Menu Close

Urbane Räume / Urban Spaces

Diese Ausstellung habe ich nun schon seit dem Herbst auf dem Zettel, aber es hat einfach nicht geklappt. Da kam es mir entgegen, dass die Ausstellung bis in den Januar verlängert wurde und dass ich an Silvester sowieso nach Ulm fahren musste. Ich habe mich noch nie näher mit Peter Bialobrzeski beschäftigt, auch wenn ich so einiges am Rande aufgeschnappt habe. Ich gehe gern unvoreingenommen in Ausstellung und das Stadthaus Ulm  ist ein urbaner Raum, der mit seiner Aufgeräumtheit einen guten Rahmen für Bialobrzeskis Städtechaos zur Verfügung stellt.

Anfangs fragte ich mich, ob es Zufall oder Absicht ist, dass die Bilder nicht individuell betitelt sind. Um zu wissen, welche Städte zu sehen sind, muss man sich ein Heftchen mit laminierten Seiten mitnehmen, in dem die Bilder zusammen mit den Städtenamen hinterlegt sind. Aber im Verlauf wird mir klar, dass die Titel der Serien viel besser durch die Ausstellung führen als die Städtenamen. Es geht los mit den `City Diaries´, das sind Städteansichten aus so unterschiedlichen Städten wie Dhaka, Wuhan, Linz, Minsk, Budapest, Kochi, Taipei, Bangkok usw. Es ist ein Dauerprojekt des Künstlers und, soweit ich es mitbekommen habe, gibt es inzwischen 20 Bücher dieses Titels, die sich immer mit einer Stadt beschäftigen. Einige sind allerdings schon ausverkauft.

Hier in der Ausstellung sind die Städte durcheinandergewürfelt. Aber das funktioniert auch ganz gut und wer neugierig ist, kann ja immer nachschauen, wo das Bild gemacht wurde. Zusammengehalten wird die Serie von der Grundidee in den Städten Ecken zu photographieren, die gleichzeitig individuell, aber doch auch typisch für die Stadt sind, gemieden werden Landmarken und Sehenswürdigkeiten. Aber davon gibt es ja auch schon genug Bilder.

I’ve had this exhibition on my mind since the fall, but it just didn’t work out. It was convenient for me that the exhibition was extended until January and that I had to go to Ulm on New Year’s Eve anyway. I’ve never had a closer look at Peter Bialobrzeski, even though I’ve picked up a few things in passing. I like to go to exhibitions with an open mind, and the Stadthaus Ulm is an urban space whose tidiness provides a good setting for Bialobrzeski’s urban chaos.

Initially, I wondered if it was coincidence or intentional that the images were not individually titled. To know which cities you see, you have to take a booklet with laminated pages in which the pictures are depicted together with the city names. But in the course I realize that the titles of the series lead much better through the exhibition than the city names. It starts with the ‘City Diaries’ which are city views from cities as diverse as Dhaka, Wuhan, Linz, Minsk, Budapest, Kochi, Taipei, Bangkok etc.  It is an ongoing project of the artist and, as far as I can tell, there are now 20 books of this title, always dealing with one city. Some of them are already sold out.

Here in the exhibition, the cities are jumbled up. But that also works quite well and, who is curious, can always look up where the picture was taken. The series is held together by the basic idea of photographing corners in the cities, which are at the same time individual, but also typical for the city, touristic sites and landmarks are avoided. But there are anyway already enough of these pictures.

Im weiteren Verlauf gruppieren sich die Serien mehr inhaltlich. Neben zwei  Bilder aus der Serie  `Neon Tigers´ (die auch schon in der LAIF-Retrospektive in Köln  zu sehen waren, und 2023 in Ulm zu sehen sein wird!) sind unter dem Titel `Case Study Homes´  kleinformatige Portraits von improvisierten Hütten in Manila zu sehen. Das Thema der improvisierten Behausungen setzt sich in der Serie `Informal Arrangements´ fort, die in Kliptown/Soweto photographiert wurde. Besonders spannend hier die Bildelemente, die dadurch zustande kommen, dass Werbetafeln als Außenfassade oder innen Illustriertenseiten als Tapete verwendet wurden. In der Serie `Nail Houses´, die in Shanghai aufgenommen wurde, sehen wir auch windschiefe zusammengeschusterte Behausungen, hier aber kontrastiert zu straighten Plattenbauten im Hintergrund.

In the further course, the series are grouped more in terms of content. In addition to two images from the series ‘Neon Tigers’ (which were also shown in the LAIF retrospective in Cologne https://photo-philosophy.net/laif-shows-live-koln/, and will be shown in Ulm in 2023!), small-format portraits of improvised huts in Manila are shown under the title ‘Case Study Homes’. The theme of improvised dwellings continues in the series ‘Informal Arrangements’, photographed in Kliptown/Soweto. Particularly exciting here are the pictorial elements created by using billboards as exterior facades or inside magazine pages as wallpaper. In the series ‘Nail Houses’, which was photographed in Shanghai, we also see warped dwellings cobbled together, but here contrasted with straight prefabricated buildings in the background.

.

Einigen vielleicht aus dem gleichnamigen Buch bekannt, könnte die Serie `No Buddha in Suburbia´ sein. Sie zeigt das Leben und damit auch das Chaos am Fuße von stoisch aufragenden Betonbauten, wie sie sich inzwischen in Vororten rund um die Welt finden lassen. Die Serie ist in Mumbai entstanden.

In der Serie `The Raw and the Cooked´ verweigert uns die Ausstellung schließlich die Zuordnug komplett. Es seien Bilder aus Manila, Jakarta, Hanoi, Shezhen, Shanghai und Kuala Lumpur. Der Titel lehnt sich an ein legendäres Buch von Claude Levi-Strauss  an und versucht so die photographische Arbeit als quasi ethnologisch erscheinen zu lassen. Und letztlich ist da ja auch was dran. Natürlich ist der Anspruch ein künstlerischer, aber wie ich, glaube ich, mit der Aufzählung der Serien gezeigt habe, folgt diese Arbeit einem Konzept, das natürlich auch dokumentarisch zu verwerten ist. Schließlich findet 90% der Photographie erstens in anderen, touristisch interessanteren Städten und zweitens an andern, sehenswerteren (?) Orten statt.

Mein persönlicher Eindruck war, dass es unter der Vielzahl von Bildern, die schon so sind, dass man einen persönlichen Stil darin sehen kann, ein paar wenige gab, die wirklich hervorragten. Diese sind dann wohl die glücklichen Treffer, die selbst einer hochrangigen Ausstellung noch ein Plus hinzufügen können. Eines dieser Bilder gleich hier.

Some may be familiar with the series ‘No Buddha in Suburbia’ from the book of the same name. It shows the life and thus also the chaos at the foot of stoically towering concrete buildings, as they can be found in the meantime in suburbs around the world. The series was shot in Mumbai.

In the series ‘The Raw and the Cooked’, the exhibition finally denies us the attribution completely. There are pictures from Manila, Jakarrta, Hanoi, Shezhen, Shanghai and Kuala Lumpur. The title is based on a legendary book by Claude Levi-Strauss and thus attempts to make the photographic work appear quasi-ethnological. And in the end there is something to it. Of course, the claim is an artistic one, but as I think I have shown with the enumeration of the series, this work follows a concept, which of course can also be used as a documentary. After all, 90% of the photography takes place, firstly, in other cities that are more interesting for tourists, and secondly, in other places that are more worth seeing (?).

My personal impression was that among the multitude of pictures, which are already such that one can see a personal style in them, there were a few that really stood out. These are then probably the lucky hits that can add a plus even to a high ranking exhibition. One of these images below here.

.

Damit aber noch nicht genug. Im obersten Stockwerk des Stadthauses, wo man aus dem Dachfenster das Ulmer Münster sehen kann, hängt noch eine große Serie mit Bildern aus dem doch etwas aufgeräumteren Deutschland der 2010er Jahre.  Der Titel `Die zweite Heimat´ sei eine „Erforschung der sozialen Oberfläche Deutschlands“, so Bialobrzeski über die Serie. Also doch Ethnologie, aber Ethnologie der Heimat und wie bei Photographie nicht anders zu erwarten, ohne die Fähigkeit hinter die Fassade zu blicken. Ein oberflächlicher Blick, der aber in einer Ausstellung alles andere als oberflächlich bleibt, denn der Betrachter kann ja mutmaßen, was da so alles dahinter steckt.

But that’s not all. On the top floor of the Stadthaus, where you can see Ulm Cathedral from the roof windows, hangs another large series of images from the somewhat tidier Germany of the 2010s.  The title ‘Die zweite Heimat’ (The Second Home) is an “exploration of the social surface of Germany,” Bialobrzeski says of the series. Ethnology after all, but ethnology of the homeland and, as is to be expected with photography, without the ability to look behind the facade. A superficial view, but one that remains anything but superficial in an exhibition, because the viewer can speculate about what lies behind it all.

3 Comments

    • Rolf Noe

      Jaaaa, das ist wahrscheinlich das Romantischste und hat mir vielleicht deswegen so gut gefallen. Die meisten sind viel nüchterner, zum Teil ernüchternd, aber immer fernab von allem, was Otto Normnalknipser so in einer Stadt mitnehmen würde.

Leave a Comment / Schreib einen Kommentar

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.