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Vor seiner Zeit / Before his Time

Es war reine Neugier, die mich bewegt hat, in Braunschweig einen Zwischenhalt einzulegen. Ich wollte endlich mal rausfinden, was es mit dem “Museum für Photographie” so auf sich hat. Und ja, Museum klingt ja schon irgendwie nach gestern und hier passt es auch, das Museum ist rechts und links der Museumsstraße in zwei Torhäusern untergebracht, die aus dem 19. Jahrhundert stammen. Damit residiert ein Verein von Photographen, der dieses Jahr sein 40. Jubiläum feiert, auch angemessen historisch. Aber so richtig historisch ist erst die Ausstellung, die darin zurzeit zu sehen ist. Marcel van Eeden  “Der heimliche Kaiser” Fotoarbeiten und Zeichnungen. Der Name des Künstlers war mir nicht geläufig, obwohl eine seiner Wirkungsstätten nicht weit von meinem Wohnort entfernt liegt.
Als ich von seinem Konzept las, kann mir ganz undeutlich eine Erinnerung. Ich muss davon schon mal gehört haben, aber ich vermute, dass ich das Konzept damals als Quatsch oder Manierismus abgetan habe. Dabei macht es Sinn, wenn man genau hinschaut. Marcel van Eeden beschäftigt sich in seinem Werk nämlich ausschließlich mit Bildern, die mit der Zeit vor seiner Geburt zu tun haben. Er sagt: „Ich interessiere mich für die einfache Tatsache, dass man Bilder in Form von Fotografien von Momenten sehen kann, in denen man (noch) nicht lebte. Seitdem sammle ich diese Fotos und zeichne sie.“

Die meist schwarzweißen, aber manchmal auch bunten Zeichnung, die er nach gefundenen Bildern anfertigte, werden in einer Art Comic-Strip aneinandergereiht. Davon sind drei Beispiele in Braunschweig zu sehen. Ein Comic über den Pressefotografen Oswald Sollmann im Nachgang des zweiten Weltkrieges, der unter dem Namen G. Kirchberg eine „Bibel der Pressephotographie” veröffentlicht haben soll. Die Story enthält viele Details über die Photographie dieser Zeit, das Verhältnis von Amateur- und Pressephotographen und ein paar spannende Sprünge, die für mich nicht immer nachvollziehbar waren,

It was pure curiosity that prompted me to make a stopover in Braunschweig. I finally wanted to find out what the “Museum of Photography”  is all about. And yes, museum does sound a bit like yesterday, and here it fits: the museum is housed to the right and left of Museumsstraße in two gatehouses dating back to the 19th century. This means that an association of photographers, which is celebrating its 40th anniversary this year, also resides in an appropriately historic location. But it is the exhibition currently on display that is truly historic. Marcel van Eeden “The Secret Emperor” photographic works and drawings. I was not familiar with the artist’s name, although one of his places of work is not far from where I live.

When I read about his concept, I vaguely remembered it. I must have heard of it before, but I suppose I dismissed the concept as nonsense or mannerism at the time. Yet it makes sense if you look closely. Marcel van Eeden’s work deals exclusively with images that have to do with the time before he was born. He says: “I am interested in the simple fact that you can see images in the form of photographs of moments when you were not (yet) alive. Since then, I’ve been collecting the photos and drawing them.”

The mostly black and white, but sometimes also colourful drawings that he made from found images are strung together in a kind of comic strip. Three examples of these can be seen in Braunschweig. A comic strip about the press photographer Oswald Sollmann in the aftermath of the Second World War, who is said to have published a “bible of press photography” under the name G. Kirchberg. The story contains many details about photography at that time, the relationship between amateur and press photographer and a few exciting jumps that I couldn’t always understand,

über den Funker Thomas Keller, der in Karlsruhe eine illegale Rundfunkstation betrieben haben soll.

about the radio operator Thomas Keller, who is said to have operated an illegal radio station in Karlsruhe

 und über einen Bauernaufstand im Jahre 1525.

 and about a peasant uprising in 1525.

Die aktuellen Werke verlassen das Gebiet der Arbeit mit `found footage´ aber nicht die Beschäftigung mit der Zeit vor seiner Geburt.  Van Eeden photographiert jetzt analog und mit historischen Linsen historische Plätze, viele davon in Braunschweig und bringt die so entstandenen Aufnahmen mit einem historischen Verfahren, nämlich dem Gummi-Druck zu Papier.

Die Arbeit “Der heimliche Kaiser” beschäftigt sich mittels dieser Bilder und mit sehr einprägsamen Texttafeln mit dem Einfluss des völkisch denkenden Antisemiten Julius Langbehn (1851 bis 1907) und dessen Einfluss auf die nationalsozialistische Jugend- und Bildungsarbeit. Dabei kommt so einiges über die (man entschuldige mir bitte den krummen Wortwitz) braune Vergangenheit von Braunschweig zu Tage. Die Texte sprechen für sich und die Bilder betonen in ihrer heftigen schwarz-weiß lastigen Düsternis die Botschaft. Man wünscht sich, das würden diejenigen hören, die schon wieder mit angestaubten Ideen nationaler Größe und rassischer Reinheit rumspielen. Aber ich fürchte es werden sich davon nur sehr wenige ins Photomuseum Braunschweig verirren.

The current works leave the field of working with ‘found footage’ but not the preoccupation with the time before his birth. Van Eeden now takes analog photographs of historical places, many of them in Braunschweig, using historical lenses and puts the resulting images on paper using a historical process, namely rubber printing.
The work “Der heimliche Kaiser” (The Secret Emperor) deals with the influence of the nationalist anti-Semite Julius Langbehn (1851 to 1907) and his influence on National Socialist youth and educational work by means of these images and very memorable text panels. This reveals a lot about Brunswick’s (if you’ll pardon the wry pun) brown past. The texts speak for themselves and the images emphasize the message in their stark black and white gloom. One wishes that those who are once again playing around with outdated ideas of national greatness and racial purity would listen to this. But I fear that very few of them will find their way to the Photomuseum Braunschweig.

Translated with the help of www.DeepL.com/Translator

3 Comments

  1. lustig 510

    Der Vergleich trifft punkt genau .
    Allerdings direkte Vergleiche zu verbieten hat nichts mit Basisdemokratie zu tun !!!!

  2. Gerda

    Danke mal wieder für deine ausgezeichneten, anregenden Blog-Beiträge. Übrigens ist mir der Kalauer „Braunschweig – wo man über seine braune Vergangenheit schweigt“ seit meinen Studienanfängen (1961) geläufig.
    Nicht einverstanden bin ich mit dem Vergleich des Antisemiten von damals mit den heutigen Rechtsaußen, die weder antisemitisch noch großdeutsch und kriegstreiberisch sind, sondern prosemitisch, prorussisch, basisdemokratisch und für Friedensverhandlungen. Man kann das gut oder schlecht finden, man kann das als Propaganda und Irreführung brandmarken…, jedenfalls verbieten sich die direkten Vergleiche.

    • Rolf Noe

      Ich wollte mit meinen Äußerungen niemandem zu nahe treten, was mir aber anscheinend trotzdem gelungen ist. Mir geht es gar nicht um die eine oder andere Ideologie. Ich halte sie alle für schädlich in dem Sinne, dass sie über kurz oder lang Leiden erzeugen. Das lehrt die Geschichte. Und wenn mir etwas wichtig ist, dann ist es der allgemeinen Geschichtsvergessenheit ein wenig etwas entgegenzusetzen, damit die gleichen Fehler nicht immer wieder gemacht werden. Relativ aussichtslos, aber ich stelle mir Sisyphus, wie schon die Existentialisten, glücklich vor.
      Und ja, für Frieden bin ich auch…

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