Menu Close

Das Ende der Geschichte? / The end of history?

Was würdet ihr sagen wenn euch jemand vorwürfe, ihr würdet mit euren Bildern zum Verschwinden des Geschichtsbewusstseins beitragen. Ja, vielmehr noch, dass unser andauerndes Produzieren von Bildern nicht dem Erinnern dient, sondern dem Vergessen.

Und doch ist das fast schon ein Gemeinplatz der sogar schon in die Populärkultur eingedrungen ist. In dem Song  „Video killed the radio star“ von den Buggles wird das Einbrechen der Bilder und damit der Prozess beschrieben, wie ein Medium das andere verdrängt. Marshall McLuhan hat schon in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts gezeigt, dass die neuen Medien das geschriebene Wort verdrängen und damit die ausführlichen geschriebenen Orientierungslinien (von der Bibel und den Aristotelischen Schriften bis hin zum Kapital von Karl Marx oder dem Grundgesetz) verwischen.  Und die neuen Medien (Foto, Fernsehen, Video, Internet) haben eines gemein; Sie sind im Wesentlichen bilddominiert.

„…wir sagen, dass der technologische Mensch bei der visuellen Metapher Zuflucht suchen muss, indem er eine neue vereinheitlichte Sprache für die Vielfalt der Kulturen der gesamten Erdkugel erfindet.“  (McLuhan `Kultur ohne Schrift´ 1953)

McLuhan denkt noch dass wir nach dem `Untergang´ der Schrift wieder im globalen Weltendorf am Feuer sitzen und uns Geschichten erzählen werden. Wenn man für Feuer facebook einsetzt und für die Geschichten die kurzen Prosaformen der sozialen Medien stimmt es ja irgendwie doch und das das Gedächtnis der sozialen Medien keine 24 Stunden währt kann man schon behaupten ohne was falsches zu sagen. Die Auswirkungen im Sozialen sieht er so:

„Wie unsere Sinne außer uns getreten sind, kommt der große Bruder hinein. Wenn wir uns dieser Dynamik nicht bewusst sind, verfallen wir plötzlich in eine Phase panischer Ängste, genau wie in einer kleinen Welt mit Stammestrommeln, totaler Abhängigkeit und überlagernder Koexistenz. […] Furcht ist der Normalzustand jeder mündlichen Gesellschaft, da in ihr alles alle zugleich betrifft.“  (McLuhan Gutenberg Galaxis)

Ich denke dass es sich mitnichten um eine Rückkehr zum Vorschriftlichen handelt sondern dass wir eine komplett neue Form der kollektiven Selbstvergessenheit und permanenten Irritation betreten, in der wir zwar noch Dinge konsumieren aber sich der Schwerpunkt zunehmend auf den Austausch von Daten verschiebt. Die Bilder sind, in welchem Medium sie auch immer auftreten Ersatz für die Dinge geworden, die Sie abbilden. Die sinnliche Erfahrung dient eigentlich nur noch als Futter für die unersättlichen `content-Verschlingungs-Maschinen´.

Aber was tun? Wie der Bilderflut entkommen?  Villem Flusser macht einen Vorschlag:

„ Wir können nicht gegen den Bilderstrom in Richtung der guten alten Bilder rudern, sondern müssen, wenn wir nicht ertrinken wollen, entweder schneller rudern als der Strom oder seitwärts in der Hoffnung einen Ankerplatz zu finden. Da wir die guten alten Bilder nicht mehr herstellen können, müssen wir entweder noch weit neuere bewegte und tönende Bilder schaffen, als es die uns umspülenden sind, oder wir müssen `stille´ Bilder herstellen, welche die Bilderflut überragen. Die guten alten Bilder wurden geschaffen, wann immer jemand Abstand von einem Gegenstand nahm, um ihn zu betrachten und das Erblickte für andere zugänglich zu machen. Dieser Schritt zurück vom Objektiven ins Subjektive und die darauf folgende Wendung ins Intersubjektive bilden eine außerordentlich komplexe Geste…“

What would you say if someone accused you of contributing to the disappearance of the historical consciousness with your pictures? Further, that our constant production of images is not for remembering, but forgetting.

And yet this is almost a commonplace that has even entered into popular culture. In the song “Video killed the radio star” by the Buggles, the seeping in of the images and thus the process of how one medium replaces another is described. As early as the second half of the last century, Marshall McLuhan showed that the new media are driving out the written word and blurring the detailed written guidelines (from the Bible, Aristotelian writings to the `Kapital´ of Karl Marx or the `Grundgesetz´). And the new media (Photo, TV, Video, Internet) have one thing in common; They are essentially image-dominated.

“… we say that technological man must seek refuge in the visual metaphor by inventing a new unified language for the diversity of cultures throughout the globe.” (McLuhan ‘Culture without Scripture’ 1953)

McLuhan still thinks that after the `extinction´ of Scripture, we will sit by the fire again in the global world village and tell each other stories. If you use facebook for fires and for the stories the short prose forms of the social media it’s true anyway and that the memory of social media does not last 24 hours you can say without saying anything wrong. He sees the effects in social as follows:

“As our senses have stepped outside us, the big brother is coming in. When we are unaware of this dynamic, we suddenly fall into a phase of panic fears, just as in a small world of tribal drumming, total dependence, and overlapping coexistence. […] Fear is the normal state of every oral society, since everything affects everyone at the same time. “(McLuhan Gutenberg Galaxis)

I think that it is not a return to the prescriptural, but that we are entering a completely new form of collective self-forgetfulness and permanent irritation, in which, while we still consume things, the focus increasingly shifts to the exchange of data. In whatever medium they appear, the images have become a substitute for the things they represent. The sensual experience actually only serves as food for the insatiable `content-eating-machines’.

But what to do? How to escape the flood of images? Villem Flusser makes a suggestion:

“We cannot row against the stream of images in the direction of the good old pictures, but if we do not want to drown, we have to row faster than the stream or sideways in the hope of finding an anchorage. Since we can no longer produce the good old pictures, we either have to create much more recent moving and sounding pictures than are those around us, or we have to produce ‘still’ pictures that tower above the flood of pictures. The good old pictures were created whenever someone took a distance from an object to look at it and to make the vision accessible to others. This step back from the objective to the subjective and the subsequent turn into the intersubjective form an extraordinarily complex gesture … “

The citations (im sorry for that) are translated from german back into english by me and some internet translator. Hope some of the meaning is preserved.

5 Comments

  1. JOHNDOE

    Gehen wir in der Zeit mal etwas zurück, als das Buch das Medium überhaupt war. Hätte dann eine Bücherflut, mit großteils schlechten Büchern zum Vergessen beigetragen?

    • Rolf Noe

      Das klingt einleuchtend, hält aber einer näheren Prüfung kaum stand. Bekannt ist dass neue Medien (auch Transportmedien wie z.B. die Eisenbahn) bei ihrer Einführung Unbehagen erzeugen und zu apokalyptischen Voraussagen verleiten. Später wenn man sich dann an die Beschleunigung des Lebens gewöhnt hat sagt man dann, dass alles halb so wild war. Das ist ja aber gerade die Botschaft von McLuhan oder Flusser, die schon am Anfang der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts geahnt haben dass die Explosion der Bilder unser Leben verändern wird. Es ist eben nicht so dass eine Medium nur eine Übermittlungsinstanz ist, die die Botschaft transportiert. Das Medium prägt nach beiden Seiten. Es verändert den Sender ebenso wie den Empfänger. In einem Bild ausgedrückt; das Wasser ändert seine
      Bedeutung je nachdem ob es aus einer Karaffe, einem Wasserhahn, einer Dusche oder einem Loch in der Decke kommt. Nehmen wir mal als Beispiel akustische Medien wie Vorlesen, Radio, Platten oder CDs, mp3- download und Streaming-Dienste. Die Auswirkung auf die Rezipienten kommt vom Medium, denn transportiert werden nach wie vor Geschichten, Nachrichten oder Musik. Vorlesen und Platten binden den Hörer z.B. an einen bestimmten Ort, man kann sich nicht viel bewegen. Mit dem Autoradio und später mit dem walkman wurde die Musik mobil. Heute Joggt man mit dem Knopf im Ohr. Alle Medien bis zum download implizierten, dass man sozusagen im Kopf oder im Regal hat was man hören will, mit den streaming-Diensten ist man auch von dieser Notwendigkeit befreit. Das ist schön, führt aber (wahrscheinlich) dazu, dass man die Fähigkeit in einem gewissen Gebiet einen Überblick zu behalten mangels Notwendigkeit verliert. Natürlich kann es auch sein, dass wir noch was viel Tolleres mit der freigewordenen Kapazität anfangen. Kann schon sein. Die Medienanalyse stellt das nur fest, muss also nicth zwangsläufig in Kulturpessimismus münden. Nun können wir mal versuchen diese Erkenntnisse auch Bücher und Bilder zu übertragen…

      • JOHNDOE

        Ich würde sagen, der Vergleich mit den Büchern hält einer näheren Prüfung doch stand. Eine Übeflutung mit Büchern hätte dann zum Vergessen geführt. Man hätte die wichtigen Dinge aus dieser Masse nicht mehr herausfiltern können. Die Informationen sind zwar noch vorhanden, ein Zugriff darauf wird aber immer schwieriger. Mit der Bilderflut heute ist es genauso. Wir haben heute Suchmaschinen, mit denen wir in den riesigen Datenmengen suchen können. Je größer diese Datenmengen sind, desto schwieriger wird es aber darin zu suchen. Auch gute Suchalgorithmen können dies nicht kompensieren. Die Informationen sind zwar vorhanden und in diesem Sinne nicht verloren, aber sie werden vergessen.

        • Rolf Noe

          Die Überflutung ist ein Teil des Problems, aber damit könnte man ja wie in ihrem Text angedeutet einigermaßen umgehen. Was viel schlimmer ist ist die Fragmentierung der Informationen. Was heutzutage an Bildern und Texten im Internet rumschwebt besteht in der Masse aus Bildern, die nur bedingt und nicht eindeutig Informationen übermitteln können und aus, in der Regel, kurzen Texten, die auch nur bedingt Informationen transportieren. Bücher hingegen sind ein Medium, dass schon immer dazu gedient hat Informationen zu sammmeln, komplexe Zusammenhänge darzustellen und Positionen ausführlich vorzustellen. Bücher sind ja auch nicht verschwunden, aber Sie werden immer weniger und in immer kleineren spezialisierten Kreisen gelesen. Wir werden zu diesem Thema wahrscheinlich nochmal einen Text im blog veröffentlichen. Auch zu der Frage was das emotional mit uns macht.

Leave a Comment / Schreib einen Kommentar

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.