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SubReal

Leider konnte ich nicht zur Vernissage, aber ich war froh, dass ich noch rechtzeitig nach Köln gekommen bin, um mir die neueste Serie von Andreas Helweg anzuschauen, die in der `Galerie daneben´ ausgestellt ist. Eigentlich wollten wir uns die Serie mit Andreas zusammen anschauen und uns darüber austauschen, aber das wurde nichts. Andreas war krank. Ich habe ihn deswegen gebeten, mir ein paar Zeilen zu den Bildern zu schreiben und zu schicken, die ich hier ungekürzt wiedergebe:

1. Nacht wie Tag. Seit ich digital fotografiere, also seit zwanzig Jahren, bin ich von Nachtaufnahmen noch mehr fasziniert als schon zu Filmzeiten. Eines Tages nahm ich bei Vollmond als Langzeitbelichtung eine schneebedeckte Wiese auf und stellte verwundert fest, dass die Aufnahme mehr nach Tag als Nacht aussah, besonders der strahlend blaue Himmel. Im Laufe der Zeit entwickelte ich diesen Effekt zum Konzept weiter und versuchte immer weiter, die Nacht zum Tag zu machen.

2. Das Auge und die Kamera. Auge und Kamera ähneln sich in mancherlei Hinsicht, es gibt aber einen extrem wichtigen Unterschied: Das Auge hat praktisch eine feststehende Belichtungszeit, von der es nicht abweichen kann. Die Kamera kann so lange belichten, wie sie möchte. Sie sammelt Licht wie ein Eimer Wassertröpfchen; auch wenn es langsam geht, ist der Eimer irgendwann voll. Auf diesem Unterschied beruhen praktisch alle Formen des Lichtmalens.

3. Künstlerisch, dokumentarisch. Neues Sehen, Neue Sachlichkeit. Fiktiv, nonfiktiv. Surrealistisch, realistisch. Nicht immer funktioniert es, sich in solche Gegensätze einzuordnen. Obwohl ich durchaus mit neusachlichem Besteck und realistischem Anspruch ans Fotografieren ging, entstanden immer öfter Bilder, die mit der wahrgenommenen Wirklichkeit nichts zu tun zu haben schienen. Und das, obwohl es mir, anders als in anderen Projekten, gar nicht darum ging, Fiktionen zu erzeugen.

4. SubReal! Surreal, surmoi, Überich; real, moi, Ich; subconsient, unterbewusst, sub… real. Indem ich mich von der Dichotomie löste und mich am Aufbau der menschlichen Psyche orientierte, fand ich den fotografischen Ort, an dem ich mich so lange schon getummelt hatte. Nun passte alles zusammen. Mit dem Subrealen erkunde ich die Welt auf eine Weise, wie sie von uns nicht direkt wahrzunehmen ist. Dabei geht es nicht um das Aktuelle, Akute, sondern eher um die Permanenz, das Dauerhafte, das Immer-da-sein.

Das Ausgangskonzept „Nacht wie Tag“, an dem ich mich orientiert hatte, bekam durch diese Klarheit einen inhaltlichen Schub, den ich nicht erwartet hatte, kaum hatte ich ein neues Foto erstellt, wusste ich, womit ich es ergänzen oder ihm widersprechen musste. Was ursprünglich als kleine Serie angedacht war, wuchs und gedieh, bis mir klar wurde, dass der Rahmen längst gesprengt war. Es war dann eine große Erleichterung, als ich entschied, tatsächlich das Buch zu machen, an dem ich längst arbeitete.

Das gab mir die Möglichkeit, alle Fotos zu machen, die mir einfielen, bis sich der Kreis geschlossen hatte. Von Anfang an war mir klar gewesen, dass es ein „neotopografisches“ Thema werden würde, ich wollte die Welt zeigen, die wir aus der Welt gemacht hatten, um unser Leben zu erhalten. Und immer begleitete mich als Zweitthema die These: Alles ist mit allem verbunden. Nicht mit diesem verschwörerischen Unterton, wie es heute üblich ist, sondern es ging um physische Verbindung: Wie in großem Stil produziert wird und wie das Produzierte transportiert wird, durch Kabel, über Flüsse, Straßen und durch die Luft oder durch Kanäle (nicht das Produkt, aber die Abfallstoffe).

Und je länger ich daran arbeitete, desto mehr empfand ich unsere Welt als Organismus mit Eigenleben, als Unterbewusstsein unserer Existenz, das wir im normalen Alltag nicht wahrnehmen.

Die Ausstellung „SubReal!“ ist noch bis zum 3. Dezember in der Galerie daneben  zu sehen. Zur Ausstellung ist ein Katalog mit 47 Fotografien als nummerierte und signierte 15-er Edition erschienen, Format 21 x 29,7cm. 45,- Euro, erhältlich über foto@andreas-helweg.de

Unfortunately I couldn’t make it to the vernissage, but I was glad that I got to Cologne in time to see the latest series by Andreas Helweg, which is exhibited in the ‘Galerie daneben’. Actually, I wanted to look at the series together with Andreas and talk about it, but that didn’t happen. Andreas was ill. I therefore asked him to write and send me a few lines about the pictures, which I reproduce here in unabridged form:

1. Night as day. Since I have been taking digital photographs, i.e. for twenty years now, I have been even more fascinated by night photography than I was in my film days. One day I took a long exposure of a snow-covered meadow under a full moon and was surprised to discover that the shot looked more like day than night, especially the bright blue sky. Over time, I developed this effect into a concept and kept trying to turn night into day.

2. The eye and the camera. The eye and the camera are similar in some ways, but there is one extremely important difference: the eye has virtually a fixed exposure time from which it cannot deviate. The camera can expose as long as it wants. It collects light like a bucket of water droplets; even if it goes slowly, the bucket will eventually be full. Virtually all forms of light painting are based on this difference.

3. Artistic, documentary. New vision, new objectivity. Fictional, non-fictional. Surrealistic, realistic. It does not always work to fit into such opposites. Although I approached my photography with a new-objective approach and realistic demands, more and more often I took pictures that seemed to have nothing to do with the perceived reality. And this despite the fact that, unlike in other projects, my aim was not to create fictions.

4. SubReal! Surreal, surmoi, superego; real, moi, I; subconsient, subconscious, sub… real. By breaking away from the dichotomy and taking my cue from the structure of the human psyche, I found the photographic place where I had been cavorting for so long. Now everything fit together. With the subreal, I explore the world in a way that we cannot perceive directly. It is not about the current, the acute, but rather about permanence, the lasting, the always being-there.

The initial concept “Night as Day”, which I had oriented myself on, got a boost in terms of content through this clarity, which I had not expected, as soon as I had created a new photo, I knew what I had to complement it with or contradict it with. What was originally intended as a small series grew and flourished until I realised that the frame had long since been blown up. It was then a great relief when I decided to actually do the book I had long been working on.

This gave me the opportunity to take all the photos I could think of until the circle was complete. It had been clear to me from the beginning that it was going to be a “neotopographic” theme, I wanted to show the world we had made of the world to sustain our lives. And always accompanying me as a secondary theme was the thesis: everything is connected to everything. Not with this conspiratorial undertone, as is common today, but it was about physical connection: How large-scale production takes place and how what is produced is transported, through cables, over rivers, roads and through the air or through canals (not the product, but the waste materials).

And the longer I worked on it, the more I felt our world as an organism with a life of its own, as a subconscious of our existence that we do not perceive in normal everyday life.

The exhibition “SubReal!” can be seen until 3 December at the Galerie daneben. The exhibition is accompanied by a catalogue with 47 photographs as a numbered and signed edition of 15, format 21 x 29,7cm. 45,- Euro, available via foto@andreas-helweg.de

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15 Comments

  1. Horst Hirning

    Die Thematik, die Andreas Helweg hier bearbeitet, ist es wirklich wert, dass man sich mit ihr befasst. Immer wieder setze ich mich selbst damit auseinander. Doch beim Betrachten seiner Werke habe ich mich mitunter schon gefragt, was alles als Fotokunst durchgeht.

    • Rolf Noe

      Es ist richtig, dass inzwischen jeder der eine Kamera auf ein Stativ schnallen kann in der Lage ist Nachaufnahmen zu machen. Was an den Nachtaufnahmen von Andreas bemerkenswert ist, merkt man erst wenn man sich umschaut und sieht dass 95% der Nachtaufnahmen im Netz Naturphanene zum Thema habe während bei diesen Bildern der Fokus auf den Kulturlandschaften liegt, die wir Menschen ohne ästhetische Absicht so produzieren.

    • Andreas

      Danke fürs Feedback. Das Wort “Kunst” meine ich keinesfalls als Qualitätsprädikat, sondern eher als Form einer subjektiveren Herangehensweise im Vergleich zu Reportage, Dokumentation und strengem Realismus. Wenn es um Literatur ginge, wäre ich auf der Seite der Belletristik, nicht der Sachbücher. Und da vermutlich eher in der halbexperimentellen Fraktion.

      • kopfundgestalt

        “Kunst” hat ein Geschmäckle. Ich mag eher das Wort “Spiel” (für meine Sachen), auch wenn das nicht optimal ist..
        Mich hat mal ein Schüler von Beuys gerockt, weil er für sich das Wort “Künstler” ablehnte.

        • Andreas

          Im Grunde gilt das Gleiche für Kombinationen von Fotografie und Kunst. “Fotokunst” wird von manchen Fotografen, die Fotografie als “reine Fotografie” umgesetzt sehen wollen, als Provokation aufgefasst. Für mich bedeutet der Begriff aber eben auch spielerisch verspielte Freiheit.

          Und Beuys! Sicherlich einer derjenigen, der dafür verantwortlich ist, dass sich Horst beim Betrachten meiner Werke fragt, was alles als Fotokunst durchgeht 😉

      • Horst Hirning

        Hallo Andreas,
        herzlichen Dank für Dein sehr ausführliches Eingehen auf meinen Post und auch dafür, dass Du es nicht persönlich aufgefasst hast. Eigentlich zeigt meine Rückmeldung eher mein Problem auf, das ich mit dem Begriff “Kunst” grundsätzlich habe. Dieser Begriff erscheint mir in der heutigen Zeit oft als abgenutzt, weil inflationär benutzt. Ich habe mich deshalb auf die Position zurückgezogen, dass Kunst das ist, was andere dafür halten.
        Nochmals herzlichen Dank für Deine Rückmeldung und weiterhin viel Erfolg mit Deiner Arbeit Horst
        Falls Du Interesse hast, unter den nachfolgenden Links findest Du Beiträge von mir mit verwandter Thematik.
        https://guckloch.org/2022/02/27/solidaritat-erfordert-handeln/
        https://guckloch.org/2021/11/12/kleines-ratespiel/
        https://guckloch.org/2021/04/26/unerwartete-asthetik/
        https://guckloch.org/2021/10/16/tristesse/

        • Andreas

          Danke für die Links. Verstehe deinen Einwurf über die Fraglichkeit meiner Arbeiten als “Fotokunst” jetzt besser.

          Ich bin ehrlich gesagt sehr glücklich, dass meine Sachen in der hiesigen Kunstszene als Fotokunst durchgehen, weil ich mich dort inhaltlich mindestens genauso heimisch fühle wie in der Fotografenszene, wenn nicht mehr. In einer großen Stadt wie Köln ist das natürlich immer irgendwie ausschnitthaft und nicht repräsentativ.

          Es gibt zudem ganz pragmatische Gründe, als Fotokünstler zu firmieren und nicht als Fotograf, was Finanzamt, Gewerbe, KSK, Handwerkskammer etc. angeht. Ich halte mich an die vorgegebenen Regeln und bezeichne das, was ich mache, eben auch entsprechend, damit es da keine Missverständnisse gibt.

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