Meine Nachfrage an Harald, ob er Lust hätte, mit ins Kunstwerk zu kommen wurde postwendend freudig bejaht. Nur wenig später kam die Rückfrage, ob ich was dagegen hätte, wenn Michael mitkommt. Das war mir sehr angenehm. So waren wir dann zu dritt.
So trafen wir uns, nach einer längeren Überlandfahrt irgendwo hinter Wiernsheim am Ortsrand von Eberdingen-Nussdorf, wo mitten im Wohngebiet, das vom Folker Rockel designte, architektonische Kleinod des KUNSTWERK steht. Wie schon beim letzten Mal berichtet wird von der `Alison and Peter Klein Foundation´, seit 2009 der Stiftungspreis Fotokunst vergeben, seit 2017 im Dreijahres-Rhythmus. Die Preisträger 2023 werden dann jetzt bis Anfang 2024 feierlich im KUNSTWERK präsentiert.
Im Erdgeschoss geht es dann auch tatsächlich mit Photographien los. Eine kleine Serie von Eva Leitolf von 2007, die zu Stiftungspreis 2011 nominiert war. Wir gerieten ins Gespräch darüber, was wohl die Besonderheit dieser bewusst belanglosen Szenen sein könnte. Die Dame, die später die Führung machen sollte, half uns aus. Es sind Orte, an denen fremdenfeindliche Gewalttaten stattgefunden haben. Ah, plötzlich machte auch der Titel „Deutsche Bilder – eine Spurensuche“ mehr Sinn. Dieses Erleben, dass sich die hier gezeigte Photokunst nicht dem ersten Blick preisgibt, sollte uns durch die ganze Ausstellung begleiten. So rätselten wir uns weiter durch die Exponate, warfen allerdings immer dann einen Blick in das Begleitheftchen oder spitzten die Ohren bei der parallel zu unserem Besuch laufenden Führung, wenn wir mit unseren Mutmaßungen nicht weiterkamen. Ein vergnügliches, kommunikatives Spiel.
Das Motto der Ausschreibung, an dem sich auch die Jury (Stefan Gronert, Ann-Christine Bertrand, Matthias Harder und Ute Noll) orientierte, lautet „Im Inneren“. Da passt die Arbeit von Helena Petersen auf den ersten Blick nicht ganz dazu. Sie arbeitet mit Pyrographie, dazu braucht sie keine Kamera, denn sie belichtet das Photopapier direkt mit Licht, Wärme, Blitzen oder wenn’s sein muss auch mit Schwarzpulver. Aber wenn man sich das Photopapier als empfindlichen, inneren Sensor vorstellt, dann könnten das Bilder von Erschrecken, Überforderung oder gar Traumata sein.
Berit Schneidereit arbeitet mit analogen Bildern, legt beim Drucken/Ausbelichten aber gazeartige dünne Stoffe in den Weg des Lichtes, sodass eine Art Rasterung entsteht, die, würde sie nicht mit den organischen Formen der Ausgangsbilder interagieren, an frühe grobe Rasterungen für Print-Medien erinnern würde. Sie bringt die Techniken von Photographie und Photogramm sehr einfühlsam zusammen.
Die Bilder von Alina Frieske haben uns besonders lange beschäftigt. Man möchte erst mal dran vorbeigehen und sich kopfschüttelnd fragen, was diese Malereien in einer Fotokunstausstellung zu suchen haben. Dann wen man näher ran geht, fragt man sich unwillkürlich, wie sie das wohl gemacht hat. Dann wird in der Photoshop-Kiste gewühlt, „vielleicht mit groben Pinseln/Stempeln/Cut&Paste?“
Wie auch immer, von weitem betrachtet gibt sich ein stimmiges Bild, dass an ein Ölgemälde denken lässt, geht man näher ran, zerfällt das Bild in lauter Einzelelemente, die definitiv digitaler Natur sind, ja manchmal geradezu an `Glitches´ erinnern, wie sie manchmal bei schlechtem digitalem Fernsehempfang bewundert werden können. Viel Stoff für Austausch bis hin zu der Erkenntnis, dass die KI letztlich auch nicht viel anderes macht als lauter geklaute Schnipsel zu was Neuem zu rekombinieren.
My inquiry to Harald , whether he would have like to come with in the KUNSTWERK was imediately joyfully affirmed. Only a little later, the query came whether I would have something against Michael coming along. That was very pleasant to me. So there were three of us.
So we met, after a long overland drive somewhere behind Wiernsheim at the outskirts of Eberdingen-Nussdorf, where in the middle of the residential area, the architectural gem of the KUNSTWERK designed by Folker Rockel stands. As reported last time, the `Alison and Peter Klein Foundation’, has been awarding the Foundation Prize Photo Art since 2009, since 2017 in a three-year rhythm. The prize winners 2023 are presented now until the beginning of 2024 solemnly in the KUNSTWERK.
On the first floor, it actually starts with photographs. A small series by Eva Leitolf from 2007, which was nominated for the 2011 Foundation Prize. We got into a conversation about, what could be the special feature of these deliberately trivial scenes. The lady who was to give the tour later helped us out. They are places where acts of xenophobic violence have taken place. Ah, suddenly also the title “German pictures – a search for traces” made more sense. This experience, that the photographic art shown here does not reveal itself to the first glance, should accompany us through the whole exhibition. So we continued to puzzle our way through the exhibits, but always had a look at the accompanying booklet or pricked up our ears during the guided tour that ran parallel to our visit, whenever we got stuck with our speculations. An enjoyable communicative game.
The motto of the call for entries, which also guided the jury (Stefan Gronert, Ann-Christine Bertrand, Matthias Harder and Ute Noll), was “Inside”. At first glance, the work of Helena Petersen does not quite fit in. She works with pyrography, for which she does not need a camera, because she exposes the photographic paper directly with light, heat, flashes or, if necessary, with gunpowder. But if you imagine the photographic paper as a sensitive, inner sensor, then these could be images of fright, overload or even trauma.
Berit Schneidereit works with analogue images, but during printing/exposure she places gauze-like thin materials in the path of the light, creating a kind of screening that, if it did not interact with the organic forms of the original images, would remind one of early coarse screenings for print media. She brings together the techniques of photography and photogram very sensitively.
Alina Frieske‘s images have occupied us for a particularly long time. At first, you want to walk past them and shake your head, wondering what these paintings are doing in a photo art exhibition. Then, when you go closer, you involuntarily ask yourself how she did it. Then one digs in the Photoshop box, “maybe with rough brushes/stamps/cut&paste?”
However, viewed from a distance, the picture is coherent and reminiscent of an oil painting, but when you get closer, the picture disintegrates into a number of individual elements that are definitely digital in nature, sometimes even reminiscent of ‘glitches’ that can sometimes be admired during poor digital television reception. Much material for exchange, up to the realization that the AI ultimately does not do much other than recombining stolen snippets into something new.
Die cyanoblaue Präsentation von Martina Sauter diente uns als Hintergrund für unser Modell-Shooting mit drei älteren Herren aus der Jeans-Generation, vor entsprechendem Hintergrund.
Die Serie heißt `News:Fiction´ und kombiniert Szenen aus der Berichterstattung mit Szenen aus fiktiven Zusammenhängen zu einer leicht verstörenden Assemblage von Bedrohungsszenarien. Die Tatsache, dass alle Bilder unterschiedlicher Formate durch das uniforme Blau nicht mehr gut zuordenbar (is it science-fiction or is it true?) sind, macht das Ganze irgendwie erschreckend. Mich persönlich hat die zerborstene Disco-Kugel besonders berührt, als Zeitdokument der Siebziger und Symbol der Nimmerwiederkehr.
Sara-Lena Maierhofer ist mit sehr eindrücklichen Photogrammen präsent. Einmal hat sie Photopapier hinter ein ganzes Regal in einem ethnologischen Museum gehalten und die Umrisse der Figuren darin so festgehalten. Dann hat sie Bilder afrikanischer Masken, auf die mit photosensibler Substanz eingepinselten Grundrissmodelle von Museumsfluren projiziert und damit abgebildet.
Bei den Arbeiten von Jette Held, die auch zum Teil ohne Kamera Photokunst macht, haben wir uns ausführlich gefragt, wie sie das gemacht hat. Es sind verschiedene Unterwasserbilder, entstanden in einem aus einem aufgestauten Bach entstandenen kleinen See namens Kuhtränke. Zum Teil sieht es so aus, als hätte sie einfach Photopapier unter Wasser gehalten und festgehalten, was Licht und Wasserbewegung darauf zu zeichnen beliebten.
Sehr lustig war unser Rumraten bei den Bildern von Moritz Partenheimer, der eine Reihe von Parkplätzen mit subtropisch anmutender Vegetation am Rand offensichtlich nachts abgelichtet hat. Wir diskutierten ausführlich, wie er wohl die Beleuchtung hingekriegt haben könnte, nur um nachher einen Halbsatz aus der Führung aufzuschnappen, der darüber aufklärte, dass wohl nur die Laternen auf dem Platz das nötige Licht für die Langzeitbelichtungen geliefert haben.
Im obersten Stockwerk gab es Bilder von Alvin Lay, eine absolute Entdeckung für mich, der immer jammert, dass es in der heutigen Photographie keinen Humor mehr gibt. Weit gefehlt. Da gibt es zum Beispiel die Kaffeemaschine, die sich selbst ertränkt, in neun Bildern. Es gibt das Kodak/Mono-Bild, schwebender Beweis dafür, dass der Film es mit der Batterie getrieben hat. Und vieles mehr.
Am Ende waren wir so mit Kunst gesättigt, dass wir die Körperteile-Bilder von Kathrin Sonntag und die Buntpapier-Schnipsel-Bilder von Jessica Backhaus nur noch im Vorübergehen kurz würdigen konnten.
Das war noch nicht alles, aber komplette Auflistungen führen selten dazu, dass der/die Leser/in Lust bekommt, sich die Ausstellung anzuschauen. Und das solltet ihr/sollten Sie auf jeden Fall tun.
Eine traurige Nachricht überschattete unseren Besuch. Peter W. Klein, der Stifter, ist am 26. Sept. im Alter von 76 Jahren verstorben.
Unsere kleine Landpartie endete im Kaffemühlenmuseum in Wiernsheim, wo wir nicht nur einen Kaffee mit Kuchen, sondern auch nette Gespräche und eine fachkundige Führung von Christine durch mehr als zweihundert Jahre mechanische Kaffeemühlen genießen durften.
The cyano blue presentation by Martina Sauter served as the background for our model shooting with three older gentlemen from the jeans generation, in front of an appropriate background.
The series is called `News:Fiction’ and combines scenes from news coverage with scenes from fictional contexts to create a slightly disturbing assemblage of threat scenarios. The fact that all the images of different formats are no longer easily relatable due to the uniform blue (is it science-fiction or is it true?) makes the whole thing somehow frightening. Personally, I was especially touched by the broken disco ball as a time document of the seventies and symbol of the never-again.
Sara-Lena Maierhofer is present with very impressive photograms. Once she held photographic paper behind a whole shelf in an ethnological museum and captured the outlines of the figures inside. Then she projected images of African masks, on the floor plan models of museum corridors painted with photosensitive substance, and thus depicted them.
In the works of Jette Held, who also makes photographic art partly without a camera, we wondered in detail how she did it. They are various underwater images, created in a small lake called Kuhtränke, which was formed from a dammed-up stream. Some of them look as if she had simply held photographic paper underwater and captured what the light and water movement had chosen to draw on it.
Very funny was our guessing around at the pictures of Moritz Partenheimer, who photographed a row of parking lots with subtropical looking vegetation at the edge, obviously at night. We discussed at length how he might have managed the lighting, only to pick up a half-sentence from the guided tour afterwards that enlightened us to the fact that probably only the lanterns in the square provided the necessary light for the long exposures.
On the top floor there were pictures by Alvin Lay, an absolute discovery for me, who always whines that there is no humour left in today’s photography. Far from it. There’s the coffee machine drowning itself, for example, in nine pictures. There is the floating Kodak/Mono picture, proof that the film did it with the battery. And much more.
By the end, we were so saturated with art that we could only briefly appreciate the body-parts pictures by Kathrin Sonntag and the colored-paper-snippet pictures by Jessica Backhaus in passing.
That was not all, but complete listings rarely lead to the reader getting the desire to look at the exhibition. And you should definitely do so.
Sad news overshadowed our visit. Peter W. Klein, the benefactor passed away on Sept 26 at the age of 76.
Our little country trip ended at the Coffee Mill Museum in Wiernsheim, where we enjoyed not only coffee with cake, but also nice conversation and an expert tour by Christine through more than two hundred years of mechanical coffee mills.
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