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Tropism, Consequences of a Displaced Memory

`Celebration Room´ in the exhibition `Hug of a Swan´ by NHU XUAN HUA

Die eigene Komfortzone zu verlassen, das ist ja, schon fast wieder trivial. Aber was ist, wenn man es mal wirklich tut?  Ich versuche das gelegentlich, indem ich beschließe bestimmte Ausstellung anzuschauen, ohne vorher gründlich recherchiert zu haben, ob es sich auch wirklich lohnt. So neulich in Frankfurt. Im Foto Forum Frankfurt, las ich, wird eine neue Ausstellung eröffnet, mit Werken von Nhu Xuan Hua. Damit ging es schon los. Ich hatte noch nicht mal eine Vorstellung davon, dass es eine Künstlerin sein würde. Geschweige denn, dass ihre Wurzeln in Vietnam und nicht irgendwo in Asien zu suchen sein. Mutig wie ich bin, machte ich mich daran, mir die Ausstellung anzuschauen und – das konnte ich nicht verhindern – je mehr ich sah, desto größer wurde der Wunsch auch zu verstehen, was ich da sah.

Fing schon mal an mit dem Thema Photographie. Ja, es ist eine Ausstellung mit Photographien, und ja, sie findet in einer Photo-Location statt, aber abgesehen von den paar Modephotographien, die hauptsächlich aufgrund ihres ungewohnten Inhalts (siehe Bild oben Hintergrund) verstörend wirkten, war schnell klar, dass die Künstlerin auf mehr hinauswollte, als auf die Präsentation von Photographien. Diese waren hier nur Teil der teilweise recht aufwendigen Installationen und,  jede der Themengruppen hatte ihren eigenen Raum oder zumindest eine eigene Ecke um sich zu entfalten.

Gleich wenn man reinkommt stolpert man in ein Arrangement namens “Celebration Room” (s.o.). Drei Tische, die nur zur Hälfte da sind, da die runden Tische mitsamt den Tellern mittig durchtrennt sind. Diese umringen eine, an einen Schrein erinnernde, erhöhte Anordnung, in der eine jugendliche Figur in üppig ornamentalem Rahmen posiert. Das Besteck ist verbogen, aber ansonsten alles akkurat angerichtet. Dazu bunte Lichter, die durch den Raum irren und von einem QR-Code abrufbar auch noch eine Sound-Untermalung. Man merkt schon hier, dass ich das noch detaillierter beschreiben könnte, und es würde mich keinen Schritt einem Verständnis näherbringen. Man lässt sich in solchen Situationen gerne von Text weiterhelfen, z.B. biografisch: Die Künstlerin – ungefähr im Alter einer meiner Töchter – wird in Paris in eine aus Vietnam geflohene Familie geboren. Ihre Mutter ist sehr familienorientiert und ihr Bruder wird in der Familie wie ein Superstar behandelt. Aha, vielleicht ein Schlüssel?

Leaving your own comfort zone is almost trivial now. But what if you really do it?  I try to do that occasionally by deciding to visit certain exhibitions without having thoroughly researched beforehand whether it’s really worth it. So the other day in Frankfurt. At `Foto Forum Frankfurt´, I read, a new exhibition is opening with works by Nhu Xuan Hua. With that, it already started. I didn’t even have an idea that it would be a female artist. Let alone that her roots would be in Vietnam and not somewhere in Asia. Brave as I am, I started to look at the exhibition and, I couldn’t help it, the more I saw, the greater became the desire to understand what I was seeing.

It started with the subject of photography. Yes, it is an exhibition with photographs, and yes it takes place in a photo location, but apart from the few fashion photographs, which were disturbing mainly because of their unusual content (see picture above background), it was quickly clear that the artist wanted more than just the presentation of photographs. These were here only part of the partly quite elaborate installations, and each of the thematic groups had its own space or at least its own corner to unfold.

As soon as you walk in, you stumble into an arrangement called the “Celebration Room” (see above). Three tables that are only half there, as the round tables are cut in half along with the plates. These surround a raised arrangement, reminiscent of a shrine, in which a youthful figure poses in a lushly ornamental frame. The cutlery is bent, but otherwise everything is accurately arranged. In addition, colourful lights wander through the room and a sound background that can be called up from a QR code. You can already see here that I could describe this in more detail, and it wouldn’t bring me one step closer to an understanding.

One can be helped in such situations gladly by text e.g. biographically: the artist approximately in the age of one of my daughters is born in Paris into a family fled from Vietnam. Her mother is very family oriented, and her brother is treated like a superstar in the family. Aha, maybe a key?

Auch die anderen Display drehen sich um das Thema Familie, um ihren Vater, der Austernschalen gesammelt hat, um Familienfeste, um Essen. Die Photos in diesen Installationen haben, sofern sie aus dem Familienzusammenhang kommen, eines gemeinsam. Die Köpfe sind mit Chemie oder Photoshop sorgfältig unkenntlich gemacht, sehen aus wie Wolken und könnten somit für Andere stehen. Und trotzdem geht es um das, was die Künstlerin mit diesen Themen verbindet.

Zum Beispiel im roten Raum (s.u.), der auch dem Thema Hochzeit gewidmet ist, stehen in jeder Ecke Ventilatoren, die wohl anscheinend für den Wind stehen. Aber wofür steht der Wind im Zusammenhang mit Hochzeit und warum ist die Farbe der Hochzeit rot?

Nach meinem Annäherungsversuch frage ich mich ernsthaft, was eigentlich meinem Verständnis am meisten im Weg gestanden haben mag. Der Altersunterschied? Die Künstlerin ist gerade mal halb so alt wie ich. Verstehe ich nicht, wie eine Frau ihre Erinnerung inszenieren möchte? Oder fehlt mir schlicht und einfach der Kontext, wie es in einer vietnamesischen geflüchteten Familie in Paris am Anfang dieses Jahrtausends ausgesehen haben mag. Vielleicht sollte ich auch noch mal einen Blick in Nathalie Sarrautes Buch “Tropismes” werfen, auf das sich die Künstlerin in vielen ihrer biografischen Arbeiten beruft.

Auf jeden Fall ist mir eines klar geworden: Wenn man von “war recht interessant” zum “warum ging es eigentlich?” kommen möchte, dann muss man etwas dafür tun.

The other displays also revolve around the theme of family, around her father who collected oyster shells, around family celebrations, around food. The photos in these installations have one thing in common, as long as they come from a family context. The heads are carefully made unrecognizable with chemistry or Photoshop, they look like clouds and thus could stand for others. And yet it is about what the artist associates with these themes.

For example, in the red room (see below), which is also dedicated to the theme of marriage, there are fans in every corner, which apparently stand for the wind. But what does the wind stand for in the context of wedding, and why is the colour of wedding red?

After my approach, I seriously wonder what may have actually stood in the way of my understanding the most. The difference in age? The artist is just half my age. Do I not understand how a woman wants to stage her memory? Or do I simply lack the context of what it might have been like, for a Vietnamese refugee family in Paris at the beginning of this millennium. Perhaps I should also take another look at Nathalie Sarraute’s book “Tropisms”, which the artist refers to in many of her biographical works.

In any case, one thing became clear to me: If you want to get from “was quite interesting” to “what was it actually about”, then you have to do something about it.

Translated with the help of www.DeepL.com/Translator

The RED ROOM in Nhu Xuan Huas Exhibition in FotoForumFrankfurt

5 Comments

  1. Klaus

    „Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt.”
    Soviel zu den Ventilatoren. Und man weiss ja, dass nach Hochzeiten häufiger ein scharfer Wind weht! Oder er sich zum Sturm steigert!

    • Rolf Noe

      So ein bisschen Geheimnis ist ja vielleicht auch nicht verkehrt. Wie wäre es wohl, wenn wir alles verstehen würden?

  2. kopfundgestalt

    Ich denke auch, da muß man im Vorfeld einiges investieren, um die Ausstellung würdigen zu können. Das wäre ähnlich einem weithin bekannten Theaterstück, von dem man keine Ahnung hat und man geht in die Vorstellung.
    In Koblenz, in einer zeitgenöässischen Kunstausstellung, hatte ich mir vor 4 Jahren die Mühe gemacht, den Hintergrund zu eruieren. Ohne dem wäre ich ein wenig verloren gewesen, denn Ästhetik hilft ja nur begrenzt weiter.
    Schöne, interessante Räume – darauf kam es ja der Künstleriin nicht an..

    • Rolf Noe

      Es ist eine kontrovers diskutierte Frage, ob man die Erläuterung braucht (siehe auch vorletzten Post). Meine Strategie ist inzwischen mehrgleisig angelegt. Ich gehe gerne unvoreingenommen in Ausstellungen und lass mich erst mal überraschen, spüre ab, was mich unmittelbar berührt und was nicht. Dann gehe ich zum Empfang zurück und hole mir den Audioguide oder das Begleitheft oder lese die Schilder neben den Bildern/Installationen. So kann ich meinen Eindruck mehrschichtig aufbauen. Nicht zu vergessen die Phase, wenn ich versuche darüber zu schreiben. Dann merke ich, was sich wie sagen läßt und verstehe das Ganze nochmal anders.

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