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In-Game Photography

„Photography may be everywhere, but it is not everywhere in the same way.” 

Martin Hand from `Ubiquitous Photography´

Wenn ich über Gaming schreibe, dann ist es ein wenig wie, wenn der sprichwörtliche Blinde von der Farbe spricht. Immerhin kann ich ins Feld führen, dass alle meine Kinder zum Gaming neigen. Selbst habe ich nur ein bis zwei Indie-Games runtergeladen und angespielt. Hauptgrund für meine Zurückhaltung ist, dass nach meiner subjektiven Schätzung ca. 86 % aller Spiele nur schwer ohne Abschlachtorgien zu spielen sind. Das interessiert mich aber eben leider gar nicht. Ein wohltuendes Gegenbeispiel ist “Walden – a game”, in dem man die Zeit nacherleben kann, die Henry David Thoreau (siehe auch hier ) in den Wäldern verbracht hat.

Aber das Phänomen des Photographierens in künstlich geschaffenen Landschaften ist einfach so spannend, dass ich mich da mal genauer umgeschaut habe. Es gibt, zum Ersten, sogenannte Photography-Games, also Spiele, in denen es das Ziel ist zu photographieren bzw. möglichst schöne, interessante oder seltene Schnappschüsse mit der virtuellen Kamera zu machen, diese dann zu posten und dafür Anerkennung zu bekommen. Am bekanntesten ist hier wahrscheinlich `New Pokémon Snap´, dass ein wenig wie ein Trainingslager für angehende Naturfotografen anmutet, nur, dass man eben die putzigen Monster der Pokémon-Welt in möglichst lustigen Posen abzulichten hat. Ein etwas elaborierteres Spiel, in dem es ums Photographieren geht, ist `Umurangi Generation´ für Nintendo und Xbox. Wenn ich das Gameplay richtig verstanden habe, geht es darum, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, das heißt es geht nicht nur um das `was´, sondern auch um das `wie´ des Photographierens.

Eine zweite Art, wie das Photographieren in die Computer- und Konsolenspiele Einzug gehalten hat, ist der `Photo-Mode´ letztlich eine elaborierte Version des Screenshots. Diese Möglichkeit, Szenen aus dem eigenen Spiel festzuhalten, gibt es inzwischen bei vielen Spielen. Frühe Beispiele sind die `Sims´, `Gran Turismo 4´, `Ghost of Tsushima´ und etwas neuer `Death Stranding´, aber das sind nur Beispiele aus einigen YouTube-Videos, die ich mir zum Thema angeschaut habe. In den wenigen Independent-Games, die ich habe, fehlt diese Funktion meist.

So weit, so langweilig. Spannend wird es da, wo sich Menschen in die Spiele begeben, die nicht bereit sind sich der Spiel-Logik komplett auszuliefern, sondern darin nach Möglichkeiten suchen, ihre eigene ästhetischen Vorstellung in diesem Rahmen umzusetzen. Auch um photographische Ziele zu erreichen, wie z.B. eine Rauchbombe zu werfen, um für ein Portrait den Hintergrund unschärfer zu machen und so die Person freizustellen. Ein paar Beispiele dafür kann man auf Instagram verfolgen. Da wäre z.b Petri Levälahti (berduuu), der/die in verschiedensten Einzelbildern, Triplets und kurzen Videos, Szenen aus verschiedenen Spielen zeigt. Auch von `Stray´, dem einzigen Spiel, dass ich mithilfe meines Sohnes bis zum Ende durchgespielt habe.

Jake Baldino  ist ein Photo-Modus-Freak, dessen Bilder aber nicht so gut sind wie seine Erklärungen. Er erwähnt bei seinen Favoriten auch Dotpone. Auf seinem Stream finden sich ebenfalls einige Bilder als Spielen, unter anderem ein cooles Cowboybild. Auf Videoausschnitte aus Spielen möchte ich hier gar nicht eingehen, das wäre ein eigenes nahezu unerschöpfliches Thema.

Aber auch außerhalb von Instagram findet man Künstler, die sich mit Bildern aus digitalen Welten beschäftigen. Robert Overweg  beschäftigt sich mit verschiedensten Aspekten des Virtuellen und nennt die Kunstsparte seiner Homepage „dreams of reality“. Er hat einige an `New Topographics´ erinnernde Bilder aus Videospielen bereits 2013 im Centre Pompidou in Paris gezeigt.

Bei meinen Recherchen bin ich auch darauf gestoßen, dass Cindy Poremba aus Kanada im September dieses Jahres in c/o in Berlin einen Vortrag zum Thema “how to make a video game Photograph” gehalten hat. Der Talk ist als Video unter der angegebenen Adresse abrufbar. Der Gedanke, dass spätestens diese Art der Photographie den Begriff Photographie so weit strapazieren könnte, dass er nicht mehr alles subsumieren kann, was unter diesem Namen so läuft, drückt sich meines Erachtens sehr gut in dem von Poremba verwendeten Zitat von Martin Hand (s.o.) aus.

Wer tiefer in das Thema einsteigen will, kann sich auch die Ausstellung HYPERCAPES im Kornhausforum in Bern anschauen, die sich mit virtuellen Landschaften als Sehnsuchtsort beschäftigt und noch bis zum 29.1.2023 zu sehen sein wird.

Zum Abschluss muss ich noch die Geschichte loswerden, die mich so beschäftigt hat, dass ich diese ganzen Informationen zusammen getragen habe. Es ist die Geschichte des syrischen Künstlers Giath Taha, der sich ohne Kleider und Waffen in ein Spiel begibt, dessen einziges Ziel es ist, sich gegenseitig abzuschlachten und dadurch zu `gewinnen´. Er erzählt seine Erlebnisse Mirjam Kooiman, während sie sich im Spiel `PlayerUnknownBattlegrounds (PUBG)´treffen sozusagen ein echtes Interview in einem virtuellen Spiel.

When I write about gaming, it’s a bit like the proverbial blind man talking about colours. After all, I can say that all my children are inclined towards gaming. I myself have only downloaded and played one or two indie games. The main reason for my reluctance is that, according to my subjective estimate, about 86% of all games are difficult to play without orgies of slaughter. Unfortunately, that doesn’t interest me at all. A pleasant counter-example is “Walden – a game”, in which one can relive the time Henry David Thoreau (see also here) spent in the woods.


But the phenomenon of photographing in artificially created landscapes is just so exciting that I took a closer look. First of all, there are so-called photography games, i.e. games in which the goal is to take photographs or to take the most beautiful, interesting or rare snapshots possible with the virtual camera, then post them and receive recognition for them. The best known of these is probably ‘New Pokémon Snap’, which looks a bit like a training camp for budding nature photographers, except that you have to take pictures of the cute monsters of the Pokémon world in the funniest poses possible. A more elaborate game about photography is ‘Umurangi Generation’ for Nintendo and Xbox. If I understand the gameplay correctly, it is about completing certain tasks, i.e. it is not only about the ‘what’ but also about the ‘how’ of taking photos.


A second kind in which photography has found its way into computer and console games is the ‘photo-mode’, ultimately an elaborate version of the screenshot. This possibility of capturing scenes from one’s own game now exists in many games. Early examples are ‘Sims’, ‘Gran Turismo 4’, ‘Ghost of Tsushima’ and somewhat more recently ‘Death Stranding’ but these are only examples from some YouTube videos I have watched on the subject. In the few independent games I have, this feature is mostly missing.


So far, so boring. It gets exciting when people enter the games who are not prepared to surrender themselves completely to the game logic, but instead look for possibilities to realise their own aesthetic ideas within this framework. Also to achieve photographic goals, such as throwing a smoke bomb in order to blur the background for a portrait and thus highlight the person. You can follow a few examples of this on Instagram. There is Petri Levälahti (berduuu), for example, who shows various single images, triplets and short videos, scenes from various games. Also from ‘Stray’, the only game I played through to the end with the help of my son.


Jake Baldino  is a photo mode freak whose pictures are not as good as his explanations. He also mentions Dotpone among his favourites. On his stream, there are also some pictures of games, including a cool cowboy picture. I don’t want to go into video clips from games here – that would be another almost inexhaustible topic.


But you can also find artists outside of Instagram who work with images from digital worlds. Robert Overweg deals with various aspects of the virtual and calls the art section of his homepage “dreams of reality”. He already showed some images reminiscent of ‘New Topographics’ from video games in 2013 at the Centre Pompidou in Paris.


During my research, I also found out that Cindy Poremba from Canada gave a talk on “how to make a video game  photography “ at c/o in Berlin in September this year. The talk is available as a video at the address given. The idea that this kind of photography at the latest could strain the term photography to such an extent that it can no longer subsume everything that goes under this name is, in my opinion, expressed very well in the quotation from Martin Hand used by Poremba (see above).


If you want to delve deeper into the topic, you can also take a look at the exhibition HYPERCAPES at the Kornhausforum in Bern, which deals with virtual landscapes as a place of longing and will be on display until 29.1.2023.


Finally, I must tell you the story that has kept me so busy that I have gathered all this information. It is the story of the Syrian artist Giath Taha, who, without clothes or weapons, enters a game whose only aim is to slaughter each other and thereby ‘win’. He tells his experiences to Mirjam Kooiman as they meet in the game ‘PlayerUnknownBattlegrounds (PUBG)’ a real interview in a virtual game, so to speak.

 

 Translated with the help ofwww.DeepL.com/Translator

Eine Auswahl der Instagram Bilder von / A selection of Insta -pics by Berduu ,        mit seiner ausdrücklichen Erlaubnis /with his permission

7 Comments

  1. Andreas

    Eine Zeitlang habe ich mal intensiv Lara Croft gespielt, so richtig jeden Tag von morgens bis abends mehr oder weniger. Die Erinnerungen aus dieser virtuellen Welt sind fast so real wie die aus dem Leben, wenn man hineinsinkt, finde ich. Da kann ich mir schon vorstellen, dass da auch der Wunsch entsteht, solche “Erinnerungen” als Foto zu haben.

    Bislang sind mir Fotos aus digitalen Welten allerdings eher als Aufnahmen seltsam verunformter weiblicher Wesen in knapper Bekleidung auf Flickr aufgefallen, was ich in der Regel wegklicke. Die Bilder von Berduu finde ich da schon deutlich interessanter.

    Prinzipiell muss ich sagen, dass ich diese Form der “Fotografie” doch eher der Malerei zuordnen würde, so als Rezipient. Weshalb ich eigentlich die Fotografie der Malerei immer vorgezogen habe, liegt im Realismus begründet. Sobald ich klar erkennen kann, dass eine Darstellung nicht fotografiert ist, verliere ich in vielen Fällen das Interesse am Dargestellten.

    Danke jedenfalls für den Einblick.

  2. Stefan Brendle

    Die Enttäuschung, die man regelmäßig etwa bei der Verfilmung eines Romans erlebt, hängt wohl wesentlich damit zusammen, dass die „Verbildlichung“ des vormals sprachlich Erzählten dessen Offenheit auf durchaus negative Weise beschränkt. Und dies wiederum macht deutlich, dass es sich bei der Alternative Wortsprache/Bildsprache keineswegs, wie oft behauptet wird, um eine schlichte Alternative zwischen abstrakt und konkret handelt.
    Sprachliche Handlungen (Handlungen, die man vollzieht, indem man Sätze äußert) und bildliche Handlungen (Handlungen, die man vollzieht, indem man Bilder zeigt) können sich ergänzen (durchaus auf optimale Weise), aber bildliches Handeln setzt sprachliches voraus, nicht umgekehrt: Was vor allem dann ins Auge springt, wenn man, um ein Missverständnis auszuräumen, erklären will, was man mit der Verwendung eines Bildes gemeint hat. Ja, und eine weitgehende Reduktion der Kommunikation auf bildliche Handlungen zielt dann, so würde ich sagen, insbesondere aufs Kappen der erklärenden oder überhaupt reflektierenden Komponente in der Kommunikation: Man will heute nicht mehr wissen, wie die Welt funktioniert, denn das erscheint viel zu anstrengend – und vor allem: viel zu bedrohlich!

    • Rolf Noe

      Das ist aber auch einer der Unterschiede zwischen dem Film, der mit seiner Handlung oft nur wenig für die Vorstellungskraft übrig läßt und dem Einzelbild, eventuell auch noch der Serie von Bildern, die immerhin noch anregen sich auszumalen, was vor der gezeigten Szene gewesen sein mag oder was wohl noch auf sie folgen wird.

  3. cornelia puk

    hallo rolf, entschuldige erstmal die schriftform, ich schreibe mit links und habe den rechten arm in einem abduktionskissen; die schulter-op scheint gut gelungen. was ich als gründe vermute, warum mich computerspiele nicht interessieren – im unterschied zu langen romanen die, wie mein sohn argumentierte, ja auch virtuelle welten vermitteln, die man sich nicht selber geschaffen hat – das ist der mangelnde phantasieraum. alles ist aufs visuelle konzipiert und erscheint mir zweidimensional, konkretistisch. die bilder können sehr schön sein, phantasievoll gemacht, aber sie lassen im unterschied zu büchern bei mir keine inneren bilder entstehen, die mich weiter beschäftigen und begleiten könnten; bei animationsfilmen geht es mir genauso. und gerade das empfinde ich als das wertvollste und bereichernde an kunstwerken.
    außerdem ist mir die körperhaltung beim spielen zu unflexibel, und den gewaltigen stromverbrauch gönne ich anderen die sich daran freuen können, aber ich brauche ihn nicht.
    alle achtung, dass du dich durch so eine menge von spielen gearbeitet hast!
    viele grüße, Cornelia

    • Rolf Noe

      Ja, Cornelia. Da hast Du den Finger auf einen wunden Punkt gelegt. Wir sind auf dem Weg, die Gutenberg-Galaxis mit Lichtgeschwindigkeit zu verlassen. Geschrieben wird nur noch wo unbedingt nötig, ansonsten läuft die Kommunikation zunehmend über starre oder bewegte Bilder und neuerdings eben auch über virtuelle Welten, in die man sich sehend hineinbegeben kann. Das Gehirn bekommt sozusagen passierte Kost und muss nicht mehr kauen, um die Nährstoffe aus der geistigen Nahrung zu extrahieren. Ergebnis ist, dass die Phantasie verkümmert. Das mag man bedauern, aber ich fürchte, es ist generell kaum zu bremsen. Nur individuell kann man durch Lektüre seine Phantasie-Muskeln trainieren.

  4. Gerhard

    Alles spannend geschrieben.
    Ich spiele seit vielen Jahren onlineschach, machte manchmal Screenshots von spielesituationen doch bin ich seit 2 Wochen dabei, es völlig zu lassen.
    Das, was du beschreibst, Fotografie in virtuellem Umfeld, das kann süchtig machen, da da ganz neue Räume und Möglichkeiten entstehen.
    Aber zu jedem Foto/ Bild braucht es auch den geneigten Betrachter und aufmerksamen Konsument, sonst verliert es den Reiz.darauf kommt es vor allem an

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