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Darktaxa – The Regensburg Constellation

Nein, ich bereue es nicht nach Regensburg gefahren zu sein. Trotz sechsstündiger Zugfahrten, die mit einfach nicht fahrenden Zügen losgingen und mit Wartezeiten auf kalten Bahnsteigen endeten. Das Internationale Festival Fotografischer Bilder, das hier von Andy Scholz und Martin Rosner organisiert wurde, ist tatsächlich insofern etwas besonders als es zwar Bilder zeigt, aber als Kern ein zweitägiges Symposium beinhaltet, dass tatsächlich etwas zu tun hilft, was viele vorgeben zu tun, aber wenige wirklich verwirklichen. Nämlich über Bilder zu reflektieren und zumindest den Versuch zu unternehmen, der Überwältigung durch dieselben ein Nachdenken entgegenzustellen, das sich ein stück weit, wie eine Selbstermächtigung, aber auch wie eine gegenseitige Befragung anfühlt.

Ich muss zugeben, dass ich die verschiedenen Begleitausstellungen mit einer Ausnahme nicht entsprechend würdigen konnte, aber die Hauptausstellung allein hat sich schon gelohnt. Es ist ja nicht das erste Mal, dass mir die Künstlergruppe `darktaxa´ über den Weg läuft und ich habe ja auch schon darüber geschrieben. Hier in Regensburg waren einige Positionen zu sehen, die von Begleittexten erläutert und in einem Vortrag von Björn Siebert und Michael Reisch erklärt und in verschiedene Kategorien eingeordnet wurden. Geht man ohne Vorwissen in die Ausstellung, was ich gerne erstmal mache, ist man ob der ausgestellten Bilder und Objekte eher etwas irritiert und aus dem gewohnten Konzept gebracht.

Bedeutung  Fakt  Fake

Als Beispiel kann z.B. die Arbeit von Philipp Goldbach herangezogen werden. Es sind zwei Blöcke mit dicht gestapelten Diapositiven, die von oben oder von der Seite betrachtet aufgrund ihrer unterschiedlichen Farben (grau, schwarz und weiß) ein bisschen wie ein gigantischer Strichcode aussehen. Liest man, dass es sich dabei um die komplette Sammlung an kunsthistorischen Lichtbildern des `Kunstgeschichtlichen Instituts der Uni Bonn´ handelt und nimmt man den Titel “Lossless Kompression” dazu, steht man davor und wundert sich so viel komprimierte Geschichte auf relativ geringem Platz versammelt zu sehen. Das man sie nicht (mehr) lesen kann, spielt dann schon fast keine Rolle mehr.

Ganz zentral in der Ausstellung ist ein vollständig gelbes großformatiges Bild von Björn Siebert, das 2021 entstanden ist. Es zeigt (scheinbar) einen Raum (ein Büro?), das vollständig mit gelben `Post-It´-Zetteln vollgeklebt ist. Siebert hat das Amateur-Bild auf einer frühen Photo-Plattform gefunden, es aber nicht einfach verwendet, sondern vollständig in 3D nachgebaut und dann ganz klassisch mit einer Großformatkamera photographiert, wobei das Ziel ist, das ursprüngliche Bild möglichst genau zu `kopieren´. Hier haben wir also ein analoges Bild eines Modells eines digitalen Bildes gezeigt.

No, I don’t regret traveling to Regensburg. Despite six-hour train journeys that started with trains that simply didn’t run and ended with waiting times on cold platforms. The International Festival of Photographic Images, which was organized here by Andy Scholz and Martin Rosner, is indeed something special in that it shows images but at its core is a two-day symposium that actually helps to do something that many pretend to do but few actually realize. Namely, to reflect on images and at least attempt to counter the overwhelming nature of these images with a reflection that feels a bit like self-empowerment but also like a mutual questioning.

I have to admit that, with one exception, I was unable to appreciate the various accompanying exhibitions, but the main exhibition alone was worthwhile. It’s not the first time that I’ve come across the artist group ‘darktaxa’ and I’ve already written about them. Here in Regensburg, several positions were on display, which were explained by accompanying texts and categorized in a lecture by Björn Siebert and Michael Reisch. If you go into the exhibition without any prior knowledge, which I like to do at first, you tend to be somewhat confused by the pictures and objects on display and taken out of your usual concept.

Meaning  Fact  Fake

The work by Philipp Goldbach can be taken as an example. There are two blocks of densely stacked slides that look a bit like a gigantic barcode when viewed from above or from the side due to their different colours (gray, black and white). If you read that this is the complete collection of art-historical photographs from the ‘Art History Institute of the University of Bonn’ and add the title “Lossless Compression”, you stand in front of it and are surprised to see so much compressed history gathered together in a relatively small space. The fact that you can’t read it (anymore) is almost irrelevant.

At the very centre of the exhibition is an entirely yellow, large-format painting by Björn Siebert, which was created in 2021. It (apparently) shows a room (an office?) that is completely covered in yellow ‘Post-It’ notes. Siebert found the amateur image on an early photo platform, but did not simply use it, but recreated it completely in 3D and then photographed it classically with a large-format camera, the aim being to ‘copy’ the original image as accurately as possible. So here we have shown an analogue image of a model of a digital image.

Mensch-Maschine Interaktion

Achim Mohné aus Köln hat sich einer sogenannten parasitären Strategie bedient und in Google Earth Luftaufnahmen aus verschiedenen Perspektiven gesammelt, diese vermittels photogrammetrischer Verfahren in 3D-Modelle verwandelt und dann mit virtuellen Kamerafahrten durch das 3D -Modell der Regensburger Altstadt, den Besuchern ermöglicht, das Gebäude des Leeren Beutels, in dem die Ausstellung stattfindet, zugleich auch von außen zu umfliegen. Die Optik erinnert durch die komplexen Umwandlungen und die Eigenheiten des Ausgangsmaterials an eine Mischung aus Lebkuchenhäusern und einer halbfertigen Gaming-Welt. Man kann z.B. unter einer Brücke durchfliegen, sieht da aber nichts Bestimmtes, da die Luftaufnahmen natürlich nicht unter die Brücken schauen können.

Ebenfalls ein skulpturales Ergebnis eines komplexen Prozesses zeigt Spiros Hadjidjanos aus Berlin. Er reiste nach Athen und entdeckte da das Photo eines Tempels. Aus diesem Photo erstellte er mit einer 3D-Software ein Modell des Bildes, das er dann vermittels 3D-Druck als Objekt zeigt. Es handelt sich also um eine dreidimensionale Darstellung einer zweidimensionalen Darstellung eines dreidimensionalen Objekts. Das Ergebnis ist eher abstrakt, aber man erkennt ein Muster und mit dem Wissen um den Prozess, der dahintersteckt ist das hochinteressant.

Präsenz  Absenz  Existenz

Alex Grein stellt mit ihren Bildern Fragen an die Existenzweisen von `Dingen´ und deren Umgebung. Sie photographiert Miniaturgegenstände vor einer Innen-Architektur, die im Hintergrund auf ihren Smartphonescreen erscheint, sodass eine maßstabsgerechte, aber doch nicht stimmige `Realität´ entsteht (die Glaskanne steht schräg am Rande des Küchentisches, die Vase neben dem Regalbrett), die mehr Fragen aufwirft als Sie beantwortet. Was davon gibt es denn nun und wo und für wen und überhaupt, wozu soll das alles gut sein? Also Kunst!

Human-machine interaction

Achim Mohné from Cologne has used a so-called parasitic strategy and collected aerial photographs from various perspectives in Google Earth, transformed them into 3D models using photogrammetric methods and then, with virtual camera movements through the 3D model of Regensburg’s old town, enabled visitors to fly around the building of the `Leerer Beutel´, where the exhibition is taking place, from the outside as well. Due to the complex transformations and the peculiarities of the source material, the visuals are reminiscent of a mixture of gingerbread houses and a semi-finished gaming world. You can fly under a bridge, for example, but you can’t see anything specific because the aerial shots can’t see under the bridges, of course.

Spiros Hadjidjanos from Berlin also shows a sculptural result of a complex process. He traveled to Athens and discovered a photo of a temple. From this photo, he used 3D software to create a model of the image, which he then displayed as an object using 3D printing. It is therefore a three-dimensional representation of a two-dimensional representation of a three-dimensional object. The result is rather abstract, but you can recognize a pattern and with the knowledge of the process behind it, it is fascinating.

Presence  Absence  Existence

Alex Grein uses her pictures to pose questions about the existence of ‘things’ and their surroundings. She photographs miniature objects in front of an interior architecture that appears in the background on her smartphone screen, creating a true-to-scale but incongruous ‘reality’ (the glass jug stands at an angle on the edge of the kitchen table, the vase next to the shelf) that raises more questions than it answers. What is there and where and for whom, and what is it all good for? Art, then!

Wahrnehmung  Machine Vision  Human Vision

Wunderbar farbenfrohe Bilder von an synthetische Fasern erinnernden Strukturen zeigt David Young aus New York auf großen Archival Inkjet Prints. Erstaunt ist man, wenn man liest, wie er zu diesen Bildern kommt. Er geht ähnlich vor wie die bildgenerierende KI, nur gibt er ganz wenige Trainingsbilder ein, sodass das erste Ergebnis eher ein Rauschen als eine Bild zeigt. Aus diesem Ausgangsmaterial entwickelt er dann in mehreren Schritten seine Bilder, die ebenso bunt wie `strange´ sind. Er macht so eine nichtmenschliche Logik der Bildgenerierung für Menschen wahrnehmbar.

Heather Dewey-Hagborg aus New York hat etwas getan, was erst mal etwas verrückt anmutet, aber vor dem Hintergrund, dass es darktaxa im wesentliche darum geht, die unsichtbaren Prozesse hinter den unseren Alltag zunehmend bestimmenden Algorithmen durch Kunst sichtbar zu machen, wieder verständlich wird. In „How do you see me?“ erzeugt sie mit generativer Software schwarzweiße Muster, die aber von Gesichtserkennungssoftwares als ihr Portrait erkannt werden, obwohl für unsere menschlichen Augen nur unverständliche Muster über den Bildschirm flimmern. Da wirft natürlich auch die Frage auf, wie diese Prozesse, wenn man sie denn durchschaut, ausgetrickst werden können.

Perception  Machine Vision  Human Vision

David Young from New York shows wonderfully colourful images of structures reminiscent of synthetic fibres on large archival inkjet prints. It is astonishing to read how he arrives at these images. He proceeds in a similar way to the image-generating AI, only he enters very few training images so that the first result is more of a noise than an image. From this initial material, he then develops his images in several steps, which are as colourful as they are ‘strange’. In this way, he makes a non-human logic of image generation perceptible to people.

Heather Dewey-Hagborg from New York has done something that seems a little crazy at first, but becomes understandable again against the background that darktaxa is essentially concerned with making the invisible processes behind the algorithms that increasingly determine our everyday lives visible through art. In “How do you see me?”, she uses generative software to create black and white patterns that are recognized as her portrait by facial recognition software, even though only incomprehensible patterns flicker across the screen to our human eyes. Of course, this also raises the question of how these processes can be tricked if they are understood.

Autor:innenschaft (Mensch Apparat  Algorithmus)

Bei so komplexen Entstehungsprozessen tauchen natürlich Fragen der Autor:innenschaft auf, die über die üblichen Fragen bei `Appropriation Art´ oder `found footage´ hinausgehen, da hier maschinelle und algorithmische Vorgänge involviert sind. Gleich wenn man in die Ausstellung reinkommt, sieht man ein paar Bilder, die auf den ersten Blick (zumindest mich) an Längsschnitte großer bewohnter Röhrenknochen mit ihren Trabekelstrukturen erinnern. Die Bilder stammen (letztendlich) von Johannes Post, der ähnlich wie Boris Eldagsen sehr vielschichtig und mehrschrittig mit verschiedensten KI-Tools arbeitet, sodass am Ende die Frage, welcher Prozess das Bild hervorgebracht hat, doch irgendwie zugunsten des Menschen beantwortet werden muss, der diese ganzen Prozesse gesteuert hat.

Ähnlich wie Michael Reisch, aber mit ganz anderem Ergebnis arbeitet Anna Rider aus London mit KI-generierten Videos. Sie erstellt damit hier von Alexandre Dumas erträumte unmögliche Objekte, nämlich tiefschwarze Tulpen. Was der Gärtner nicht zufriedenstellend züchten kann, wird hier möglich und erscheint animiert auf dem Bildschirm. Man kann es als NFT kaufen und weiterverkaufen, aber die NFTs sind so programmiert, dass man sie nur auf der von ihr erstellten Website weiterverkaufen kann. Sie entziehen sich somit den profitorientierten Verwertungszusammenhängen.

Authorship (Human Apparatus Algorithm)

With such complex processes of creation, questions of authorship naturally arise that go beyond the usual questions of ‘appropriation art’ or ‘found footage’, as machine and algorithmic processes are involved here. As soon as you enter the exhibition, you see a few pictures that at first glance (at least to me) remind me of longitudinal sections of large inhabited tubular bones with their trabecular structures. The images were (ultimately) created by Johannes Post, who, like Boris Eldagsen, works in a very multi-layered and multi-step manner with a wide variety of AI tools, so that in the end the question of which process produced the image must somehow be answered in favor of the human being who controlled all these processes.

Similar to Michael Reisch but with a completely different result, Anna Rider from London works with AI-generated videos. She uses them to create impossible objects dreamed up by Alexandre Dumas, namely jet-black tulips. What the gardener cannot grow satisfactorily becomes possible here and appears animated on the screen. They can be bought and resold as NFTs, but the NFTs are programmed in such a way that they can only be resold on the website she created. They therefore escape the profit-oriented exploitation context.

Natürlich kann ich jetzt hier nicht alle beteiligten Künstler und Kunstwerke nennen und es sind ach nicht alle darktaxa-Künstler vertreten. Es fehlte z.B. Beate Gütschow, die ich auch schon in meinem Artikel über Photogrammmetrie erwähnt habe.

Wenn ihr nach Regensburg kommen könnt, dann lasst euch das nicht entgehen. Die Ausstellung kann noch bis zum 04.02.2024 in der städtischen Galerie im Leeren Beutel in Regensburg angeschaut und erlebt werden.

Of course, I can’t name all the artists and artworks involved here and not all darktaxa artists are represented. For example, Beate Gütschow, who I already mentioned in my article about photogrammetry, was missing.

If you can come to Regensburg, then don’t miss it. The exhibition can be viewed and experienced until February 4, 2024 in the municipal gallery in the `Leerer Beutel´ in Regensburg.

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