Das Thema trage ich schon länger mit mir rum und jetzt wird es einfach mal ein erster Versuch unternehmen es zu Papier zu bringen (ja ich schreibe meine Gedanken in ein Heft, diktiere sie dann in mein Smartphone und bügele sie dann am PC glatt). Oft wird gesagt, das Photo sei nur ein Ausschnitt aus dem, was wir so alles sehen (können). Dieser Gedanke würde dann stimmen, wenn die Welt flach wäre, aber das ist ja nicht so. Dass die Dinge im Raum sich ja nach Standort des Fotografen anders anordnen und dass es ein wichtiger Schritt ist, wenigstens Vorder- und Hintergrund durch die eigene Bewegung so zueinander in Beziehung zu setzen, dass das entstehende Bild stimmig wirkt, ist mir das allererste Mal richtig klar geworden, als ich im Rahmen einer fotocamp-Exkursion mit einer Gruppe von Leuten Makrofotos in einem Pflanzenmarkt gemacht habe. Man muss sich da immer so hinstellen, dass keine störenden Hintergrund-Elemente sich ins Bild schleichen können. Das ist erstmal trivial und wird in jedem besseren Photo-Lehrbuch erwähnt. Vorder-, Mittel- und Hintergrund spielen eine wichtige Rolle bei der Bildgestaltung, okay. Und warum? Photographieren ist eben kein Ausschneiden, sondern ein Komponieren. Und das Komponieren ist bei der Photographie deswegen so herausfordernd, weil man die Elemente nicht wie bei der Malerei beliebig gruppieren kann, sondern darauf angewiesen ist, dass sie sich bei Auswahl eines geeigneten Standpunktes zu einem Bild fügen.
Was für Tänzchen der Photograph bei der Suche nach einem einigermaßen befriedigen Zusammenwirken der Bildelemente vollführen kann, sieht man sehr schön in dem Film „Koudelka Shooting Holy Land” , wo der Kameramann den Photographen gefühlt minutenlang dabei zeigt, wie er hin und her wandert, sich bückt und streckt und auch nicht davor zurückschreckt sich mal auf den Boden zu legen auf der Suche nach derjenigen Blickachse, die alle Bildelemente im Bildrahmen an den richtigen Ort rückt (until everything falls into place).
Das Thema der innerbildlichen Relationen würde kürzlich bei mir wieder angesprochen, als ich bei der Mante-Lektüre sozusagen mit der Nase darauf gestoßen wurde, wie nicht nur Punkte, Linien, Formen und Flächen, sondern auch die Farben in einem Bild nie für sich allein wirken, sondern immer in Relation zu den anderen Farben im Bild.
Philosophisch muss man bei einer relationalen Betrachtung der Welt ein Stück weit Abschied nehmen von der Betrachtung der Welt als einer Ansammlung von Dingen, die erstmal existieren und dann erst miteinander in Beziehung treten, bzw. gebracht werden. In einer anderen, z.B. fernöstlichen, mehr an der Wahrnehmung der Welt und an den Phänomenen des Lebens orientierten Sichtweisen spielt die ontologische Bestimmung der an einem Erfahrungsmoment beteiligten Mitspieler keine so entscheidende Rolle. Wir sitzen da eben, frei nach Wittgenstein formuliert, unserer Grammatik auf, unseren germanischen Nominalismen und unserer am Subjekt orientierten Satzstruktur. Ich will da nicht zu sehr in die Tiefe gehen, aber denke, dass eine Dependenz- Grammatik (im Zentrum steht das Geschehen repräsentiert durch das Verb und drumherum gruppieren sich die Mitspieler, ohne dass ein Mitspieler wie in unserer Grammatik das Subjekt den Ton angibt), dass wie gesagt eine an einer Dependenz-Grammatik orientierte Sprache andere Sicht- und Denkweisen hervorgebracht hätte.
Aber was bedeutet das für die Photographie? Man kann Dinge abbilden, man kann Menschen abbilden, man kann die Dinge oder die Menschen zueinander in Beziehung setzen oder eine wahrgenommene Beziehung im Bild zeigen. Man kann aber auch noch einen Schritt weitergehen und versuchen Beziehungen im Bild zu zeigen, wobei die Akteure an den Rand rücken (Anschnitt) oder gar nicht in Entscheidung treten. Als Beispiel fallen mir spontan eigentlich nur Wolfgang Zurborn und Torsten Dodillet ein über die ich schon andeutungsweise berichtet habe. Hier werden bewusst Beziehungen in der Welt der Dinge (Dodilet) oder auch in der Welt der Menschen (Zurborn) zum Bildinhalt.
Ich muss zugeben, dass diese Art zu sehen und zu photographieren mir selbst nur gelegentlich gelingt. Meist klebe ich noch zu sehr an den Dingen, über die ich so in meinem Alltag stolpere (insta). Aber das muss ich ja auch nicht nachmachen.
Es geht nicht darum, etwas zu kopieren, sondern vielleicht darum, in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Sichtweisen seinen eigenen Weg zu finden und darin die lebendige Kreativität zu feiern.
I’ve been carrying this topic around with me for a while, and now I’m simply going to make a first attempt to put it down on paper (yes, I write my thoughts in a notebook, dictate them into my smartphone and then iron them out on my PC). It is often said that the photo is only a crop of what we (can) see. This idea would be true if the world were flat, but that’s not the case. The first time I really realized that things in a room are arranged differently depending on the photographer’s position and that it is an important step to at least relate the foreground and background to each other through your own movement so that the resulting image looks coherent was when I took macro photos in a plant market as part of a fotocamp excursion with a group of people. You always have to position yourself so that no distracting background elements can creep into the picture. This is trivial at first and is mentioned in every good photography textbook. Foreground, middle ground and background play an important role in image composition, okay. And why? Photography is not about cropping, it’s about composing. And composing is so challenging in photography because, unlike in painting, where you can group the elements arbitrarily, you are dependent on them coming together to form an image when a suitable point of view is selected.
The kind of dances the photographer can perform in the search for a reasonably satisfactory interaction of the picture elements can be seen very nicely in the film “Koudelka Shooting Holy Land”, where the cameraman shows the photographer wandering back and forth, bending and stretching for what feels like minutes on end, and not even shying away from lying down on the floor in search of the line of sight that will put all the picture elements in the picture frame in the right place (until everything falls into place).
The topic of intra-pictorial relations was recently brought up again when I was struck by the nose, so to speak, while reading Mante and realized how not only dots, lines, shapes and surfaces, but also the colours in a picture never work on their own, but always in relation to the other colours in the picture.
In philosophical terms, a relational view of the world requires us to abandon to some extent the view of the world as a collection of things that first exist and only then enter into or are brought into relationship with one another. In another, e.g. Far Eastern view, which is more oriented towards the perception of the world and the phenomena of life, the ontological determination of the players involved in a moment of experience does not play such a decisive role. To use Wittgenstein’s words, we are stuck with our grammar, our Germanic nominalisms and our subject-oriented sentence structure. I don’t want to go into too much depth here, but I think that a dependency grammar (in the centre is the event represented by the verb and the players are grouped around it, without one player setting the tone as in our grammar, the subject), that as I said, a language based on a dependency grammar would have produced different ways of seeing and thinking.
But what does this mean for photography? You can depict things, you can depict people, you can relate things or people to each other or show a perceived relationship in the image. But you can also go one step further and try to show relationships in the picture, whereby the actors move to the edge (cropping) or don’t come into the picture at all. The only examples I can think of off the top of my head are Wolfgang Zurborn and Torsten Dodillet, which I have already mentioned to some extent. Here, relationships in the world of things (Dodilet) or in the world of people (Zurborn) consciously become the content of the picture.
I have to admit that this way of seeing and photographing only occasionally works for me. I’m usually still too attached to the things I stumble across in my everyday life (insta). But I don’t have to copy that either.
It’s not about copying something, but perhaps about finding your own way by exploring different perspectives and celebrating living creativity.
Translated with the help of www.DeepL.com/Translator
Na, wie´s dir weiterhin um Erkenntnis und Selbsterkenntnis zu tun sein kann, ohne dich kritisch mit der sozialen Welt auseinanderzusetzen, in der du lebst, bleibt wohl dein Geheimnis.
Nicht ohne, aber auch nicht nur.
Woran liegt´s? Du fühlst dich im Wirrwarr bizarrer (Bedeutungs-)Theorien zu wohl? Und du willst nix (mehr) wissen von einer Marx´schen „Zurückführung der menschlichen Welt, der Verhältnisse, auf den Menschen selbst“?
Hmmm, das ist nicht so leicht zu beantworten. Aber was ich sagen kann ist, dass Welterklärung und Weltverbesserung von meiner Prioritätenliste verschwunden sind.
Was nicht heiß, dass Erkenntnis und Selbsterkenntnis sich auch erledigt hätten. Um es scherzhaft auf den Punkt zu bringen: “Aus Marx hätt schon was werden können, wenn er nicht den Fehler gemacht hätte Hegel zu lesen”.
Ich las einst ein neurophilosophisches Buch über die Unterschiede der Adaption der Welt durch Europäer und Asiaten. Ein beredes Beispiel ist mir noch in Erinnerung: Fotografiert ein Europäer ein Kloster in einem bewaldeten Berghang, dann meint der Europäer das Kloster, der Asiate den Berghang.
Ja, aus dem Kontext herausschneiden, um es isoliert zu betrachten, auf der einen Seite. Es in seinem Kontext betrachten, um es mit all seinen Bezügen zu verstehen auf der anderen.
Lies doch einfach mal Kapitel 10 im “Trail ins Freie” – da geht´s u.a. detailliert ums Thema Darstellen und “moderne Kunst” (abstrakte, gegenstandslose & konkrete).
Es ist ja nicht so, dass ich es nicht verstehe. Ich bin eben nicht einverstanden. Du kannst mich (bisher) nicht überzeugen.
Darstellen ist kein Repräsentieren, kein Vertreten von irgendwas. Und im „Bilder-Fall“ ist´s nicht nur ein Mittel, um irgendwelche Wirkungen zu erzielen. Dass wir mit ihm etwas darstellen, ist die Voraussetzung dafür, dass wir von etwas sagen, es sei ein Bild und nicht nur, sagen wir, eine Ansammlung von Kleksen auf irgendwelchen Unterlagen; und um dann mit einem Bild und nicht nur mit einer Ansammlung von Kleksen auf irgendwelchen Unterlagen zu beeindrucken, zu berühren, aufzurütteln oder mit ihm etwas noch nie Gesehenes sichtbar zu machen, muss es – zuerst und zuletzt – als Darstellung, als etwas, mit dem etwas dargestellt worden ist, verstanden werden.
Die Behauptung “Dass wir mit ihm etwas darstellen, ist die Voraussetzung dafür, dass wir von etwas sagen, es sei ein Bild” kann ich nicht sehen.
Sie gilt vielleicht dafür, dass wir etwas ein Abbild nennen, da geh ich mit, aber die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts hat haufenweise Bilder produziert, die nicht so funktionieren.
Das musst Du mir noch genauer erklären, damit ich es schlucke.
Da scheint ja ein schon mehrfach besprochenes Thema nun doch irgendwie bei dir angekommen zu sein. Klar, wie überhaupt beim „Bildermachen“ geht´s auch beim Fotografieren darum, etwas darzustellen (und zwar ganz allgemein: Gegenstände und ihre Beziehungen), und nicht nur um eine jeweils ausschnitthafte „Ablichtung“ der optischen Ansicht der Realität, der Wirklichkeit, der Welt von (konkreten) Gegenständen, in der wir leben. Und die Bildkomposition, die freilich beim Fotografieren auf etwas andere Weise geleistet werden muss als beim Malen oder Zeichnen, sollte ja dann wohl in erster Linie der Verdeutlichung dessen dienen, was man mit seinem Bild darzustellen beabsichtigt; und darüber hinaus dem Verständnis dessen, was man damit macht oder machen möchte, dass man das Bild einem Betrachter oder auch mehreren Betrachtern zeigt.
Ja, es sind immer wieder so Streiflichter, die ich schaffe, auf die Themen zu richten. Und es hilft, sich mit Sprache und Sprechen auseinandergesetzt zu haben.
Auch wenn die Parallelen tatsächlich mehr im Verwendungsaspekt als in Struktur und Wirkungsweise liegen. Was mich ein wenig wundert, ist, dass Du in deinen Beiträgen so stark am Darstellungsbegriff hängst.
Gerade im künstlerischen Bereich von Bild und Sprache geht es oft gerade eben nicht ums Darstellen, sondern darum zu beeindrucken, zu berühren, aufzurütteln oder auch einfach nur darum, etwas noch nie Gesehenes sichtbar zu machen. Die Repräsentation ist dabei allenfalls ein Mittel, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.
Sehr anregend, Beitrag und anschließende Dislkussion! Im Moment schreibe ich mehr als zu fotografieren. Dabei stoße ich mich immer wieder an der Begrenzung unserer deutschen Grammatik. Aktuelle Autorinnen wie etwa Susanne Fritz sind da recht frei in der Sprache und erweitern die Ausdrucksmöglichkeiten enorm.
Beim Fotografieren habe ich bisher eigentlich nur das Thema Figur Licht Raum unter der dem Aspekt der Beziehung betrachtet. (https://www.flickr.com/photos/hwspies/albums/72157711510813913/)
Danke für den Verweis auf diene Lehmbruck-Serie. Da geht es tatsächlich sehr stark um die Beziehung von Figur und Raum
und damit genau um das Thema, die Figur nicht einfach in den Focus zu nehmen, sondern sie in Beziehung zu setzen, oder
eben um noch diesen einen Schritt weiterzugehen den Focus ganz auf die Beziehung (oder den Raum) zu legen, womit die Figur
an den Rand rückt oder gar ganz verschwindet. Ein `eye-opener´ für mich war in dieser Hinsicht die Ausstellung “Empty Space” des inzwischen verstorbenen Peter Weilbel
im ZKM über die Skulptur im 20./21. Jahrhundert. Da wurde klar, dass die Rolle des Hauptdarstellers in der Skulptur von der Figur zu Raum gewechselt hat.
Ein wirklich spannender Gedanke: die Beziehungen zwischen den Dingen oder den Menschen zum zentralen Bildinhalt zu erklären. Bei der Realisation entstehen Fragen.
Liebe Grüße, Jürgen
Ja, dass ich da selbst auch noch auf dem Weg bin, hab ich ja am Ende angedeutet.
Es muss ja auch etwas sein, was einem `reinläuft´. Aber es lohnt sich, die Augen auch dafür offen zu haben.
Du hast mit diesen Gedanken doch kürzlich auch gespielt, zwar nicht auf Grammatik bezogen, aber die Beziehung zwischen den Dingen hat dich wohl interessiert, Jürgen.
Ja, genau! Es ging dabei um die Frage wie wir als Betrachter der Gegenstände gedanklich Beziehungen zwischen ihnen herstellen. Und welche! Liebe Grüße!
Dass Sprache und Denken zusammenhängen, davon sind wohl die meisten Menschen überzeugt; auch der Zusammenhang zwischen Denken und Sehen wird zunehmend erkannt, und in dieser allgemeinen Form lese, höre und sage ich das öfter. Du bringst hier – für mich neu – eine Konkretion ein, die mich sogleich als Einsicht anspringt: die Grammatik, na klar! Aber nie so klar gedacht, wie du das durch den Vergleich mit ostasiatischen Grammatiken herausstellst. Ja, die unsere legt nahe, dass das Motiv im Bild an strategisch (wahrnehmungspsychologisch) günstiger Stelle anwesend ist.
Beziehungen? Zu einem weiteren Objekt vielleicht, aber Beziehungen als Hauptakteur? Eine neue, spannende Welt des Denkens, Lesens, Interpretierens und Gestaltens öffnet sich. Und die Frage, ob ich im Rahmen unserer grammatischen Regeln das Sprechen so variieren kann, dass ich diese Subjektbetonung etwas auflöse zugunsten des sich ereignenden Kontextes. Was daraus wohl an Gedanken und Bildern entsteht? Und was für Sätze?
Ja, das ist eine sehr spannende Frage. Ich stelle mir das ein wenig vor wie Meister Joda, der ja auch
das Recht für sich beansprucht, nach seiner eigenen Grammatik zu sprechen, nur hat z.B. mit dem Verb am Anfang.
Zumindest ein Experimentierfeld, und eher im Bereich der Kunst zu realisieren als draußen auf der Straße.
Wer Wert auf Kommunikation legt, sollte auf eine Privatgrammatik lieber verzichten, da stimme ich dir zu. Als Kunstform hingegen könnte ich mir sowas wohl vorstellen, wenngleich ich nicht auf eine große Breitenwirkung wetten würde.