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Am Rande der inszenierten Fotografie / On the edge of staged photography

Als ich mich, noch vom Eindruck des ersten Rundgangs durch Peter Lindberghs Ausstellung ‘untold stories’ im Kunstpalast in Düsseldorf einigermaßen erschlagen, auf dem einzigen Ruheplatz in der Ausstellung niederließ stellte ich mir die Frage, mit welchem Stichwort ich diesen meinen ersten Eindruck zusammenfassen würde?

Die verhaltene aber tiefe Emotionalität in den Bildern trifft mich echt hart und wenn sie nur gestellt oder gekünstelt wäre, wäre es halb so schlimm. Dann könnte man es einfach wegstecken. Es ist aber, und damit habe ich das Wort gefunden, dass ich gesucht hatte, kompromisslos authentisch. Und da macht es keinen Unterschied, ob es sich um Sequenzen in gestellten oder zumindest verabredeten Shootings oder um Zufallstreffer am Rande dieser Shootings handelt. Alle sind authentisch vom Aktmodell bis hin zum Stier, der einfach nur da steht und auf den Boden starrt.

Auf den zweiten Blick sieht man auch die ruhigeren Bilder; stimmungsvolle Landschaften, Details, zufällige Überlappungen. Lindbergh hat die Ausstellung selbst kuratiert und darauf bestanden, dass die Bilder mit minimalen Kontextinformationen gezeigt werden. Name der Person und Name des Ortes. So lässt sich auch schwer unterscheiden (es sei denn, man kennt das Werk Lindberghs – was ich nicht tue), welche Bilder als Ergebnisse von Auftragsarbeiten und welche am Rande dieser Gelegenheiten entstanden sind. Eine deutliche Ausnahme gibt es allerdings. Hier ist klar, dass es sich um ein Projekt und zwar um ein sehr persönliches handelt. Bilder und ein Video eines zu Tode verurteilten Menschen sind in einem von der restlichen Ausstellung abgetrennten, verdunkelten Raum zu sehen. Hier erzählt Lindbergh recht ausführlich wie intensiv er sich mit dem Thema beschäftigt hat. Es sind alles Portraitaufnahmen auch das Video und doch enthalten sie ohne ein einziges Wort alles was zu diesem Thema zu sagen wäre.

In einem täuschte sich Lindbergh bei der Zusammenstellung dieser Ausstellung die ihn nach Aussage von Anton Corbijn (Photonews Nr 7-8/2020) unendlich Zeit und Mühe gekostet hat. Er meinte es sei keine Retrospektive aber der Tod der ihn im September 2019 mit nur 74 Jahren ereilte belehrte uns eines Besseren. So ist diese Ausstellung die  parallel im Kunst- und Gewerbemuseum in Hamburg und im K20 in Düsseldorf zu sehen war und die ab Dezember diesen Jahres ins Hessische Landesmuseum in Darmstadt umziehen wird doch eine Art Vermächtnis geworden, das zeigt dass Lindbergh nicht nur der Modephotographie zu einer Wende hin zu mehr Authentizität verholfen, sondern auch einen Stil entwickelt hat der über die Grenzen der Modephotographie hinaus Geltung behalten wird.

Was mich ein wenig befremdet hat waren die zwei mit Lindberghs Bildern voll tapezierten Räume am Beginn und Ende der Ausstellungräume. Nicht dass die Bilder weniger eindrucksvoll waren als die Gerahmten. Aber die Form der Präsentation hat sich mir nicht ganz erschlossen. Das Lebenswerk eines Fotografen als Phototapete?

As I was still somewhat overwhelmed by the impression of the first tour of Peter Lindbergh’s exhibition ‘untold stories’ in the Kunstpalast in Düsseldorf, I asked myself the question, with which keyword would I summarize my first impression?

The restrained but deep emotionality in the pictures hits me really hard and if it was only fake or artificial, it wouldn’t be half as bad. Then you could just put it away. But it is, and with that I found the word I was looking for, uncompromisingly authentic. And there it makes no difference whether it is a sequence in staged or at least arranged shoots or a chance hit on the fringes of these shoots. All are authentic from the nude model to the bull just standing there staring at the ground.

At second glance, one also sees the quieter pictures; atmospheric landscapes, details, random overlaps. Lindbergh curated the exhibition himself and insisted that the pictures be shown with minimal contextual information. Name of the person and name of the place. This also makes it difficult to distinguish (unless one is familiar with Lindbergh’s work – which I am not) which pictures are the results of commissioned work and which were taken on the fringes of these occasions.

There is one clear exception, however. Here it is clear that this is a project and a very personal one at that. Pictures and a video of a person sentenced to death can be seen in a darkened room separated from the rest of the exhibition. Here Lindbergh tells in detail how intensively he has dealt with the subject. They are all portraits, including the video, and yet without a single word they contain everything that could be said on the subject.

Lindbergh was mistaken in one respect when putting together this exhibition which, according to Anton Corbijn (Photonews No. 7-8/2020), cost him endless time and effort. He said it was not a retrospective, but the death that befell him in September 2019 at the age of 74 taught us otherwise.

So this exhibition, which was  on show at the Kunst- und Gewerbemuseum in Hamburg and the K20 in Düsseldorf at the same time, and which will move to the Hessisches Landesmuseum in Darmstadt in December this year, has become a kind of legacy, showing that Lindbergh not only helped fashion photography to a turn towards more authenticity, but also developed a style that will be valid beyond the boundaries of fashion photography.

What struck me a little bit was the two rooms at the beginning and end of the exhibition rooms, fully wallpapered with Lindbergh’s pictures. Not that the pictures were less impressive than the framed ones. But the form of the presentation was not quite clear to me. The life’s work of a photographer as a photographic wallpaper?

Translated with the help of www.DeepL.com/Translator

2 Comments

  1. Andreas

    Danke für deinen schönen Bericht. Ich hatte mir, weil ich wusste, dass ich irgendwann im Laufe des Sommers im hohen Norden landen würde, vorgenommen, die einmalige direkte Möglichkeit eines Ausstellungsvergleichs wahrzunehmen, denn D-dorf ist ja bei mir um die Ecke. Angefangen habe im im MKG. Zunächst war ich absolut geflasht, möchte ich mal sagen. Die riesigen Tapeten hängen in Hamburg im prunkvollen Treppenhaus, da denkt man schon aha. Statt einer riesigen Halle ist die Ausstellung in Hamburg auf mehrere Säle verteilt, im Prinzip aber genauso dicht gehängt. 140 Bilder stand in der Ankündigung, da hatte ich gedacht, das dauert eine Weile. Für die Reservierung in D-dorf hatten wir sogar extra noch mal umgebucht, weil uns eine Stunde Zeit viel zu wenig erschien.
    Aber diese Ausstellung lädt eigentlich nirgendwo zum Verweilen ein. Leider inhaltlich und von der Gestaltung her.
    Inhaltlich sieht man nämlich vor allem Profi-Gesichter. Gesichter, die das Vorspielen gewohnt sind, und irgendwie passt das auf die Ausstellung. Sie spielt Größe vor. Die Abzüge sind riesig, aber ich finde keine Details, in die ich mich versenken kann, stattdessen habe ich das Gefühl, hier geht Masse vor Klasse. Versenken kann ich mich aber auch in kein Bild, weil an der gegenüberliegenden Wand immer auch ein fettes Arrangement hängt und sich in dem Bild spiegelt, dass ich aktuell betrachte. Da gibt es nie nicht irgendeine Ruhe.
    Klar könnte das auch Konzept sein. Ich erschlage euch mit meinen Bildern, und wer sie wirklich gucken will, muss sich eben richtig Mühe geben. (Ich erschlage euch mit Bildern, denn dazu sind sie da.) Das Spiegelkonzept geht ja auch an anderer Stelle unglaublich gut auf, in dem abgedunkelten Saal mit den Aufnahmen des Todeskandidaten. Hier ist außer dem Mann im orangen Häftlingsanzug alles komplett in Schwarz gehalten, in Hamburg genauso wie in D-dorf, und wow: Wenn man sich ein wenig im Raum bewegt, hat man in jedem Bild zu Teil zwei, drei Spiegelungen von den anderen Bildern (alle Porträts wurden aus der gleichen Kameraeinstellung gemacht). Neben dem Hauptausdruck leuchtet im Hintergrund immer ein anderer gespiegelter Ausdruck. Das fand ich sehr beeindruckend.
    Erstaunlicherweise würde ich sagen: Dieser Raum hat mich mit den anderen Spiegelsälen versöhnt, und vielleicht (so denke ich gerade in der Rückschau) ist das auch der Schlüssel zu den Model- und Schauspieler-Porträts. Denn die Häftlingsaufnahmen sprechen ja durch minimalste Veränderungen, und dass könnte immerhin auf das extrem strenge Hängekonzept verweisen.

    Vielleicht muss ich doch noch nach Darmstadt… Gruß, Andreas

    • rolfnoe

      Danke , Andreas für deine zweite Meinung. In einigen Eindrücken waren wir uns ja einig und möglicherweise weisen die unterschiedlichen Eindrücke ja auch auf die verschiedenen Facetten eines so faszinierenden Photographen hin, der eben nicht nur Modephotograph war sondern auch ein wenig auf diesem seinem Terrain getanzt hat. Was mich auch fasziniert hat ist die Tatsache dass ja die Ausstellung wegen Corona kurzerhand dupliziert wurde statt zu reisen. Das hat der Hängung an den unterschiedlichen Standpunkten sicher gut getan.

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