Lange hat´s gebraucht, aber jetzt bin ich doch mal dazu gekommen, mir die Outdoor-Ausstellungen in Zingst anzuschauen. Das Photofestival in Zingst muss es jetzt auch schon über zehn Jahre geben. Ich habe es immer nur aus der Ferne beäugt und als Strandvergnügen gutbetuchter Sommerurlauber abgetan. Dabei ist das Festival ein großer Erfolg geworden. Beim ersten Festival im Jahre 2008 waren wohl 7000 Besucher da, heute bewegen sich die Zahlen um die 50.000. Auch 2024 war das eigentliche Festival vom 7.6. bis zum 16.6., aber das Rahmenprogramm startete schon am 23.5. und geht letztlich das ganze Jahr. So konnte auch ich, der ich nur einen Tagesausflug erübrigen wollte, wenigstens die Outdoor-Ausstellungen sehen. Wahrscheinlich hätte ich noch mehr Ausstellungen sehen können, aber irgendwann streiken die Augen oder das Hirn und dann muss man ins Café sitzen und ein Cappuccino oder ein Eis genießen.
It’s taken a long time, but now I’ve finally got round to checking out the outdoor exhibitions in Zingst. The photo festival in Zingst must have been around for over ten years now. I’ve only ever looked at it from afar and dismissed it as a beach event for well-heeled summer holidaymakers. Yet the festival has become a huge success. There were probably 7,000 visitors at the first festival in 2008, today the numbers are around 50,000. 2024 was also the actual festival from 7.6. to 16.6. but the supporting programme started on 23.5. and ultimately lasts the whole year. So even I, who only wanted to spare a day trip, was at least able to see the outdoor exhibitions. I probably could have seen even more exhibitions, but at some point my eyes or brain go on strike and then I have to sit in a café and enjoy a cappuccino or an ice cream.
Was mir am Konzept gut gefällt ist, dass es sich zu einem reinen Umweltphotographiefestival entwickelt hat. Dieses Jahr war das Thema „Fauna“. Und man muss sagen, dass das ziemlich gut durchdekliniert wird. Zuerst spülte mich der Badegästestrom zur Seebrücke, die schön weit in die doch meist recht zahme Ostsee reinführt und einen guten Blick zurück auf den Strand erlaubt. Und da schwimmen dann die Haie. Auf großen, meist zum Dreieck gestellten Stellwänden gibt es jeweils ein Aufreißerbild und zwei erläuterte Bilder aus der Welt der Haie. Die Badegäste sind auch froh um die überlebensgroßen Plakatwände, da diese je nach Sonnenstand wenigstens ein wenig Schatten liefern. Da spart man sich dann die Strandmuschel. Vom hinteren Bereich des Strandes, wo die weniger abenteuerlustigen Gäste in ihrem Strandkorb abhängen, erhascht man einen Blick auf die Rückseite der Hai-Displays. Sehr photogen lassen sich die Plakate selbst wieder aus allen Blickwinkeln effektvoll ablichten. Der ökologische Aspekt liegt vor allem an dem schlechten Image, dass sich die Haie so im Laufe der Jahrzehnte aufgebaut haben. Scheint, als hätten sie bei den Medien keine gute Lobby. Auf einem Bild sieht man wie Haiphotographie normalerweise vonstattengeht. Die Photographen hocken in Käfigen und zielen mit ihren Unterwasser-Kits auf die vorbei schwimmenden Haie. Ein bisschen bluttriefende Beute wird sie schon anlocken.
Michael Muller hingegen photographiert die Haie ohne Käfig, dafür mit leistungsstarken Blitzanlagen, die diese knalligen und hier kann man es ja sagen atemberaubenden Bilder ermöglicht. Wollen wir hoffen, dass die Haie etwas davon haben und zumindest nicht mehr nur aus Angst gejagt werden.
What I like about the concept is that it has developed into a pure environmental photography festival. This year’s theme was “Fauna”. And it has to be said that it was pretty well organised. First of all, the stream of bathing guests washed me over to the pier, which leads a long way into the Baltic Sea, which is usually quite tame, and allows a good view back onto the beach. And that’s where the sharks swim. There is a tear-out picture and two explanatory pictures from the world of sharks on large screens, usually arranged in a triangle. The bathers are also happy about the larger-than-life billboards, as they provide at least a little shade depending on the position of the sun. There’s no need for a beach shell. From the back of the beach, where the less adventurous guests hang out in their beach chairs, you can catch a glimpse of the back of the shark displays. The posters themselves are very photogenic and can be effectively photographed from all angles. The ecological aspect is mainly due to the bad image that sharks have built up over the decades. It seems that they don’t have a good lobby in the media. One picture shows how shark photography normally takes place. The photographers squat in cages and aim their underwater kits at the sharks swimming by. A bit of blood-dripping prey will attract them.
Michael Muller, on the other hand, photographs the sharks without a cage, but with powerful flash equipment, which makes it possible to take these gaudy and, in this case, breathtaking pictures. Let’s hope that the sharks get something out of it and are at least no longer hunted out of fear.
Auf der Suche nach ein wenig Ruhe im bunten Treiben finde ich den Martha-Müller-Grählert Park. Darin gibt es ein großes Rondell, in dessen Mitte ein Plakatwand-Dreieck seht und drum rum sind die anderen Bilder von David Chancelor im Kreis angeordnet. Diese Präsentation empfinde ich als sehr wirkungsvoll und stimmig. Sie zeigt das Leben der Samburu im Norden Kenias sowie die Tiere der Gegend und vor allem auch die Arbeit der Ranger, die versuchen die Tiere vor dem Zugriff von Wilderern zu schützen. Insgesamt eine sehr komplexe Situation, in der es zwar Interessen, aber schon längst keine klaren Zuschreibungen mehr geben kann. Wer ist Schuld? Die geilen Kunden in China, die geldgeilen Schmuggler, die illegalen Wilderer, die unzureichenden Schutzmaßnahmen oder die Gleichgültigkeit der ersten Welt. Das zu entscheiden ist letztlich nicht mehr hilfreich, wenn der Elefant tot oder das Nashorn ausgestorben ist. Was in dem Interview mit dem Photographen durchscheint ist, dass das Photographieren dieser Themen in Afrika auch den Akteur aus dem Westen nicht unberührt lässt und auch längst keine Einbahnstraße mehr ist, sondern auch der Bewahrung der Traditionen hilft, wenn der Samburu-Krieger das tolle Bild, dass ihn in voller Montur inszeniert auf seinem Handy rumzeigen kann.
In search of a little peace and quiet amidst the colourful hustle and bustle, I find Martha Müller-Grählert Park. There is a large roundabout in the centre of which you can see a triangular billboard and the other paintings by David Chancelor are arranged in a circle around it. I find this presentation very effective and harmonious. It shows the life of the Samburu in northern Kenya as well as the animals in the area and, above all, the work of the rangers who try to protect the animals from poachers. All in all, it is a very complex situation in which there are interests but no longer any clear attributions. Who is to blame? The greedy customers in China, the money-hungry smugglers, the illegal poachers, the inadequate protection measures or the indifference of the first world. In the end, it is no longer helpful to decide when the elephant is dead or the rhino is extinct. What shines through in the interview with the photographer is that photographing these issues in Africa does not leave the actors from the West untouched and is no longer a one-way street, but also helps to preserve traditions when the Samburu warrior can show the great picture of him in full costume on his mobile phone.
Einen Park weiter sind schöne große Bilder von Federn ausgestellt. Auf den ersten Blick denkt man, ok, das haben zwei (Heidi und Hans-Jürgen Koch) eben Federn gesammelt statt Muscheln, versteinerte Seeigel oder Bernstein, doch wenn man ein wenig nachsinnt, wird so eine Sammlung zur unwiderlegbaren Bebilderung von Vielfalt und hält uns mit der gleichen Geste den Vielfaltsverlust, den wir aufgrund unserer nimmersatten Ressourcenausbeutung selbst verschulden vor die Nase.
Am meisten berührt hat mich die Serie über Karibus und Rentiere von Katie Orlinsky, die sich noch etwas weiter runter die Straße in einer Fußgänger-Nische sehr effektvoll präsentiert. Anders als bei den Bisons weiter südlich in Kanada und USA weiß man bei den Karibus immer noch nicht so genau, warum die Zahl der Tiere so drastisch zurückgeht. Diese hat sich in den letzten zwanzig Jahren mehr als halbiert. Es scheinen hier neben den üblichen Verdächtigen wie Straßenbau, Abholzung, Jagd und landwirtschaftlicher Nutzung, Kumulationseffekte am Werk zu sein. Etwa dahingehend, dass sich minimale Verschiebungen in den klimatischen Bedingungen auf das Ökosystem, die Landschaft, die diese Tiere jahrhundertelang auf ihren Wanderungen ernährt und am Leben gehalten hat, so auswirken, dass das eingespielte Zusammenwirken von Tieren, Pflanzen und Wetterbedingungen die Herden nicht mehr trägt. Bei den halbdomestizierten Rentieren, die aus Europa importiert wurden, scheint das etwas besser zu klappen, da der Mensch hier auf die Herden einwirken kann.
One park further on, there are beautiful large pictures of feathers on display. At first glance you think, OK, two people (Heidi and Hans-Jürgen Koch) have just collected feathers instead of shells, fossilised sea urchins or amber, but if you think about it a little, a collection like this becomes an irrefutable illustration of diversity and, with the same gesture, holds up to us the loss of diversity that we ourselves are responsible for due to our insatiable exploitation of resources,
I was most touched by the series on caribou and reindeer by Katie Orlinsky, which is presented very effectively in a pedestrian niche a little further down the street. Unlike the bison further south in Canada and the USA, we still don’t know exactly why the numbers of caribou are declining so drastically. They have more than halved in the last twenty years. In addition to the usual suspects such as road construction, deforestation, hunting and agricultural utilisation, cumulative effects appear to be at work here. For example, minimal shifts in climatic conditions are affecting the ecosystem, the landscape that has fed and sustained these animals on their migrations for centuries, in such a way that the well-rehearsed interaction of animals, plants and weather conditions no longer supports the herds. This seems to work somewhat better with the semi-domesticated reindeer that were imported from Europe, as humans can influence the herds here.
Es hilft über diese Themen informiert zu werden, es hilft sie anhand beeindruckender Bilder vor die Augen gestellt zu bekommen, aber ich frage mich doch zunehmend, was das ändert. Auf der einen Seite gibt es immer mehr NGOs, die sich verschiedener Themen annehmen, es gibt initiativen aus der Wissenschaft, aus dem Naturschutz, aus sozialen Bewegungen heraus – auf der anderen Seite werden die niemandem als ihrem eigenen Profit verpflichteten multinationalen Konzerne immer mächtiger und können Regierungen erpressen, Gerichtsentscheidungen kaufen und sich über Proteste von Betroffenen hinwegsetzen.
Ist es also nicht viel eher an der Zeit in uns zu gehen und uns anzuschauen, was uns eigentlich bewegt immer weiter zu konsumieren, auf Wachstum zu setzen und an die expansive postkoloniale Hegemonie der westlichen Staaten zu glauben? Sollten wir nicht hinterfragen, ob Rationalität, Effizienz und Expansion als einzige Kriterien unserer Entscheidungen noch haltbar sind? Solange wir dieses System in seinen Grundannahmen mittragen, wird sich nichts ändern. Fangen wir also bei uns an und schauen uns an, was in unserem eigenen Denken und in unserem direkten Umfeld getan werden kann. Das wird zwar global auch nicht viel ändern, aber irgendwo muss der Glaube daran, dass es auch andere Wege gibt, ja Wurzeln schlagen.
It helps to be informed about these issues, it helps to be confronted with impressive images, but I am increasingly asking myself what is changing. On the one hand, there are more and more NGOs taking on various issues, there are initiatives from science, from nature conservation, from social movements – on the other hand, the multinational corporations, which are committed to no one but their own profit, are becoming more and more powerful and can blackmail governments, buy court decisions and override protests by those affected.
So isn’t it time to look inside ourselves and see what actually motivates us to continue consuming, to focus on growth and to believe in the expansive post-colonial hegemony of Western states? Should we not question whether rationality, efficiency and expansion are still the only criteria for our decisions? As long as we support the basic assumptions of this system, nothing will change. So let’s start with ourselves and look at what can be done in our own thinking and in our immediate environment. This won’t change much globally, but the belief that there are other ways must take root somewhere.
Translated with the help of DeepL
Sobald mich die Hitze wieder lässt, werde ich auch Euren Blog wieder vermehrt lesen!
Dude, schön Dich gefunden zu haben!
Freut mich, dass ihr euch freut. Wünsche euch eine gute Zeit und bleibt weiter sichtbar.
Höchste Zeit, „in uns zu gehen“ – ohne Frage! Aber auch das, was im direkten Umfeld getan werden könnte, bedarf, soll´s nicht aufs Ganze besehen wirkungslos verpuffen, der Ausrichtung auf eine so realistische wie emanzipatorische Alternative zum „System mit seinen Grundannahmen“. Allein: Mach mal auch nur im Kreise „guter Bekannter“ den Vorschlag, sich die dritte industrielle Revolution, die mikroelektronische, vom Todfeind, die sie im Kapitalismus ist, zum Freund zu machen. Und dann – Geld weg, Markt weg – auf Basis eines sowohl lokalen als auch globalen und sich in dauerndem Datenaustausch befindenden Netzwerk von Räten weltweit damit zu beginnen, die menschliche Reproduktion als Herstellung und Verteilung gemäß bedürfnisorientierter Absprache zu organisieren. Sie werden´s erst nicht richtig verstehen (wollen). Und dann – in x Varianten – über dich herfallen!
Sehr inspirierend und bereichernd. Liebe Grüße!
Danke und Grüße zurück!
Das Federnfoto von Heidi und Hans-Jürgen Koch zeigt sehr schön, wie Kunst funktioniert: Man muß sich selbst bemühen, den Hintergrund zu finden.
Bzgl. der Vielfalt: Ich habe heute zufällig ein Foto von 2018, das ich damals von einer schönen Wespe machte, versucht zu klären. Nachwievor kein Treffer.
Was wäre eine Welt, in der es nur noch “Einheitsinsekten” gäbe.