Die Gründe, warum ich dieses Buch jetzt dann doch bespreche, liegen etwa zehn Jahre zurück. Christian Popkes, der damals noch den Schömberger Fotoherbst mit-kuratiert hat, hatte zu einer Portfolio-Review geladen und ich war in meiner Begeisterung und Naivität mit einer bunten Mischung meine damaligen Produkte aufgetaucht. Die Rückmeldung war durchmischt, wie es auch nicht anders zu erwarten war, aber woran ich mich noch sehr gut erinnere, war der Rat, den er mir gab und der im Nachhinein letztlich nichts anderes zu bedeuten hatte, als dass ich noch viel zu lernen habe. Er sagte, meine Bilder würden ihn an Harald Mante erinnern und ich solle doch mal anschauen, was der Mann so mache. Das habe ich dann auch getan, aber ich habe es nie geschafft mal einen Workshop oder eine Master-Class bei ihm zu besuchen.
Nun habe ich mir als “Lohn” für meine letzte Rezeption eines d-punkt-buches die vierte und völlig neu bebilderte Auflage von Mantes Standardwerk “Das Foto” gewünscht. Auch dieses Buch lag eine Weile rum, nicht weil es nicht interessant ist, sondern weil auch einiges anderes dringlicher war. Ich habe es nun zur Hand genommen und vieles wiederentdeckt, was ich an anderer Stelle schon gelesen oder auch selbst für mich rausgefunden habe. Es ist ein wirklich grundlegendes Werk, illustriert mit schönen bis erstaunlichen sehr farbigen Bildern. Ein Strang des Buches beschäftigt sich mit der Kompositionslehre. Von Punkt(en) zu Linie(n) und Fläche(n). Und vor allem bei der Fläche entfaltet sich die Stärke dieses Lehrbuches. Nämlich die Farbenlehre.
The reasons why I am reviewing this book now lie about ten years ago. Christian Popkes, who co-curated the Schömberger Fotoherbst at the time, had invited me to a portfolio review and in my enthusiasm and naivety I showed up with a colourful mix of my products at the time. The feedback was mixed, as was to be expected, but what I remember very well was the advice he gave me, which in retrospect ultimately meant nothing other than that I still had a lot to learn. He said that my pictures reminded him of Harald Mante and that I should have a look at what he does. I did, but I never managed to attend a workshop or a master class with him.
Now, as a “reward” for my last reception of a d-punkt book, I wished for the fourth and completely newly illustrated edition of Mante’s standard work “Das Foto”. This book has also been lying around for a while, not because it is not interesting, but because some other things were more urgent. I’ve now picked it up and rediscovered a lot of things that I’ve already read elsewhere or found out for myself. It is a really fundamental work, illustrated with beautiful to amazing, very colourful pictures. One section of the book deals with the theory of composition. From point(s) to line(s) and surface(s). And the strength of this textbook unfolds above all in the area. Namely, the theory of color.
Mante der bei Vincent Weber einem Bauhaus-Schüler von Johannes Itten gelernt hat und dessen Bibeln “Von Punkt und Linie zu Fläche“ von Kandinsky und “Kunst der Farbe” von Johannes Itten waren, zeigt beim Thema Farben erst richtig, was man von ihm alles lernen kann. Wie er systematisch die verschiedenen Formen und ihre Wirkung durchdekliniert, ist faszinierend. Er geht aber auch die ganze Palette an Farbkontrasten durch und analysiert ihre Wirkung auf den Betrachter. Linear oder coloristisch, Farbtonkontraste, hell/dunkel-Kontraste, Komplementärfarben, Qualitätskontrast, kalt/warm-Kontrast und, und, und. Es lohnt sich die Beschäftigung damit. Was er mir tatsächlich nochmal ganz eindringlich vor Augen geführt hat, ist der Unterschied zwischen Farbwirklichkeit (physikalisch) und Farbwirkung (psychologisch). Es ist erstaunlich, wie sich die Wirkung eine Farbe ändert, wenn sich ihre Umgebung ändert. Wir können die Farben also nur in Relation zu ihrer Umgebung wahrnehmen. Umso wichtiger sind die von Mante herausgearbeitete Kontraste, weil Sie helfen Formen und Farben besser von ihrer Umgebung abzuheben.
Mante, who studied with Vincent Weber, a Bauhaus student of Johannes Itten, and whose bibles were “From Point and Line to Surface” by Kandinsky and “Art of Color” by Johannes Itten, really shows what you can learn from him when it comes to colours. The way he systematically explains the various forms and their effects is fascinating. But he also goes through the whole palette of colour contrasts and analyses their effect on the viewer. Linear or colouristic, hue contrasts, light/dark contrasts, complementary colours, quality contrast, cold/warm contrast and, and, and. It’s well worth studying. What he really brought home to me once again is the difference between colour reality (physical) and colour effect (psychological). It is amazing how the effect of a colour changes when its surroundings change. We can only perceive colours in relation to their surroundings. This makes Mante’s contrasts all the more important, because they help shapes and colours to stand out better from their surroundings.
Hatte ich in meinem Artikel über Goethes Farbenlehre noch versucht, die Theorie der Farben zu beleuchten, geht es hier um die Praxis der Farbgebung, um eine umfassende Anwendung der Überlegung von Johannes Itten auf die Photographie.
Eine Frage, die ich mir wirklich nicht gut beantworten kann und die durch solche Bücher aber immer wieder angestoßen wird ist, ob man photographieren wirklich so lernen kann? Meine vorläufige Antwort lautet „Nein, aber man kann über die Beschäftigung mit diesen Themen besser Sehen lernen und besseres Sehen führt dann (hoffentlich) auch zur besseren Photographieren”.
Whereas in my article on Goethe’s Theory of Colour I tried to shed light on the theory of colour, this article is about the practice of colour, about a comprehensive application of Johannes Itten’s ideas to photography.
One question that I really can’t answer very well, but which is always prompted by such books, is whether you can really learn photography in this way? My provisional answer is “No, but you can learn to see better by dealing with these topics, and better seeing then (hopefully) also leads to better photography”.
Eine Hommage an Josef Albers und das Quadrat:
https://jurgenostarhild.eu/archive/the-human-element
Oha, das sind mal krasse Farbenkombis, puhhh.
Aber ein cooles Konzept.
Oh, mein Mante steht schon endlos lange im Regal, ich sollte ihn mal wieder herausnehmen, Vielen Dank für deine Erinnerung!
Als Jahresauftakt ist so ein Grundlagenbeitrag echt klasse. Dem Bauhaus verdanken wir in puncto Sehenlernen wirklich viel. Vielleicht gehört noch Josef Albers in die Reihe dieser Lehrer? Bei ihm bin ich zuerst in die Lehre gegangen, was Farbwirkung in Abhängigkeit von Umgebung betrifft.
Vielen Dank für die Ergänzung. Das hat mich doch gleich auf ein weiteres Buch aufmerksam gemacht.
https://www.artbooksonline.eu/art-58664
Als ob mein Bücherstapel nicht schon hoch genug wäre 🙂