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The end of the world – Claudia Andujar and the Yanomami

Da hatte ich mal eine Reise geplant, die ohne Ausstellungsbesuch auskommen sollte. Aber die Deutsche Bahn wollte es anders. Da der ICE, in dem ich saß, nicht dort hielt wo ich umsteigen wollte war ich plötzlich in Hamburg und hatte zwei Stunden Zeit bis zur Weiterfahrt. Ein Blick in die Programme der bahnhofsnahen Museumsmeile zeigt mir, dass ich im PHOXXY am ehesten finden würde, was mich interessiert (wen wundert’s?). So stand ich plötzlich im Container und in den Containern wurde man nach Südamerika entführt. Genauer gesagt in ein Gebiet am nördlichen Amazonas, das vom Volk der Yanomami bewohnt wird. Man bekommt über die großformatigen sehr ausdrucksstarken Bilder sehr eindrücklich die Lebenswelt dieser Menschen mit. Ihre riesigen Gemeinschaftshäuser, ihren Körperschmuck und ihre Zeremonien, die, wie sollte es auch anders sein in Südamerika, auch mit einzigartigen berauschenden, wahrscheinlich psychedelischen Pflanzen zu tun hatten. Wir befinden uns in der von Viktor Hois kuratierten Ausstellung „The End oft he World“ mit Bildern von Claudis Andujar über und für die Yanomami.

I had once planned a trip without visiting an exhibition. But the Deutsche Bahn wanted it differently. As the ICE train I was on didn’t stop where I wanted to change trains, I was suddenly in Hamburg and had two hours before my onward journey. A glance at the programmes in the museum mile near the station showed me that PHOXXY was the place where I was most likely to find what I was interested in (no wonder?). So suddenly I was standing in a container and in the containers I was whisked away to South America. More precisely, to an area in the northern Amazon inhabited by the Yanomami people. The large-format, highly expressive images give you a very impressive insight into the world these people live in. Their huge communal houses, their body jewellery and their ceremonies, which, how could it be otherwise in South America, also had to do with unique intoxicating, probably psychedelic plants. We are in the exhibition “The End of the World” curated by Viktor Hois with pictures by Claudis Andujar  about and for the Yanomami.

Ich war noch nie selbst in Südamerika, somit ist mein Bild von der Literatur der 70er oder 80er Jahre geprägt meist mit mehr oder weniger esotherischem Hintergrund. Damals war Carlos Castaneda Pflichtlektüre und die diversen Abstecher der Beatnix und Hippies in den südlicheren Teil Amerikas wurden gespannt verfolgt. Ein Buch, das mir in diesem Zusammenhang unterwegs partout nicht einfallen wollte, dass aber sicher bis in unsere Kindererziehung in den Neunzigern im Hintergrund gewirkt hat, ist Jean Liedloffs „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“, das aus der Begegnung mit einem andren „Stamm“ von nicht mit der „Zivilisation“ in Kontakt stehenden „Ureinwohnern“ in Venezuela versuchte „Lehren“ für die Kindererziehung abzuleiten. Erst später in den 80ern kam die Beschäftigung mit „ernsthafter“ Ethnologie mit ins Spiel, wobei für mich H. P. Duerr eine entscheidende Rolle gespielt hat. Auch er zeigt unter anderem in seinem Buch „SEDNA oder die Liebe zum Leben“, dass Menschen, die in einem unmittelbaren Verhältnis zur Natur stehen, was wir gerne abwertend als „Animismus“ bezeichnen, keine Jenseitsvorstellungen brauchen um ihr Leben zu organisieren. Das mag im Rückblick alles als ein wenig romantisierend eingestuft werden, was man aber ohne Zweifel sagen kann ist, dass unser Interesse an diesen „unverdorbenen“ Kulturen genau das hervorgebracht hat, was vom unserem verhehrenden Fortschrittsdenken aus gesehen längst überfällig war, nämlich deren Untergang.

I have never been to South America myself, so my image is characterised by the literature of the 70s or 80s, mostly with a more or less esoteric background. Back then, Carlos Castaneda was compulsory reading and the various excursions of the Beatnix and hippies to the southern part of America were followed with great interest. One book that I couldn’t think of in this context, but which certainly had an impact in the background until our children were brought up in the 1990s, was Jean Liedloff’s “In Search of Lost Happiness”, which attempted to derive “lessons” for bringing up children from an encounter with another “tribe” of “natives” in Venezuela who were not in contact with “civilization”. 

It was only later in the 1980s that “serious” ethnology came into play, with H. P. Duerr playing a decisive role for me. In his book “SEDNA oder die Liebe zum Leben”, he also shows that people who have a direct relationship with nature, which we like to pejoratively refer to as “animism”, do not need any ideas of the afterlife to organise their lives. In retrospect, this may all be seen as a little romanticizing, but what can be said without doubt is that our interest in these “unspoilt” cultures has brought about exactly what was long overdue from the point of view of our devasting progressrelated thinking, namely their demise.

Dieser schmerzhafte Prozess spiegelt sich auch recht gut in Claudia Andujars Bildern. Die früheren Bilder sind von einem Staunen über die Natürlichkeit und Andersartigkeit, geprägt von einem Versuch, die Lebens-, Bild- und Traumwelten dieser Menschen zu erfassen und in Photographie umzusetzen. Dabei benutzt die Photographin Langzeitbelichtungen, Überlagerungen und Farbbetonungen, die sich aber alle im Sinne der Darstellung benutzt werden. Die späteren Serien zeigen dann auch die Folgen des Kontakts zur „Neuzeit“. In der Serie „Marquados“ sieht man Portraits von sehr individuellen Menschen konterkariert durch eine Art Durchnummerierung. Der Hintergrund war, dass für eine Impfkampagne eine Art Register erstellt werden sollte, um alle Bewohner zu erfassen. Noch einen Schritt weiter geht die Serie „Genozid an den Yanomami: Tod Brasiliens (Fotoinstallation)“, die nur schwer zu ertragen ist, vor allem im Kontrast zu den vorhergesehenen. Trübe, traurige Augen schauen einen da an und die dazwischen gestreuten Pressemeldungen geben den noch traurigeren Kontext dazu. Ursprünglich war diese Arbeit als Videoinstallation für eine Ausstellung in São Paulo 1989 erstellt worden. Sie hat aber trotz der Bemühungen von Andujar und Anderen, die Yanomami zu unterstützen nichts an Aktualität verloren. Goldschürfer und Krankheiten wie Malaria und Covid bedrohen heute den Bestand dieser einzigartigen Menschen.

This painful process is also reflected quite well in Claudia Andujar’s pictures. The earlier pictures are characterised by an amazement at the naturalness and otherness of an attempt to capture the life, image and dream worlds of these people and translate them into photography. The photographer uses long exposures, overlays and colour accentuations, all of which are used in the sense of representation. The later series also show the consequences of contact with “modern times”. In the “Marquados” series, portraits of very individual people are counteracted by a kind of numbering system. The background was that a kind of register was to be created for a vaccination campaign in order to record all the inhabitants. 

The series “Genocide of the Yanomami: Death of Brazil (photo installation)” goes one step further and is difficult to bear, especially in contrast to the previous ones. Bleak, sad eyes look at you and the press reports scattered in between provide an even sadder context. This work was originally created as a video installation for an exhibition in Sao Paulo in 1989. However, despite the efforts of Andujar and others to support the Yanomami, it has lost none of its topicality. Gold miners and diseases such as malaria and Covid are now threatening the existence of these unique people.

Während ich an diesem Bericht schreibe, bekommen ich aus der Blogosphäre die Meldung, dass mir jemand zuvorgekommen ist. Macht nichts. Lest also gerne auch den Bericht von Manuela Mordhorst oder schaut euch die Ausstellung selbst mal an. Dies wird bis zum 11.8.24 möglich sein. Danach oder dazu bleibt immerhin noch die Möglichkeit sich den neuen Film „The Lady with the arrows“ von Heidi Specogna über Cladia Andujar (Trailer s.u.) anzuschauen.

2017 hatte Claudia Andujar eine Ausstellung im Museum für Moderne Kunst, Frankfurt mit dem Titel „Morgen darf nicht gestern sein“, den man sich heute fast uneingeschränkt zum Motto machen könnte.

While I’m writing this report, I get a message from the blogosphere that someone has beaten me to it. Never mind. So feel free to read Manuela Mordhorst’s report or visit the exhibition yourself. This will be possible until 11.8.24. Afterwards or in addition, there is still the opportunity to watch the new film “The Lady with the arrows” by Heidi Specogna about Cladia Andujar (Trailer below).


In 2017, Claudia Andujar had an exhibition at the Museum für Moderne Kunst, Frankfurt entitled “Morgen darf nicht gestern sein” (Tomorrow must not be yesterday), which could almost be taken as a motto today.

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