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Von Einem der auszog / One who went out

„Robert Frank, Swiss, unobtrusive, nice, with that little camera

that he raises and snaps with one hand

he sucked a sad poem right out of America onto film,

taking rank among the tragic poets of the world”

-Jack Kerouac-

Dies wird der Versuch werden, meine eigenartige Ambivalenz zum Werk von Robert Frank zu klären. Diese ist, denke ich, schon in dem Artikel zu spüren, den ich zu Büchern über Amerika geschrieben habe. Wieder aufgetaucht ist die Frage, was eigentlich hinter dem Erfolg von „The Americans“  steckt und was darauf folgte beim Lesen eines Berichts über die Aktivitäten zu Franks hundertsten Geburtstag von Ulf Erdmann Ziegler in den PhotoNews (Dez/Jan 24/25). Ich konnte mit den ganzen Andeutungen zu Franks Werk in dem Artikel irgendwie nichts anfangen.

Deswegen habe ich sie „The Americans“ noch mal aus dem Regal geholt und festgestellt, dass es, wenn man es im Zeitkontext der fünfziger Jahre und nicht mit dem eigenen heutigen Blick ansieht, wirklich ein herausragendes Meisterwerk ist. Mit einem Geschmack von Roadmovie und neben dem Vorwort von Jack Kerouac eben auch vielem von dem, was die Beatniks damals als alles so umgetrieben hat. Das Leben auf der Straße, das Leben derjenigen, die nicht zur weißen Mittelschicht gehörten oder gehören wollten. Und das eben mit dem frischen Blick dessen, der eben nicht in diesem Land aufgewachsen ist und die Sehgewohnheiten und blinden Flecken schon mit der Muttermilch und späten mit Bourbon eingeflößt bekommen hat.

This will be an attempt to clarify my strange ambivalence towards the work of Robert Frank. I think this can already be felt in the article I wrote on books about America. The question of what is actually behind the success of “The Americans” and what followed it came up again when I read a report on the activities for Frank’s centenary by Ulf Erdmann Ziegler in PhotoNews December/January 24/25. I somehow couldn’t make sense of all the allusions to Frank’s work in the article.

That’s why I took “The Americans” off the shelf again and realized that, if you look at it in the context of the 1950s and not from today’s perspective, it really is an outstanding masterpiece. With a taste of road movie and, in addition to the foreword by Jack Kerouac, a lot of what the beatniks were up to back then. Life on the streets, the lives of those who didn’t belong or want to belong to the white middle class. And all of this with the fresh perspective of someone who didn’t grow up in this country and was instilled with the habits of seeing and blind spots with their mother’s milk and later with bourbon.

Als Nächstes habe ich mir den Film von Lara Israel “Don’t blink” angeschaut. Der Film zeigt sehr deutlich, wie schwierig es für den bei der Entstehung des Filmes 92-jährigen Frank war, irgendwie an den Erfolg seines Jahrhundertbuches anzuknüpfen. Dazu kommt die Tragödie mit seinen Kindern. Seine Tochter stirbt ein Autounfall und sein Sohn nimmt sich nach einer Psychiatrie-Karriere das Leben. All das spielt im weiteren Werk von Robert Frank eine große Rolle, meist in Form von reichlich unprofessionellen aber dafür umso künstlerischen meist kurzen Dokumentarfilmen. Der Beatnik-Film “Pull my Daisy” ist ein gutes Beispiel dafür. Eine Mischung aus Inszenierung und spontanen Einfällen chaotisch wie eben so ziemlich alles, was die Beatniks so ausmacht.

Next, I watched the movie “Don’t blink” by Lara Israel. The movie shows very clearly how difficult it was for Frank, who was 92 when the film was made, to somehow build on the success of his book of the century. Then there is the tragedy with his children. His daughter dies in a car accident, and his son takes his own life after a career in psychiatry. All of this plays a major role in Robert Frank’s later work, mostly in the form of highly unprofessional but all the more artistic, mostly short documentaries. The beatnik film “Pull my Daisy”  is a good example of this – a mixture of staging and spontaneous ideas, chaotic like pretty much everything that makes up the beatniks.

Robert Frank und sein Sohn Pablo zu Besuch bei und photographiert von Alan Ginsberg / Robert Frank and his son Pablo visiting and photographed by Alan Ginsberg

Irgendwie wirkt der weitere Weg von Robert Frank auf mich auch bewundernswert, denn er hat immer daran festgehalten sein Leben künstlerisch zu verarbeiten. Zusammen mit seiner Frau June Leaf  in der Zurückgezogenheit einer kanadischen Hütte am Meer hat er weiter versucht an den Erfolg seines Buches einzuknüpfen ohne Erfolg, was eben auch wieder ein Licht darauf wirft, wie einzigartig das Buch war und ist.

Somehow, Robert Frank’s further path also seems admirable to me, because he has always stuck to processing his life artistically. Together with his wife June Leaf in the seclusion of a Canadian cabin by the sea, he continued to try to build on the success of his book without success, which also sheds light on how unique the book was and is.

5 Comments

  1. DereL

    Was ist Erfolg? „The Americans“ brauchte zehn Jahre, um als Buch zu einem Erfolg zu werden. Frank wollte keine weiteren Bücher machen. Er wollte sich nicht wiederholen. Von Einzelausstellungen hielt er in seinem Falle nichts. “Ich glaube, die Leute wollen einfach unterhalten werden. Ich glaube nicht, dass sie Kunst sehen wollen”, sagte er in einem Interview. Der Film wurde zu seinem Medium. Für ihn persönlich ein Erfolg. Will man sich von seinen Filmen nicht nur unterhalten lassen, kann man erahnen, warum.

    • Rolf Noe

      Wenn man differenziert zwischen dem Erfolg in den Augen der Leute und dem Erfolg in seinen eigenen Augen,
      dann geb ich dir recht, dass er, der tatsächlich nie unterhalten, sondern eher aufrütteln wollte, sich erfolgreich treu geblieben ist.

  2. Joachim Kuolt

    Hallo Rolf,
    du schreibst mir aus der Seele! Ein Fotobuch mit der besonderen Qualität von ‘The Americans’ bekommt man wohl nur once in a lifetime hin…Im übrigen hab’ ich mich mit Zieglers Artikel auch schwer getan, das geht mir bei ihm allerdings öfters so.
    Herzliche Grüße
    Joachim

  3. Ule Rolff

    Dein Artikel macht mir Lust, mich nach langem mal wieder in ein paar Bücher zu vertiefen, die derzeit nicht auf meiner Liste stehen. Danke für deine interessanten Ausführungen.

  4. Thomas

    Ich habe mir damals zusätzliche Bücher über “The Americans” gekauft, weil sich manche Bilder nicht öffneten. Später habe ich auch “On The Road” von Jack Kerouac gelesen und dann hat für mich einen großen Unterschied gemacht. Dann hatte ich auch verstanden, warum Kerouac und nicht Walker Evans das Vorwort schrieb. Die Bilder, das Edit, das Robert Frank hier geliefert hat, ist eben auch ein Werk der Beat Generation. Jedes Kapitel fängt mit der Flagge an, es werden die Aspekte der amerikanischen Gesellschaft deutlich gemacht. Nah, roh, ehrlich. Das gab es in dieser Form vor “The Americans” eben nicht.

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