst auch die Art des Photographierens. Die farbigen Hintergründe der frühen Portraits z.B. wurden später aufgegeben zugunsten neutraler Hintergründe, die die Farben der Gesichter mehr in den Mittelpunkt rücken lassen.

In any case, it so happened that I was able to plan time for a stopover in Düsseldorf on the way from Mainz to Bremen. And, as you would expect, it was great and at the same time somehow expected in that a conceptual idea was explored in the exhibition. But above all it was great in the variety of presentation forms. Everything was on offer that is currently done with pictures that you want to show. Pictures on the wall with or without frames, reproductions of photos on the wall or as a carpet, leaning against the wall or in a poster stand for browsing. A stack of photo albums somewhere in the corner. A display case with miniature pictures and medallions, some with magnifying glasses so that they could be viewed more easily, and a room in which not only the wall but also the floor, ceiling and bench were covered with pictures. This is the work of Evan Roth entitled “Since You Were Born”. In this ongoing project, he has collected all the pictures that have accumulated in his cache since the day his second daughter was born. A wild mixture of private, advertising, research and other things he has looked at. The different sizes of the pictures and the sheer insane amount that has accumulated become clear. The fact that the artist has collected and stored these pictures ultimately also makes it clear that pictures today are no longer used for remembrance, but for everyday communication and entertainment.

There is a giant Gurski that I have actually never seen before, an exquisite hidden object composition of a “Madonna” concert. Also the striking art of Katharina Sieverding, which I still can’t get used to.

The early portraits by Thomas Ruff  in the earlier small formats and in the later large formats, which can really only be considered as art objects due to the enlargement, are also shown and explained in a very exciting and detailed way. But the change in format also influences the way in which the photographs are taken. The colourful backgrounds of the early portraits, for example, were later abandoned in favour of neutral backgrounds that allow the colours of the faces to take centre stage.

 

Von Hilla und Bernd Becher kann man Bilder sehen, auf denen Hilla mit ihrem Sohn Max ganz klein vor der Industrielandschaft platziert sind und somit anders als in den meisten Becher-Bildern ein Maßstab ins Spiel kommt. Natürlich sind auch Klassiker zu sehen wie Karl Bloßfeld, der die kleinen Pflanzenteile auf seinen Bildern mehrfach vergrößern musste, um sie als Vorlage für seine Kunststudenten verwenden zu können. Kleines ganz groß und dann noch ironisch gebrochen gibt es auch in der Serie „Auto Erotik“ von Andrzej Steinbach zu sehen, wo Werkzeuge auf eine Art miteinander in Beziehung gebracht werden, die zu Assoziationen einlädt.

Ergänzt wird das ganze durch den Blick in die andere Richtung, die unendlichen Weiten des Alls gerichtet, unter anderem mit Sternenbildern von Trevor Paglen. Das passt zwar, aber begeistert nicht, mich zumindest nicht. Ein populärwissenschaftlicher Film über die Zehnerpotenzen vom atomaren Bereich bis hoch in das Universum verdeutlicht anhand von Bildern, die auf dem Röhrenfernseher, auf dem Sie gezeigt werden, alle gleich groß sind die Schwierigkeit Größenverhältnisse sinnlich erfahrbar zu machen.

Das eingangs erwähnte Bild von Leon Elfert mit dem Titel „162 x 130 Pixel“ hingegen ist ein kleiner Geniestreich, wird doch hier mit Hilfe des ökologisch korrekten Kartoffeldrucks und biologischer Farben auf Nessel die digitale Pixelstruktur eines trivialen Bildausschnittes karikiert.

You can see pictures by Hilla and Bernd Becher in which Hilla and her son Max are placed very small in front of the industrial landscape and thus, unlike in most Becher pictures, a scale comes into play. Of course, there are also classics such as Karl Bloßfeld, who had to enlarge the small plant parts in his pictures several times in order to be able to use them as models for his art students. Small things really big and then ironically broken can also be seen in the series “Auto Erotik” by Andrzej Steinbach, where tools are brought into relationship with each other in a way that invites associations.

The whole thing is complemented by a view in the other direction, directed towards the infinite expanse of space, with star constellations by Trevor Paglen, among others. It fits but doesn’t inspire, at least not me. A popular science film about the powers of ten from the atomic range up into the universe illustrates the difficulty of making proportions tangible to the senses using images that are all the same size on the tube television on which they are shown.

Leon Elfert’s aforementioned picture entitled “162 x 130 Pixel”, on the other hand, is a small stroke of genius, as the digital pixel structure of a trivial image section is caricatured here with the help of ecologically correct potato printing and biological colors on nettle.

Der absolute Höhepunkt für mich aber war, die legändere Serie „Things are queer“ von Duane Michals, die gleich am Anfang der Ausstellung hängt, einmal im Original zu sehen. In einem unscheinbaren Format zeigen die neun Bilder, die so eng wie sie in dieser Ausstellung hängen, ihre Wirkung am besten entfalten, eine Sequenz, die sicher auch Tillmanns zu seinem Springerstiefel-Bild inspiriert hat. Ein überdimensionaler Fuß taucht in einem Badezimmer auf, das im nächsten Bild als Miniatur entlarvt wird. Dieses Bild wiederum ist auf dem nächsten Bild in einem Buch, das von einer Hand gehalten wird. Diese Hand gehört zu einem Mann, der im Begriff ist durch ein lichtdurchflutetes Tor zu gehen, das wiederum auf einem Wandbild zu sehen ist, das über einem Waschbecken hängt, das in dem anfangs gezeigten Badezimmer sich befindet. Das scheint uns heute, da es unzählige viel sensationellere, computeranimierte Sequenzen dieser Art gibt, irgendwie ein wenig lahm. Aber wenn man bedenkt, dass Michals die Serie 1973 erstellt hat, liegt es nahe ihn als Quelle alle dessen zu sehen, was danach noch so kam.

The absolute highlight for me, however, was seeing the legendary series “Things are queer” by Duane Michals, which hangs right at the beginning of the exhibition, in the original. In an inconspicuous format, the nine pictures, hanging as closely as they do in this exhibition, show a sequence that no doubt also inspired Tillmanns to create his jumper boot picture. An oversized foot appears in a bathroom, which is revealed as a miniature in the next picture. This image, in turn, is in the next picture in a book held by a hand. This hand belongs to a man who is about to walk through a light-flooded doorway, which in turn can be seen on a mural hanging above a washbasin in the bathroom shown at the beginning. Today, when there are countless much more sensational, computer-animated sequences of this kind, this seems a bit lame. But when you consider that Michals created the series in 1973, it makes sense to see him as the source of everything that came after.

Translated with the help of www.DeepL.com

7 Comments

  1. Andreas

    Danke für den Bericht! Die Ausstellung steht auf meiner Liste, ich bin sowieso gern da, und drei Wochen geht sie ja noch! Jetzt bin ich noch mehr drauf gespannt. Liebe Grüße, A

    • Rolf Noe

      Da ich nicht alles erwähnen kann, bleibt ja auch immer noch was zu entdecken. Und zum Entdecken ist die Ausstellung ganz gut geeignet. Viel Spaß also!

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