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Alec Soth in München /Alec Soth in Munich

Wahrscheinlich habe ich dieses Bild zum ersten Mal in der `Photonews´ gesehen und dann noch mal woanders. Wer macht denn sowas? war sofort die Frage. Die Antwort kam von einem Ausstellungsplakat: Alec Soth “Gathered Leaves” bis 24.7.22 in München im Kunstfoyer der Versicherungskammer. Gut, dass in München ein Jugendfreund wohnt, den ich schon lange nicht mehr gesehen habe. So kam ich dazu das Bild des Bastlers Charles vor seinem Haus irgendwo am Mississippi zu sehen. Er hält zwei Modellflugzeuge in den Händen und scheint zu sagen “Ich kann nicht anders, so bin ich halt”. Das Bild ist ein Teil von Alec Soth’s (betont wie in both) Projekt “Sleeping by the Mississippi”, dass er um die Jahrtausendwende herum fotografiert hat. Die Bilder sind alle am Mississippi entstanden, an dessen Oberlauf der Fotograf wohnt, aber sonst hält sie nur zusammen, dass sie für Soth  alle etwas mit Schlafen oder Träumen zu tun haben. Da wo er Menschen photographiert tut er dies aus einem Dialog heraus. Er fragt auch gerne danach, wovon die Menschen träumen, die er und seine Großbildkamera in Posen fotografiert, die zwar gestellt sind, aber trotzdem immer etwas von dem Menschen offenbaren. Er trifft die Menschen zufällig, es gibt keinen Plan auch kein Thema. Und es sind bei weitem nicht nur Menschen. Auch von Menschen geprägte Landschaften oder Details aus dem Alltag, Ansichten, auf die er zufällig stößt, die es aber sehr bewusst auswählt, wie die am Schilfufer schwimmende Matratze.

I probably saw this picture for the first time in `Photonews’ and then again somewhere else. Who does that? was the immediate question. The answer came from an exhibition poster: Alec Soth “Gathered Leaves” until 24.7.22 in Munich in the Kunstfoyer of the Versicherungskammer. It’s a good thing that a childhood friend lives in Munich whom I haven’t seen for a long time. That’s how I came to see the picture of the hobbyist Charles in front of his house somewhere on the Mississippi. He is holding two model planes in his hands and seems to be saying “I can’t help it, that’s just the way I am”. The image is part of Alec Soth’s (emphasised as in both) project “Sleeping by the Mississippi” that he photographed around the turn of the millennium. The pictures were all taken on the Mississippi River, on whose upper reaches the photographer lives, but otherwise the only thing that holds them together is that for Soth they all have something to do with sleeping or dreaming. Where he photographs people, he does so out of dialogue. He likes to ask what the people he and his large-format camera are photographing are dreaming about, in poses that are posed but always reveal something of the person. He meets people by chance, there is no plan, no subject either. And it is by far not only people. There are also landscapes shaped by people or details from everyday life, views that he comes across by chance but chooses very deliberately, like the mattress floating on the reed bank.

Und dies ist nur eines von 5 Projekten, die in der Ausstellung versammelt sind. Die frühen Projekte zum Mississippi und zu den Niagarafällen orientieren sich noch an geographischen Zusammenhängen. “Broken Manual” zeigt Aussteiger und Zivilisationsflüchtlinge bzw. ihre Behausungen oder Utensilien.

And this is only one of 5 projects that are gathered in the exhibition. The early projects on the Mississippi and Niagara Falls are still oriented towards geographical contexts. “Broken Manual” shows dropouts and refugees from civilisation or their dwellings or utensils.

“Songbook” sucht hingegen Orte der Zusammenkunft auf, Versammlungsräume und Bürgerprojekte und ist als einzige der Serien komplett in Schwarzweiß gehalten. Das liegt auch daran, dass es in Form von Lokalzeitungen veröffentlicht wurde.

“Songbook”, on the other hand, seeks out places of gathering, meeting rooms and civic projects, and is the only one of the series to be entirely in black and white. This is also because it was published in the form of local newspapers.

“Niagara” zeigt Spuren der Liebe. Die neuen Projekte gehen alle auch aus der Auseinandersetzung mit spezifischen Medien hervor und dies zeigt sich in der Ausstellung in Form von Schaukästen. Für „A Pound of Pictures“ hat Soth kistenweise alte Familienbilder gekauft, um rauszubekommen wie man so photographiert, wenn man kein Profiphotograph ist. Für “Broken Manual” hat er Anleitung für das Leben in der Wildnis oder über das effektive Verschwinden (z.B. durch vorgetäuschtes Ableben) gesammelt. Im Projekt Niagara setzt er sich mit Liebesbriefen und anderen Spuren der Liebe auseinander.

“Niagara” shows traces of love. The new projects all emerge from an exploration of specific media, and this is reflected in the exhibition in the form of showcases. For “A Pound of Pictures”, Soth bought boxes of old family pictures to find out how to photograph when you’re not a professional photographer. For “Broken Manual” he collected guidance on living in the wilderness or on effective disappearance (e.g. by feigned demise). In Project Niagara, he deals with love letters and other traces of love.

In den Schaukästen sind zum Teil auch die verschiedenen Auflagen der aus dem Projekt hervorgegangen Bücher ausgestellt – und damit ein extrem wichtiger Teil der Bilderwelt von Alex Soth. Neben Ausstellung sind Bücher sein wichtigstes Medium. Sein Verlag `Little Brown Mushroom´ verlegt nicht nur seine Bücher. Überhaupt finde ich, dass Alec Soth inmitten und für Bücher lebt. Zumindest kann man den Eindruck bekommen, wenn man seine Homepage besucht. Für seine YouTube-Videos hat er extra eine Präsentationsform entwickelt, um zeigen zu können, wie er in Büchern blättert, während er darüber spricht. Ein Video, das für mich extrem wichtig war, um zu verstehen, warum Alec Soth solche und nicht andere Bilder macht, waren seine Bemerkung zum Buch „The Democratic Forest“ von William Eggleston. Nicht nur, dass alles photographierbar ist, auch dass, die dabei entstehenden Bilder mit ästhetischem Genuss rezipiert werden können, dafür steht Alec Soth.

Some of the various editions of the books resulting from the project are also on display in the showcases – and thus an extremely important part of Alex Soth’s world of images. Besides exhibitions, books are his most important medium. His publishing house ‘Little Brown Mushroom’ not only publishes his books. In general, I find that Alec Soth lives in the midst of and for books. At least that’s the impression you get when you visit his homepage. For his YouTube videos, he has developed a special presentation form to show how he leafs through books while talking about them. One video that was extremely important for me to understand why Alec Soth takes such pictures and not others was his comment on the book “The Democratic Forest” by William Eggleston. Not only that everything can be photographed, but also that the resulting images can be received with aesthetic pleasure – that is what Alec Soth stands for.

4 Comments

  1. Rolf Noe

    Für Alle diejenigen, die in den nächsten Wochen in Berlin sind. Alec Soth’s neuestes Projekt “A Pound of Pictures” ist dort, ab diesem Wochenende, im Rahmen der ‘Berlin Photo Week´ im Art Lab der Stiftung Reibeckhallen (https://en.stiftung-reinbeckhallen.de/ ) in der Reinbeckstraße zwischen 16 und 20 Uhr (am WE 11-20) zu sehen.

  2. Andreas

    Danke für deinen Bericht, der mir den Besuch ersetzen muss, denn ich wäre auch hingefahren, aber der Dienstplan zeigt diesen Monat nicht die kleinste Lücke. So kann ich mir immerhin vorstellen, was ich verpasst habe, und nehme das als Anlass, die Bücher mal wieder aus dem Regel zu ziehen.

    • Rolf Noe

      Das freut mich. Wenn Du die Bücher hast, ist es sicher ein Vergnügen, mal wieder drin zu stöbern. Da ich bisher wenig Aufmerksamkeit auf Alec Soth hatte, hab ich mir mal als Einstieg den Katalog zu dieser Ausstellung bestellt, der Bilder aus allen Projekten enthält. Das ist natürlich nur ein schwacher Ersatz für die Originale. Stimmt es, dass er in “A pound of Pictures” Originale der Bilder eingelegt hat, die er für dieses Projekt pfundweise gekauft hatte?

      • Andreas

        A pound of pictures habe ich (noch) nicht, aber in “Parameters of our Cage” lagen Bilder drin, allerdings ist das ja eher ein Briefwechsel, kein Fotobuch.

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