Germaine Krull und Gisèle Freund
Ich nehme seit Jahre Hörspiele aus dem Radio über meinen Computer auf (ja wie damals mit dem Cassettenrecorder) – inzwischen so viele, dass ich nicht weiß ob ich sie je alle angehört haben werde.
Manchmal sind kleine Juwelen dabei. Wie z.B. das Hörspiel „G&G“- Germaine Krull und Gisele Freund, eine Belichtung von Barbara Meerkötter aus dem Jahre 2016. Akustisch in Szene gesetzt wird eine Begegnung zwischen Germaine Krull (29.01.1897 – 31.07.1985) und Gisèle Freund (19.12.1908 – 31.03.2001), beides berühmte Photographinnen, die sich im `echten´ Leben zwar begegnet sind aber (`leider´ – mit diesem kleinen Bedauern endet das Stück) keine Notiz voneinander genommen haben. Im Dialog entspannen sich die Geschichten und Erlebnisse, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Beider Leben findet in Europa vorwiegend in Deutschland, Holland und Frankreich, vor allem Paris und Berlin statt. Beide reisen viel und weit. Germaine Krull nach Indien und Bangkok, Gisèle Freund vor allem nach Südamerika.
Beide waren mit Frauen zusammen, auch wenn GK seit 1927 mit dem holländischen Filmemacher Joris Ivens und GF mit einem französischen Sozialisten verheiratet war.
Beide haben Zeiten in denen das Photographieren kaum eine Rolle spielte und Zeiten in denen Sie mit ihrer Photographie extrem erfolgreich sind. Beide hatten Ausstellungen in Paris aber auch in Kassel bei der Documenta.
Beide waren Teil der Résistance und haben für `France libre´ gearbeitet. Beide waren mit berühmten französischen Künstlern und Literaten wie Andre Malraux und Man Ray verbunden. Beide haben neben einer sehr breiten Themenpalette Portraits von bekannten Persönlichkeiten gemacht und waren damit erfolgreich.
Natürlich gab es auch viele Unterschiede nicht zuletzt dass Gisèle Freund fast zehn Jahre später geboren wurde und Germaine Krull deutlich früher starb. Auch was an Photos und Dokumenten übrig geblieben ist, ist sehr ungleich zugunsten der Jüngeren verteilt. Germaine Krull war seit früher Jugend Buddhistin (was sie nicht hinderte gleichzeitig eine so radikale Kommunistin zu sein, dass Die Partei unter Lenin sie nicht nur raus sondern auch mehrfach ins Gefängnis geschmissen hat). Nach dem zweiten Weltkrieg lebte sie in Bangkok. kam nur in den sechziger Jahren wegen einer großen Ausstellung ihrer Bilder nochmal nach Paris und ging danach in ein exil-tibetisches Kloster in Nordindien.
Germaine Krull konnte Max Horkheimer zu ihrem Freundeskreis zählen aber Gisèle Freund studierte bei Theodor W. Adorno und den anderen Vertretern der Frankfurter Schule. Sie machte Portraits von Walter Benjamin und Bert Brecht. Benjamin blieb ihr eng verbunden und Sie photographierte ihn in der Nationalbibliothek in Paris.
Für Andre Malraux dokumentierte Sie den ersten `Kongress zur Verteidigung der Kultur´, 1935 in Paris. Ein Jahr später veröffentlichte Sie ihre Dissertation zum Thema „Die Photographie im Frankreich des 19ten Jahrhunderts“, die von Walter Benjamin besprochen wurde.
Walter Benjamin hat neben seinem „Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ auch eine Reihe anderer Schriften zur Photographie verfasst. Die „Kleine Geschichte der Photographie“ zeichnet nicht nur einen Skizze der bis dahin abgelaufenen Entwicklung der Photographie sondern versucht auch ihre Eigenständigkeit im Konzert der Künste zu zeigen. In dieser Schrift nimmt er Germaine Krull als Beispiel auf und bewundert sie für ihren kühlen Realitätssinn.
Beide Photographinnen standen bis zu seinem Tode mit Benjamin in brieflichem Kontakt. Beide waren in das Drama des von den Nazis besetzten Frankreich verwickelt. Germaine Krull lebte in dieser Zeit teilweise in Brasilien während Giséle Freund 1942 nach Argentinien fliehen konnte. Walter Benjamin hingegen entzog sich der Bedrohung durch die Nazis durch seinen Freitod.
Germaine Krull and Gisèle Freund
For years I have been recording radio plays from the radio on my computer (yes, just like back then with the cassette recorder) – now so many that I don’t know if I will ever have listened to them all.
Sometimes there are little jewels in the mix. For example the radio play “G&G” – Germaine Krull and Gisele Freund, an exposure of Barbara Meerkötter from the year 2016. Acoustically staged is an encounter between Germaine Krull (29.01.1897 – 31.07.1985) and Gisèle Freund (19.12.1908 – 31.03.2001), both famous photographers who met in ‘real’ life but (`unfortunately´ – the play ends with this small regret) did not take any notice of each other. In dialogue the stories and experiences, the similarities and differences relax. Both lives take place in Europe mainly in Germany, Holland and France, especially Paris and Berlin. Both travel a lot and far. GK to India and Bangkok, GF mainly to South America.
Both were together with women, even though GK had been married to the Dutch filmmaker Joris Ivens since 1927 and GF was married to a French socialist.
Both have had periods in which photography hardly played a role and periods in which they are extremely successful with their photography. Both had exhibitions in Paris but also in Kassel at the Documenta.
Both were part of the Résistance and worked for ‘France libre’. Both were associated with famous French artists and writers like Andre Malraux and Man Ray. Both have made portraits of famous personalities in addition to a very wide range of subjects and were successful with them.
Of course there were also many differences, not least that Gisèle Freund was born almost ten years later and Germaine Krull died much earlier. Also what is left of photos and documents is distributed very unevenly in favour of the younger One. Germaine Krull had been a Buddhist since her early youth (which did not prevent her from being such a radical communist that the party under Lenin not only kicked her out but also threw her in prison several times). After the Second World War she lived in Bangkok. She only came back to Paris in the sixties for a large exhibition of her paintings and then went to a Tibetan monastery in exile in Northern India.
Germaine Krull could count Max Horkheimer among her friends but Gisèle Freund studied with Theodor W. Adorno and the other representatives of the Frankfurt School. She made portraits of Walter Benjamin and Bert Brecht. Benjamin remained closely associated with her and she photographed him in the National Library in Paris.
For andre Malraux she documented the first ‘Congress for the Defence of Culture’, 1935 in Paris. A year later she published her dissertation on ‘Photography in 19th century France’, which was discussed by Walter Benjamin.
Walter Benjamin wrote a number of other writings on photography in addition to his “Work of art in the age of its technical reproducibility”. The “Kleine Geschichte der Photographie” does not only draw a sketch of the development of photography up to that time but also tries to show its independence in the concert of the arts. In this writing he takes Germaine Krull as an Example and admires her for her cool sense of reality.
Both photographers were in contact with Benjamin by letter until his death. Both were involved in the drama of Nazi occupied France. During this time Germaine Krull lived partly in Brazil while Giséle Freund was able to flee to Argentina in 1942. Walter Benjamin, on the other hand, escaped the Nazi threat by committing suicide.
Eine der vielen erschütternden Geschichte die Germaine Krull erzählt betriff die `Befreiung´ des Konzentrationslagers bei Vaihingen, dass ich vor kurzem aus einem Impuls heraus statt am Bahnhof auf den Anschluss zu warten besucht und photographiert habe./One of the many harrowing stories that Germaine Krull tells about the ‘liberation’ of the concentration camp near Vaihingen is that I recently visited and photographed on impulse instead of waiting at the station for the connection.