Menu Close

Not Dark Yet

Wie das sich manchmal so ergibt, konnte ich nach einem intensiven Arbeitswochenende in Basel eine Führung durch die Ausstellung “Not Dark Yet” mit Bildern von Jürg Ramseier im Bellevue in Basel beiwohnen. Ich war sogar eine Viertelstunde früher da und konnte vorher einen ungefähren Blick in die Ausstellung werfen. Augenfällig war sofort die immense Diversität der ausgestellten Bilder. Serien in Schwarz-Weiß konventionell gerahmt, eine Reihe von vergrößerten Polaroids, große rahmenlose Prints, ein Diptychon, ein Triptychon, ein bewegtes Bild (kurzes Video) auf einem Monitor und kleinere Farbaufnahmen, die einträchtig und scheinbar ungeordnet eine Wand bevölkerten. In der Führung erklärte Jürg Ramseyer (Geb. 1954) seine intuitive und assoziative Herangehensweise bei der Zusammenstellung der Ausstellung und dem Platzieren seiner Bilder im Raum. Ausgehend von einer aktuellen Arbeit, einem asymmetrischen Triptychon in satten spätabendlichen Blautönen, hat er seine Bilder nach Äquivalenten durchsucht, die ebenfalls diese Stimmung der blauen Stunde, in der es nicht mehr hell, aber auch noch nicht dunkel ist, für ihn repräsentierten. Ein Stück weit entspricht das auch der biographischen Situation, in der man nicht mehr voll in den sozialen Bindungen steckt, aber auch noch nicht ganz zum alten Eisen gehört.

Die Zuhörer der Führung konnten so die unterschwelligen, zum Teil nur in der Wahrnehmung des Photographen begründeten Zusammenhänge nachvollziehen und bei der Entstehung der Ausstellung mit ihrem Verständnis beteiligt sein. Nicht nur die Zusammenhänge zwischen Einzelbildern, sondern auch die Frage, wie Bildserien miteinander kommunizieren, wenn sie auf den Raum verteilt werden, wurde so nachvollziehbar. Inhaltlich lassen sich die Bilder und Serien nämlich kaum zusammenbringen. Zwei Abendbilder aus Marseille, verwaschene Polaroids mit verschiedenen Motiven, eine Serie über einen mit dem Autor bekannten gehörlosen Jungen, ein Bild aus den Bergen, Bilder aus dem noch nicht befriedeten Belfast der mittleren 90er Jahre, Bilder von einem Badesee und eine Reihe von Portraits eines in Betrachtung versunkenen Mannes.

In einem kurzen Gespräch nach der Führung sagte mir der Künstler, dass er, wenn er Bilder miteinander in Beziehung setzt, sei es als Serie, sei es in einer Hängung (wie z.B. in dieser Ausstellung) wenig mit konzeptionellen oder thematischen Sortierungen anfangen kann, sondern den persönlichen, ästhetischen und intuitiven Zusammenhang als Kriterium seiner Zusammenstellung nimmt. Spannend finde ich, dass, sieht man sich die Wege `weg vom Einzelbild´ an, diese vom Eindruck der Bilder gesteuerte und nicht in thematischen oder konzeptionellen Zusammenhängen begründete `In-Beziehung-Setzung´ durchaus ein legitimer Weg ist, sich in Bildern auszudrücken. Diese oft sogar unbewussten Zusammenhänge geben, so habe ich das erlebt, dem Betrachter die Freiheit, seine eigenen Assoziationen spielen zu lassen und Zusammenhänge zu entdecken, die möglicherweise noch nicht mal dem Photographen bewusst waren, obwohl er sich intensiv mit der Zusammenstellung der Ausstellung befasst hat. So fiel mir auf die Frage einer Ausstellungsbesucherin nach dem Zusammenhang des Portrait-Konglomerats mit dem Thema der `blauen Stunde´ auf, dass der in den Bildern portraitierte Partner des Künstlers in fast allen Bildern einen blauen Hut trug, während der Photograph die Verbindung eher in der meditativen Stimmung sah, in der der Portraitierte sich auf den Bildern zu befinden scheint.

Die Ausstellung ist leider nur noch bis zum 11.12.22 zu besichtigen. Wer den ruhigen Genuss und nicht die Sensationen sucht, dem sei sie empfohlen.

As it sometimes happens, after an intensive working weekend in Basel, I was able to attend a guided tour of the exhibition “Not Dark Yet” with pictures by Jürg Ramseier at the Bellevue in Basel. I was even there a quarter of an hour early and was able to get an approximate glimpse of the exhibition beforehand. The immense diversity of the pictures on display was immediately striking. Series in black and white conventionally framed, a series of enlarged Polaroids, large frameless prints, a diptych, a triptych, a moving image (short video) on a monitor and smaller colour photographs that populated a wall in unison and seemingly disorderly. During the guided tour, Jürg Ramseyer (born 1954) explained his intuitive and associative approach to putting together the exhibition and placing his pictures in the space. Starting with a recent work, an asymmetrical triptych in rich late-evening blue tones, he searched his paintings for equivalents that also represented for him this mood of the blue hour, when it is no longer light but not yet dark. To a certain extent, this also corresponds to the biographical situation in which one is no longer fully in the social bonds but is not quite `out of date´ either.

The audience of the guided tour was thus able to understand the subliminal connections, some of which were only based in the photographer’s perception, and to participate in the creation of the exhibition with their understanding. Not only the connections between individual pictures, but also the question of how series of pictures communicate with each other when they are distributed over the space, became comprehensible. In terms of content, the pictures and series can hardly be brought together. Two evening pictures from Marseille, washed-out Polaroids with different motifs, a series about a deaf boy known to the author, a picture from the mountains, pictures from the not yet pacified Belfast of the mid-90s, pictures of a bathing lake and a series of portraits of a man lost in contemplation.

In a brief conversation after the tour, the artist told me that when he relates images to each other, either as a series or in a hanging (such as in this exhibition), he does not do much with conceptual or thematic sorting, but takes the personal, aesthetic and intuitive context as the criterion of his arrangement. What I find exciting is that, if one looks at the ways ‘away from the individual picture’, this ‘setting in relation’, which is controlled by the impression of the pictures and not based on thematic or conceptual contexts, is quite a legitimate way of expressing oneself in pictures. These often even unconscious connections, as I have experienced it, give the viewer the freedom to let his or her own associations play and to discover connections that perhaps even the photographer was not aware of, even though he or she was intensively involved in putting the exhibition together. For example, when an exhibition visitor asked about the connection between the portrait conglomerate and the theme of the ‘blue hour’, I noticed that the artist’s partner portrayed in the pictures wore a blue hat in almost all of them, while the photographer saw the connection rather in the meditative mood in which the portrayed person seems to be in the pictures.

Unfortunately, the exhibition can only be visited until 11.12.22. It is recommended for those seeking quiet enjoyment rather than sensations.

Translated with the help of www.DeepL.com/Translator

11 Comments

  1. Stefan Brendle

    Also, was genau geht nun ab bei einer Ausstellung wie der beschriebenen?

    Ein Fotokünstler hat irgendwas irgendwie fotografiert und die Fotos dann zum Zweck ihrer Präsentation gemäß irgendwelcher spontanen Einfälle koordiniert?

    Und den Rezipienten soll so dann dazu verholfen werden, sich beim Betrachten der Fotos der eigenen Assoziations-Freiheit zu erfreuen?

    • Rolf Noe

      Es handelt sich um eine Art Retrospektive eines Mannes, der zum Teil als Photoreporter, aber auch privat photographierend unterwegs war und hier seine besten / am besten zur vorgegebene Grundstimmung passenden Bilder ausstellt. Bei der Zusammenstellung seiner Ausstellung folgt er keinem stringenten Thema und hat aber auch kein erkennbares Konzept, sondern folgt bei der Zusammenstellung den Stimmungen, die die Bilder seiner Ansicht nach transportieren/repräsentieren. Somit muß der Betrachter nicht vorgegebenen Interpretationslinien folgen.

  2. Andreas

    “Diese oft sogar unbewussten Zusammenhänge geben, so habe ich das erlebt, dem Betrachter die Freiheit, seine eigenen Assoziationen spielen zu lassen und Zusammenhänge zu entdecken, die möglicherweise noch nicht mal dem Photographen bewusst waren”

    Ich muss an dieser Stelle sofort an den “Tod des Autors” bzw. “Tod des Fotografen” denken. Während ich also den Text noch mal lese, finde ich aber keine Stelle, an der Ramseier diese Freiheit einräumen will, sondern lediglich sein “Konzept”, den Weg durch sein Werk einmal ästhetisch-assoziativ weisen zu wollen.

    Dieser Kampf um die Deutungshoheit des Werks zwischen Künstler und Rezipienten ist offensichtlich nicht vermeidbar. Ich kenne den, die eine oder andere KünstlerIn, die ganz offen ihr Werk aus den Händen geben und jedem Betrachter eine eigene Deutung zugestehen, was ohne Frage eine realistische Herangehensweise ist. Vielleicht geht es dabei sogar nicht nur um Deutung, sondern um inhaltliche Aneignung.

    Ich weiß, ein bisschen rede ich am Inhalt des Beitrags vorbei, aber diese Auseinandersetzung verfolgt mich schon seit langem, immer vom Kopfwissen um den Tod des Autors begleitet und vom kindlichen Trotz der Künstlerseele bestritten. Ich kreide es mir als mangelnde Präzision des Ausdrucks an, wenn andere beim Betrachten meiner Bilder zu anderen Schlüssen als den von mir vorgegebenen gelangen. Jetzt wird mir plötzlich klar, dass es den gleichen kindlichen Trotz auch in der Betrachterseele gibt, der in der Rezeption den kreativen Akt sucht (so geht es mir selbst ja auch oft), und vielleicht muss man beides einfach nebeneinander stehen lassen.

    Jedenfalls ergibt der Spruch mancher Fotografen, sie würden nur noch für sich selbst fotografieren, in diesem Licht einen ganz anderen Sinn.

    • Rolf Noe

      Ohne mich in die Untiefen französischen Philosophierens begeben zu wollen, denke ich, dass deine Überlegungen eine hohe Relevanz für die Frage der Interpretation haben. Ich würde nicht unbedingt von einem Kampf reden, aber jede Seite verfolgt doch relativ vehement ihre Interessen. Der Künstler versucht möglicherweise durch eine konsequente Thematik oder ein erkennbares Konzept seine Deutung auf den Weg zu bringen, wobei er nicht selten von Kunstkritikern und Kunstvermittlern unterstützt wird. Der Betrachter kann diesen Vorgaben folgen, muss aber nicht. Er kann jede so scheinbar vorgegebene Interpretationslinie durch seine persönliche Wahrnehmung mühelos unterlaufen.
      Es gibt allerdings in diesem Verhältnis, wie Du zum Schluss ja auch andeutest, eine asymmetrische Machtverteilung. Der Künstler braucht, um sich auszudrücken, zu können, nicht zwangsläufig einen Betrachter. Er kann z.B. die Photographie auch nutzen, um seine Wahrnehmung der Welt für sich zu strukturieren. Der Betrachter hingegen ist ohne den Content-Lieferanten aufgeschmissen

      • Andreas

        “Es gibt allerdings in diesem Verhältnis, wie Du zum Schluss ja auch andeutest, eine asymmetrische Machtverteilung. Der Künstler braucht, um sich auszudrücken, zu können, nicht zwangsläufig einen Betrachter.”

        Der Gedanke gefällt mir super. Ich denke, damit kann ich meinen Frieden finden.

        • Rolf Noe

          Das freut mich, dass der Gedankengang Dir zum Seelenfrieden verhilft. Ein Wermutstropfen ist natürlich auch dabei. Wenn der Künstler versucht, seine Werke zu verkaufen, drehen sich die Machtverhältnisse einigermaßen um.

  3. kopfundgestalt

    Ich finde auch den Ort der Schau interessant. Wir waren vor einiger Zeit ausserhalb Würzburgs in einer “Kunsthalle”, die wohl früher ein Fabrikbau war und nun 4 Künstlern Raum gab. Daran erinnert mich dieser Ort.
    In der Tat braucht man Zeit, um Exponate solcher Varietät zu würdigen. I
    m MMK Frankfurt gab es immer solche Fotoausstellungen. War allerdings schon mindestens 3 Jahre nicht mehr dort.

    • Rolf Noe

      Ja, es ist tatsächlich ein besuchenswerter Ort. Es muss wohl eine Werkstatt oder kleine Manufaktur gewesen sein. Die Räume haben zum Teil Tageslicht von oben (siehe Bilder.Karussell unter dem Artikel). Wer in Basel vorbeikommt, sollte unbedingt mal reinschauen.

  4. kopfundgestalt

    Habe bisher nur einen Drittel des Texts gelesen, weil ich weg muß.
    “Die Zuhörer der Führung konnten so die unterschwelligen, zum Teil nur in der Wahrnehmung des Photographen begründeten Zusammenhänge nachvollziehen”
    Selbiges erfuhr ich auch mal in einer Ausstellung des Deutschherrenhauses in Koblenz. Ohne die Einführung und Erklärung zum einzelnen Objekt war die Kunst nicht nachzuvollziehen. Moderne Kunst liefert ja nicht primär Ästhetik, an der man sich sozusagen erfreuen kann, ohne die Intention des Ganzen zu bemerken.
    Durch den Begleittext wurde das Ganze damals aufgeladen und wirkte doppelt.

Leave a Comment / Schreib einen Kommentar

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.