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Unwiederbringlich / Unretrievable

Als ich 2018 zum ersten Mal seit meiner Jugend wieder nach Paris kam, war einer meiner Begleiter ein Buch namens „Paris, links der Seine“  von H. J. Ortheil.  Der Autor, im Gegensatz zu mir, ein Kenner der `Rive gauche´ flaniert in dem Buch durch `Saint-Germain-des-Prés´ und `Quartier Latin´. Auch ohne diese Wege nachgewandert zu sein gab mir das Buch doch einen guten Hintergrund für meine Erkundungsgänge.

Schon damals, erinnere ich mich, gab es mir einen kleinen Stich zu lesen, dass das Atelier von Man Ray nicht mehr existiert, dass der Versuch gescheitert ist diese einmalige `location´ für die Nachwelt  zu erhalten.

Dem Hinweis, dass es beim Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln einen Fotoband von Herbert Molderings gibt, der das Interieur dokumentiert bin ich erst dieses Jahr nachgegangen. Bei der Lektüre der begleitenden Worte von Molderings, der Man Ray in seinen späten Jahren mehrfach besucht und nach seinem Tod zusammen mit dessen Frau Juliet das Atelier minutiös auf Schwarzweißbildern dokumentiert hat sind mir zwei Dinge hängen geblieben.

Einmal, dass Juliet, das Atelier aufgrund eines großen hellen Sonnensegels gerne als `Bateaux ivre´ bezeichnet hat. Da fiel mir erst auf dass ich an der Wand (siehe Bild), die das Altelier von der Rue de Ferou trennt vorbeigegangen war ohne zu merken dass dahinter mal das Atelier gewesen sein muss. Vielmehr war ich davon fasziniert , dass das komplette Poém von Rimbaud in die Wand eingraviert ist.

Zum anderen hat mich bei der Lektüre verwundert, dass Man Ray in seinem Atelier nur eine Einzige seiner Photographien (`La Prière´ ) sowie einen Akt von Eugène Atget, den Ray 1925 entdeckt hat und der aus der Photographiegeschichte nicht mehr wegzudenken ist, aufgehängt hatte.

Anscheinend, hat Man Ray seinem eigenen photographischen Werk kaum Beachtung geschenkt. „Ich bin ein Maler, kein Photograph“ soll er Molderings gesagt haben – da ist was dran und trotzdem welch eine Fehleinschätzung seiner Wirkung auf das Publikum.

Bleibt noch die Frage warum ausgerechnet diese kleine Geschichte am Rande mich so berührt hat. Es hängt wohl mit der Unwiederbringlichkeit zusammen, die in meiner Biographie auch eine Rolle spielt. Geboren in Hermannstadt in Siebenbürgen (heute Rumänien) im Schoße einer deutschen Minderheit, die es heute nicht mehr gibt kann ich diesen Verlust von etwas Einmaligem gut nachfühlen. Die Frage, die jeder für sich selbst beantworten muss ist, ob eine photographische Dokumentation wie das Buch von Molderings diesen Schmerz lindern kann?

When I came to Paris for the first time since my youth in 2018, one of my companions was a book called “Paris, left of the Seine” by H. J. Ortheil. The author, unlike me, a connoisseur of the `Rive gauche’ strolls in the book through` Saint-Germain-des-Prés’ and `Quartier Latin’. Even without following these paths, the book gave me a good background for my explorations.

Even then, I remember, I read with a stich in my heart that the studio of Man Ray no longer existed, that the attempt failed to preserve this unique `location’ for posterity.

The reference that there is a photo book by Herbert Molderings at the publishing house of the bookstore Walther King, Cologne, which documents the interior I only followed up this year. When reading the accompanying words of Moldering, who visited Man Ray several times in his later years and documented his studio together with his wife Juliet meticulously on black and white pictures after his death, two things stuck with me.

First was that Juliet liked to call the studio ‘Bateaux ivre’ because of a big bright awning. It struck me first that I had passed the wall (see picture) that separates the Altelier from the Rue de Ferou without realizing that the studio must have been behind it. Rather, I was fascinated that the complete Poém of Rimbaud  is engraved in the wall.

On the other hand, I was surprised when reading that Man Ray hung up in his studio only one of his photographs (`La Prière’) and an act by Eugène Atget, that Ray discovered in 1925 and who since then forms part of the history of photography.

Apparently, Man Ray paid little attention to his own photographic work. “I am a painter, not a photographer,” he is said to have told Moldering – there is something in it, and yet what a misjudgment of its effect on the public.

The question remains why this little story just on the edge has touched me so. It probably depends on the irretrievability, which also plays a role in my biography. Born in Sibiu in Transylvania (now Romania) in the bosom of a German minority that no longer exists today, I can sympathize with this loss of something unique. The question everyone has to answer for themselves is, whether a photographic documentary, such as the book by Molderings, can alleviate this pain?

2 Comments

  1. Harald S.

    Von H.J. Ortheil wuste ich nur, dass er sich in Italien gut auskennt. Aber nun, ich lerne gerne hinzu. Aber das nur am Rande. Den Artikel durchweht so eine anheimelnde Melancholie… Vor dem Hintergrund, dass so vieles Vergänglich ist, sehnt man sich nach Dauer. Den Augenblick festzuhalten ist auch ein Impuls des Fotografen, Doch hält man den Augenblick beim Fotografieren auch wirklich fest? Ist nicht die Erinnerung ein viel besserer Ort für Dinge, Momente? Und verhindert die Fotografie nicht gerade, dass man den Moment erlebt? Es lässt sich letzlich wenig wirklich festhalten. Und auch muss ein Verlust uns nicht unbedingt ärmer machen.

    • Rolf Noe

      Es gibt kein Entkommen vor der Melancholie. Hervé Guibert schildert in seinem kurzen Text ‘Phantom-Bild’ genau den umgekehrten Prozess. Er erzählt, wie er mit der Kamera seines Vaters ein Bild seiner halb entkleideten Mutter in einer ganz besonderen Situation macht. Nur um danach festzustellen, dass er den Film nicht richtig eingelegt hat. Das Bild bleibt aber in seinem Gedächtnis und als gemeinsames Geheimniss mit seiner Mutter lebendig. Lebendiger vielleicht als wenn es tatsächlich ausbelichtet worden wäre. Der Augenblick geht dahin und kümmert sich einen Dreck darum ob wir versucht haben ihn festzuhalten…

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