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Und Araki? / What about Araki?

Freilich ist mir Araki  nicht erst neulich über den Weg gelaufen. Irgendwo war er immer schon präsent auf dem dünnpapierigen Merkheft-Seiten der Buchverramscher, die inzwischen alle zu f&k gehören. Nur dass ich mich nicht sonderlich für die japanischen Vergnügungsstätten in Tokio interessiert habe und deswegen “Tokyo Lucky Hole” es nie geschafft hat meinen Geldbeutel zur Öffnung zu bewegen. Einen zweiten Blick auf eine Serie in der `Lichtempfindlich2´-Ausstellung im Schauwerk Sindelfingen hat geholfen die Vorurteile zu zerstreuen und es kam erstmals der Verdacht auf, es könne sich doch um Kunst handeln.

Ich bin ja durchaus ein Freund der Provokation, aber ohne Kontext erschließt es sich nicht so ohne weiteres, dass die Bilder von Araki vor 30 bis 40 Jahren in Japan andere Wellen geschlagen haben als in den frühen 2010er Jahren irgendwo in Europa. Verschreckt hat mich der Bericht von Jens Pepper in den Fotonews vom November, in der er von der Reaktion auf eine Ausstellung von Araki im c/o in Berlin von vor zwei Jahren berichtet.

#Metoo-AktivistInnen haben wohl weniger Kunst in den Bildern gesehen als Ausbeutung von Frauen und verlangt die Ausstellung möge abgehängt werden. Auf Diskussionsangebote wurde nicht eingegangen, der historische Kontext wurde nicht berücksichtigt, als ob man retrospektiv die Rolle der Frau im 20. Jahrhundert ändern könnte, wenn man symbolische Darstellung von Frauen aus der Welt schafft. Nicht dass ich die Anliegen von #metoo nicht verstehen würde, aber ändern können wir nur die Zukunft, wenn wir überhaupt Etwas ändern können.

Auf der Suche nach genaueren Informationen über Nobuyoshi  Araki stieß ich auf das Youtube-Video von Hotaru – ja, ich äußere mich gelegentlich abfällig über YouTube (https://photo-philosophy.net/das-schwarze-loch-der-kunste-the-black-hole-of-the-arts-boehm-kobayashi/) aber ich nutze es nichtsdestotrotz. Sehr interessant fand ich die Lebensgeschichte und die Liebes- und Verlustgeschichte seiner früh verstorbenen Frau sowie die Hintergrund-Informationen zu der gesetzlichen Lage in Japan, wegen der Araki seine expliziteren Fotobücher nur im Ausland produzieren und vertreiben konnte.

Ich empfinde Hochachtung vor der Lebensleistung dieses Mannes und ich kann beim besten Willen in seinen Bildern keine Misogynie feststellen. Im Gegenteil, alle Frauen blicken stolz und selbstbewusst in die Kamera, selbst wenn sie gefesselt von der Decke hängen. Inzwischen habe ich mir die 40 Jahre Jubiläumsedition des Taschen-Verlages zugelegt. Das Buch zeigt wie viele Facetten das Werk von Araki hat und wie er im Spannungsfeld zwischen fernöstlicher Ästhetik, wie sie Byung-Chul Han in seinem Buch `Abwesen´ zu skizzieren versucht und eher westlich anmutender Direktheit einen eigenen Weg entwickelt hat. Natürlich würde man solche Bilder heute nicht mehr machen oder man würde sie anders machen. Aber das rechtfertigt keine Bild-Verbote – und schon gar nicht rückwirkend.

Admittedly, I did not come across Araki just recently. Somehow he was always present on the thin paper notebook pages of the book sale, which all belong to f&k by now. Only that I wasn’t particularly interested in the japanese amusement parks in Tokyo and therefore “Tokyo Lucky Hole” never managed to open my wallet. A second look at a series in the exhibition `Lichtempfindlich 2´  in the Schauwerk  Sindelfingen helped to dispel the prejudices and for the first time there was the suspicion that it could be art.

I am indeed a friend of provocation, but without context it is not so easy to see that Arakis pictures made different waves in Japan 30 to 40 years ago than they did somewhere in europe in the early 2010s. I was startled by Jens Pepper’s report in the Fotonews of November in which he tells of the reaction to an exhibition of Araki at the  c/o in Berlin two years ago.

#Metoo activists have probably seen less art in the pictures than exploitation of women and demand that the exhibition be taken down.  Offers to discuss were not taken up, the historical context was not taken into account, as if we could change the role of women in the 20th century in retrospect by removing symbolic representations of women. Not that I don’t understand the concerns of #metoo, but we can only change the future if we can change anything at all.

Looking for detailed information about Nobuyoshi Araki I discovered on youtube the video of Hotaru. Yes, I disparage YouTube (https://photo-philosophy.net/das-schwarze-loch-der-kunste-the-black-hole-of-the-arts-boehm-kobayashi/) but I use it nevertheless. I found the life story and the love- and loss story of his early deceased wife very interesting as well as the background information about the legal situation in Japan because of which Araki could only produce and sistribute his more explicit photo books abroad.

I have great respect for the life achievement of this man and with the best will in the world I cannot find any misogyny in his pictures. On the contrary, all women look proud and self-confident, even when they are tied up and hanging from the ceiling. In the meantime I have bought the 40th anniversary edition of the Taschen publishing house. the book shows how many facets the work of RAG has and how he has developed his own way in the field of tension between far eastern aesthetics, as Byung-Chul Han tries to sketch it in his book `Absent´, and more western seeming directness. Of course one would not make such pictures today or one would make them differently. But that does not justify any picture bans – and certainly not retroactively.

Translated with the help of www.DeepL.com/Translator

A book for adults in a virgin state / ein Buch für Erwachsene in jungfräulichem Zustand

1 Comment

  1. Wolfgang Rühle

    Araki ist großartig. Danke für die Erinnerung. Was ich von Zensur halte weißt du ja. Kunst muss irritieren, ist schließlich ihre Aufgabe. Und dass du Byung-Chul Han liest zeigt mir, dass wir geistig immer noch verbunden sind! Existenzialismus und Buddhismus gehen bei ihm ene kreative Symbiose ein. Und in seinem neuen Buch “Die Palliativgesellschaft” wird deutlich, warum es solche Zensurbestrebungen gibt. Weil wir in einer Gesellschaft leben, die den Schmerz betäubt. Arakis Fotos irritieren, faszinieren und tun auch weh.

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