Menu Close

Kostüme und Masken / Costumes and masks

Passend zur Saison, zur fünften Jahreszeit, will ich mal eine Auseinandersetzung mit dem Thema der Masken versuchen. Am Ende des letzten Jahres war ich in Ulm und habe mir die Photoausstellungen im Ulmer Stadthaus angeschaut. Über die Ausstellung „Proof of Work“ von Danny Franzreb über die Menschen, die sich dem Blockchain-Goldrausch widmen, muss ich ein andermal berichten, aber das Thema der anderen beiden Ausstellung war Kostüme und Masken. Im obersten Stockwerk (mit interessantem Ausblick auf das Münster) war die konventionell dokumentarische Ausstellung von Jason Gardner. Er zeigt und Masken und Kostüme in der Fastnacht oder Fasnet, im Karneval und beim Fasching. Er ist um die halbe Welt gereist, um diese Feierlichkeiten zu dokumentieren. Er hat ein paar sehr eindrucksvolle Bilder mitgebracht und es wird deutlich, dass es zwei Haupttypen gibt, dass man in traditionelle Umzüge und festliche Paraden unterscheiden kann, dass aber auf der Welt auch alle mögliche Mischtypen zu finden sind. Er konzentriert sich mehr auf die traditionellen Umzüge und Kostüme, da diese in ihrer Diversität eben auch grundsätzliche Lebensthemen und Identitätsfragen zu verkörpern scheinen.

In keeping with the season, the fifth season, I would like to take a look at the subject of masks. At the end of last year, I was in Ulm and looked at the photo exhibitions in the Ulm town hall. I’ll have to report on the exhibition “Proof of Work” by Danny Franzreb about the people who dedicate themselves to the blockchain gold rush another time, but the theme of the other two exhibitions was costumes and masks. On the top floor (with an interesting view of the cathedral) was the conventionally documentary exhibition by Jason Gardner. He shows masks and costumes in carnival and fancy dress. He has travelled halfway around the world to document these celebrations. He has brought back some very impressive pictures, and it becomes clear that there are two main types, that one can distinguish between traditional parades and festive parades, but that all kinds of mixed types can also be found around the world. Furthermore, he concentrates more on the traditional parades and costumes, as these seem to embody fundamental life themes and identity issues in their diversity.

Einerseits ist es interessant, da so etwas wie einen Überblick präsentiert zu bekommen, andererseits ist es eben auch ein wenig `tutti frutti´ und ein Thema, dass nicht gerade selten photographiert und gezeigt wird. Ich schließe mich dem an und habe aus meinem Fundus schwäbisch-alemannischer Umzüge unten ein paar Hörner-Masken und Kostüme zusammengestellt.

On the one hand, it is interesting to be presented with something like an overview, on the other hand, it is also a bit ‘tutti frutti’ and a subject that is not exactly rarely photographed and shown. I join in and have put together a few horn-masks and costumes from my collection of Swabian-Alemannic parades below.

Viel überraschender die Ausstellung von Suzanne Jongmans einen Stock tiefer. Seltsam bekannt kommen einem die großformatigen Bilder der Serie „Mind over Matter“ vor und das ist kein Wunder, denn sie sind (fast) alle bekannten Gemälden nachempfunden. Aber irgendetwas ist komisch, wenn man näher herangeht, merkt man, dass die Kleider allesamt aus Plastik gefertigt sind. Die aufwendigen Spitzen sind aus Tortenuntersetzern und die Umhänge aus Luftfolien. Geht man noch näher ran, entdeckt man skurrile Details, wie den Fingerring aus einem Verschlussclip (man kann sogar noch einen Teil des Verfalldatums erkennen) oder eine vergessene Nähnadel als Hinweis auf die aufwendige handwerkliche Leistung bei der Erstellung dieser historischen Kostüme. Sehr beeindruckend, wie hier die Sinne getäuscht werden in der Hoffnung, dass die Enttäuschung auch die Augen öffnet für den Zustand unserer Welt.

Much more surprising is the exhibition by Suzanne Jongmans one floor below. The large-format pictures in the “Mind over Matter” series seem strangely familiar, and that’s no wonder, as they are (almost) all based on well-known paintings. But there’s something strange about it: when you get closer, you realize that the clothes are all made of plastic. The elaborate lace is made of cake coasters and the capes are made of air foil. If you get even closer, you discover quirky details such as the finger ring made from a clasp (you can even see part of the expiry date) or a forgotten sewing needle as an indication of the elaborate craftsmanship involved in creating these historical costumes. It is very impressive how the senses are deceived here in the hope that the disappointment will also open our eyes to the state of our world.

Aber was steckt hinter den Masken, was erwartet uns unter den Kostümen? Der Kaiser in seinen neuen Kleidern? Oder etwa das „wahre Selbst“. Sozusagen das nackte Ich, wenn es die `Persona´ ausgezogen hat. Spielen wir nicht immer Rollen, täuschen wir nicht uns selbst und andere, selbst mit radikaler Offenheit, darüber hinweg, dass da nichts dahintersteckt, dass das alles Rollenspiele sind, Schichten von Abgrenzung gegen das Andere. Nach etwas Wahrem hinter den Masken zu suchen ist etwa so, wie wenn man eine Zwiebel Schicht für Schicht entscheidet in der Hoffnung auf einen Kern zu stoßen. Tatsächlich ist da Nichts – nichts dahinter.

Dann doch lieber reinstürzen in den Karneval. Am besten in den #FotoKarneval in Köln am 09.02.24 unter dem Motto `Film Noir´. Schade, dass ich nicht dabei sein kann. Wenn ihr dabei seid, könntet ihr ja in den Kommentaren davon berichten. Wer sich photographisch reinstürzen will, kann ja die Kamera mitnehmen oder gar den Lichtblick-Workshop mit Nikita Teryoshin am 11.-13.2.24 mitmachen.

But what is behind the masks, what awaits us under the costumes? The emperor in his new clothes? Or perhaps the “true self”. The naked self, so to speak, once it has taken off its ‘persona’. Don’t we always play roles, don#t we deceive ourselves and others, even with radical openness, about the fact that there is nothing behind it, that it is all role-playing, layers of demarcation from the other. Looking for something real behind the masks is like deciding to peel an onion layer by layer in the hope of finding a core. In fact, there is nothing – nothing behind it.
So why not plunge into the carnival? Preferably in the #FotoKarneval in Cologne on 09.02.24 under the motto `Film Noir’. Too bad I can’t be there. If you are there, you could tell us about it in the comments. If you want to throw yourself into photography, you can take your camera with you or even take part in the Lichtblick workshop with Nikita Teryoshin on 11-13.2.24 .

2 Comments

  1. Stefan Brendle

    Masken, Kostüme und Karneval – und ob „abgelichtet“ oder nicht? Das Masken- und Kostüme-Tragen könnte man ja zunächst schauspielermäßig verstehen als „So-Tun-als-ob“, als das Vorgeben, bestimmte seltsame (das Freud´sche Unbewusste lässt grüßen) Figuren zu sein. Und das Vorgeben kann sich dann im Zusammenhang karnevalesker Umtriebe, die sich wohl aus irgendwelchen Ritualen entwickelt haben, verwandeln bis zur totalen Identifikation des jeweiligen Akteurs mit der jeweiligen Figur.

    Karneval, Fasching, Fasnet (den genauen Unterschied kannst du mir vielleicht erklären) – als Kind für mich eine prima Gelegenheit, ausgiebig Cowboy zu spielen; für mich als Erwachsenen ganz klar ein Graus (wie Tourismus, Straßenverkehr und Musik-Geplärre).

    Der Mensch als Zwiebel? Hat man kapiert, dass man eigene Gefühle nicht (wie auch immer) wahrnimmt, sondern sie einfach hat, muss man auch nichts mehr in sich suchen, was sich dort nicht finden lässt. Und kann sich dann, indem man sich als handelnder und fühlender Mensch zu seinem in der Praxis stets aufs Neue zur Entscheidung stehenden weiteren Leben verhält, kopfwehlos zu sich verhalten.

    • Rolf Noe

      Die Bezeichnungen für dieses im übrigen weltweit auftretende Phänomen sind regional verankert (hier um den Schwarzwald rum `Fasnet´ in Mainz und Köln eher Karneval) es gibt aber zwei Typen. Der eine eher katholische Typus ist die Parade (Mainz, Köln, aber auch Rio), die sehr geordnet sich durch die Straßen wälzt. Der andere Typ ist der Umzug, der etwas chaotischer abläuft und eher an marodierende Banden erinnert. Zweiterer hat stark ritualistische Züge und wirkt deutlich archaischer (siehe meine Gehörnten-Bilder). Aber beide verfolgen m.A.n. den Zweck mal aus der eigenen Haut (Ich) zu schlüpfen und wenigstens für ein paar Tage basale, archaische Bedürfnisse auszuleben (Es) wobei die Ritualisierung wahrscheinlich dazu dient diese im Zaum zu halten.
      Das mit den Gefühlen müssen wir wahrscheinlich mal an anderer Stelle diskutieren, das sprengt hier sicher den Rahmen.

Leave a Comment / Schreib einen Kommentar

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.