H: Zur Vernissage habe ich es nicht geschafft, und bei der Midissage am Freitag, 2. Dezember, habe ich die beiden Fotografen Stefan und Marius Winkler leider auch nicht getroffen. Aber ich war dort, im Rathaus Bad Liebenzell. Und ich war beeindruckt. Als ich von der Ausstellung hörte, dachte ich zunächst, dass es das übliche Sammelsurium schöner Bilder sein würde. Nichts gegen schöne Bilder, aber wenn die Aussage einer Ausstellung lautet: „Schau her, ich habe auch eine Kamera!“, dann halte ich so etwas nicht für sehenswert. Doch hier war etwas mehr zu sehen, fand ich – richtig gut gemachte Serien, teilweise in Schwarz-Weiß, nicht nur gekonnt aufgenommen, sondern auch sympathisch von der Bildaussage. Es machte Spaß, durch die Bilder zu wandern.
R: Ich habe es ebenfalls nicht geschafft zur Vernissage zu gehen und als noch Arbeitender auch nicht, die Ausstellung zu den üblichen Ratshausöffnungszeiten anzuschauen. Ich musste auf den ersten Bürgerdonnerstag warten, zu dem ich Zeit hatte und das Rathaus mal bis 18.00 offen hat. Ich kann nicht sagen, ob das mit meinen recht bescheidenen Erwartungen zusammenhängt, aber auch für mich war die Ausstellung, nachdem ich sie dann besuchen konnte, eine echte positive Überraschung. Ich hatte zudem das Glück, Stefan zufällig dort anzutreffen. Er war gerade dabei, Bekannte durch die Ausstellung zu führen. Da habe ich mich dann einfach angeschlossen. Im Erdgeschoss des Rathauses war eine Serie von Schwarzweißbildern hoher Qualität (geschossen mit einer Leica Monochrom) zu sehen, die aber auch von den Inhalten und der Zusammenstellung durchaus als sehenswert bezeichnet werden kann. Hat dir dieser Teil der Ausstellung auch so gut gefallen?
H: Genau, das ist der Teil der Ausstellung, der mich am meisten beeindruckt hat – nicht wegen des Apparates, sondern wegen der Geschlossenheit der Serie. Es war zwar einiges Touristische dabei, aber mit einem eigenen Blick. Besonders die kleine „Serie in der Serie“ von den Handwerkern und den beiden (Lebens?)-Künstlern. Ich hatte das Gefühl, dass einiges davon durchaus zum Schömberger Fotoherbst passen würde.
R: Ja, diese Ansichten alltäglichen Lebens in Venedig sind beeindruckend. Auch, aber eben nicht nur die übliche Gondel-Romantik. Stefan hat erzählt, dass ein Teil der Aufnahmen nur mithilfe des Leica-Guides möglich war. Einen Teil hat er sich aber auch selbst erarbeitet, was ich sehr mutig finde. Aber auch in den Aufnahmen zeigt sich sehr viel Sorgfalt bei der Komposition. Die Personen sind optimal platziert, die Linien führen ins Bild und das Licht stimmt – soweit das bei solchen Aufnahmen möglich ist. Also auch von der Qualität her fotoherbstwürdig. Wie empfandest Du die Komposition der Bilder?
H: Da kann ich Dir nur zustimmen. Ich empfand die Bilder sehr gut komponiert. Stefan schreibt auf seinen Text zu sich und seiner Ausstellung: „Meine Wertvorstellungen wirken beim Fotografieren zunehmend auf die Bildkomposition.“ Das hat mich sehr gefreut. Er hat diese Wertvorstellungen zwar nicht näher beschrieben, aber man merkt den Fotos an, dass der Fotograf mit einer inneren Haltung ans Werk geht und sich auf seine Motive einlässt. Er beschreibt in diesem Text auch den „Flow“ beim Fotografieren, wie er dann „ganz im Hier und Jetzt ist“. Das zeigt mir, dass er das Fotografieren nicht von der „sportlichen“ Seite angeht, sondern dass es Ausdrucksform für sein kreatives Empfinden ist. Wenn ich Kritik äußern soll, dann allenfalls am Setting der Ausstellung. Die Ausstellungsfläche war zwar durchaus passend, aber das Licht im Bad Liebenzeller Rathaus ließ doch sehr zu wünschen übrig, wie auch andere Besucher richtigerweise angemerkt haben.
R: Ja, das ist sehr schade, vor allem deshalb, weil Stefan sehr viel Aufwand mit dieser Ausstellung hatte. Ich hoffe, dass er Gelegenheit bekommt die Bilder auch nochmal unter besseren Bedingungen zu zeigen. Ich würde ihm auch gönnen, dass einige Leute in den Venedig-Bildern oder wahrscheinlich noch mehr in den großformatigen Bildern aus dem hohen Norden Stücke entdecken, die sie sich ins Wohnzimmer hängen wollen. Die Drucke sind nämlich auch sehr ordentlich gemacht und hochwertig umgesetzt. Zum Schluss sollten wir aber auch noch zusammentragen, was uns weniger gut gefallen hat, sonst meinen die Leser womöglich, wir würden hier jemanden hochjubeln wollen.
H: Ein Gedanke kam mir später: Ist eine solche Ausstellung zeitgemäß? Sie zeigt Bilder einer weitgehend heilen Welt, die nur existiert, wenn man alles Unheil ausblendet. Jede Ausstellung ist ja auch eine Stellungnahme zur Welt.
R: So ähnlich gings mir auch. Die Bilder sind schön und es ist ein handwerklicher Verdienst, wenn man es schafft solche Augenweiden zu produzieren. Aber es gibt neben den ästhetischen Aspekten ja auch noch die narrativen, die hier nur am Rande eine Rolle spielen. Und die scheinbar naive Frage: „Was will uns der Autor damit sagen?“ kann nicht nur ich nicht beantworten. Ich habe auch in den Erläuterungen von Stefan während der Führung durch die Ausstellung nur Aussagen zu den ästhetischen Aspekten gehört. Dass er da auf hohem Niveau agiert, haben wir ja schon besprochen. Aber reicht das?
Gute Nachrichten zum Schluss: Die Austellung wurde bis zum 18.01.2023 verlängert (bitte die Rathausöffnungszeiten beachten)
H: I didn’t make it to the vernissage, and unfortunately I didn’t meet the two photographers Stefan and Marius Winkler at the midissage on Friday, 2 December either. But I was there, in the Bad Liebenzell town hall. And I was impressed. When I heard about the exhibition, I thought at first that it would be the usual smorgasbord of beautiful pictures. Nothing against beautiful pictures, but when the statement of an exhibition is: “Look here, I have a camera too!”, I don’t think something like that is worth seeing. But here there was something more to see, I thought – really well done series, partly in black and white, not only skilfully shot, but also sympathetic from the image statement. It was fun to wander through the pictures.
R: I didn’t manage to go to the vernissage either, and as someone who still works, I didn’t manage to look at the exhibition during the usual town hall opening hours. I had to wait for the first Thursday when I had time and the town hall was open until 6 pm. I can’t say whether this was due to my rather modest expectations, but for me, too, the exhibition was a real positive surprise once I was able to visit it. I also had the good fortune to meet Stefan there by chance. He was in the process of guiding acquaintances through the exhibition. So I simply joined him. On the ground floor of the town hall there was a series of high quality black and white pictures (taken with a Leica Monochrom, which can also be described as worth seeing in terms of content and composition. Did you also like this part of the exhibition?
H: Exactly, that’s the part of the exhibition that impressed me the most – not because of the apparatus, but because of the way it was used. Not because of the apparatus, but because of the coherence of the series. There are some touristy things in it, but with a view of its own. Especially the small “Series within the series” of the craftsmen and the two artists (of life?). I had the feeling that some of it would fit in well with the `Schömberg Fotoherbst´.
R: Yes, these views of everyday life in Venice are impressive. Also, but not only the usual gondola romance. Stefan said that some of the shots were only possible with the help of the Leica guide. But he also took some of them himself, which I find very courageous. But the shots also show a lot of care in the composition. The people are optimally placed, the lines lead into the picture and the light is right – as far as that is possible with such photographs. So the quality is also worthy of the Schömberger Fotoherbst -Competition 2023. How did you feel about the composition of the pictures?
H. I can only agree with you. I found the pictures very well composed. Stefan writes in his text about himself and his exhibition: “My values have an increasing effect on the composition of the pictures.
I was very pleased to hear that. He did not describe these values in detail, but you can see in the photos that the photographer approaches his work with an inner attitude and gets involved with his motifs. He also describes in this text the “flow” when taking photos, how he is then “completely in the here and now”.
This shows me that he does not approach photography from the “sporty” side, but that it is a form of expression for his creative sensibility.
If I have any criticism to make, it would be about the setting of the exhibition. The exhibition space was quite suitable, but the light in the Bad Liebenzell town hall left a lot to be desired, as other visitors also rightly pointed out.
R: Yes, that is a great pity, especially because Stefan had put a lot of effort into this exhibition. I hope that he will have the opportunity to show the pictures again under better conditions. I would also like to see some people discover pieces in the Venice pictures, or probably even more in the large-format pictures from the far north, that they want to hang in their living rooms. After all, the prints are also very neatly done and of high quality. Finally, however, we should also summarise what we didn’t like so much, otherwise readers might think we’re trying to hype someone up.
H: A thought occurred to me later: Is such an exhibition in keeping with the times? It shows images of a largely perfect world that only exists if you block out all harm. Every exhibition is also a statement on the world.
R: I felt the same way. The pictures are beautiful, and it’s a credit to the craft if you manage to produce such eye candy. But apart from the aesthetic aspects, there are also the narrative aspects, which only play a marginal role here. And the seemingly naïve question: “What is the author trying to tell us?” is one that not only I cannot answer. In Stefan’s explanations during the guided tour of the exhibition, I only heard statements about the aesthetic aspects. We have already discussed that he operates at a high level. But is that enough?
Good news at the end: The exhibition has been extended until 18.01.2023 (please note the opening hours of the town hall).
Vielen Dank, dass Ihr euch die Zeit genommen habt diesen Blog zu schreiben.
Abgesehen vom Inhalt gefällt mir der Dialog als Blog-Format – lockert es auf und macht Spass beim Lesen.
Natürlich habe auch ich mich über die Verlängerung der Ausstellung vom Rathaus aufgrund der sehr positiven Resonanz, genauso wie über die Berichterstattung der Presse gefreut.
Da hat es sich doch gelohnt ein Gesamtkonzept der Ausstellung mit klarer Zielsetzung und stringenter Kommunikation aufzusetzen, aber ich habe mir ja auch professionelle Hilfe aus dem Bereich Marketing/Pressearbeit sowie künstlerische, kurative Unterstützung durch einen erfahrenen Profifotograf geholt.
Inzwischen haben auch einige Galerien angefragt. Meine erste Zusage Bilder dort auszustellen ging nach Heidelberg, die Vernissage wird im Juni sein.
Den Wink mit dem Fotoherbst-Zaunpfahl habe ich verstanden 😉
Na ja – Abwertung … Bilder (hier: Fotos), würde ich mal sagen, leben allein im Gebrauch, der von ihnen gemacht wird (genauer: den Menschen von ihnen machen). Und wenn ein Fotograf wesentlich für Heile-Welt-Spielchen produziert, schlägt das freilich auch (und aus meiner Sicht nicht positiv) auf seine Werke zurück.
Formal gefällige und inhaltlich angenehme (und zudem preiswerte?) Fotos zur Dekoration aktueller kleinbürgerlicher Heile-Welt-Stuben?
Ein paar Hunderter musst Du schon hinlegen, die Ausdrucke sind sehr gut gemacht. Ich persönlich frage zwar, ob es etwas gibt, was über das rein Handwerkliche hinausgeht, finde aber nicht, dass das ein Grund zur Abwertung ist.
Das Spannende an der Frage “Komposition vs. Inhalt” ist ja, dass eine “schöne” Komposition möglicherweise keinen Inhalt verträgt und ein (sinntragender, vielleicht gar kritischer) Inhalt möglicherweise keine schöne Komposition. Denn beides sollte ja aufeinander abgestimmt sein.
Abgesehen davon hat mir euer Dialog als Blog-Format sehr viel Spaß beim Lesen gemacht. Hier ist mir die Ausstellung über das Gespräch und nicht über die begleitenden Bilder näher gekommen.
Eine Frage wie „Was will uns ein Bildhersteller mit seinen Bildern sagen?“ lässt sich recht mühelos als Kürzel verstehen für die Frage: „Welche kommunikativen Handlungen vollzieht ein Bildhersteller, indem er uns seine Bilder zeigt?“ Und eine Frage wie „Was will uns ein Bildhersteller mit seinen Bildern sagen?“ ist ja vor allem deshalb nur scheinbar naiv, weil Bilder – welcher Art auch immer und gerade auch hinsichtlich dessen, was mit ihnen dargestellt wird oder werden kann – nur verstehbar sind vor dem Hintergrund dessen, was getan wird oder getan werden kann, indem man sie zeigt.
Ein Bildhersteller, der sich nicht spätestens bei der Präsentation seiner Werke Klarheit darüber zu verschaffen sucht, was er damit tun will (und dann auch tut), dass er sie zeigt, betrügt sich selbst um Einsicht ins eigene Handeln (samt einer mit diesem Handeln zumindest implizit verbundenen Stellungnahme zur insbesondere sozialen Welt, die ja nun in der Tat alles andere als eine „heile“ ist).
Wobei es ja durchaus möglich wäre (ich möchte das Stefan W. nicht unterstellen) dass er durch das Zeigen der Bilder nur sagen will: “Schau mal her, was ich für schöne Bilder machen kann, willst du dir die nicht ins Wohnzimmer hängen?” Das wäre doch auch ok, oder?
“nur Aussagen zu den ästhetischen Aspekten ”
Sicher ist Kunst immer auch eine Meisterung des Technischen. Die nur jemand sehen kann, der sich an ähnlichem versucht hat. Ich z.b. kaufte eine Keramik vonLambrecht, weil mir klar war, daß ich seine Präzision am besagten Objekt selbst nicht schaffen kann.
Etwas technisch zu meistern ist Handwerk per Excellence, aber Fotografie sollte doch auch die Chance nutzen, Stellungsnahmen zur Welt zu setzen. Das vermag sie ja oft eindrücklich.Und manchmal so, das was hängen bleibt, weil die Bildmittel ungewöhnlich sind.