Ich habe mich schon eine ganze Weile mit dem Gedanken getragen über Photo-Metaphern zu schreiben. Ich dachte dabei an Ausdrücke oder Redewendungen aus dem Photographen-Bereich, die in unsere Alltagssprache Eingang gefunden haben. Ich hatte auch schon einige Beispiele gesammelt. Etwa: “ich möchte mich mehr auf diese Aufgabe fokussieren “, dabei möchte ich meinen Gegenstand „ins rechte Licht rücken” und so weiter. Diese Metaphern spiegeln auch immer ein wenig die Entwicklung der Medien wider, wenn z B. aus „sich etwas ausmalen“, „sich ein Bild machen“ wird.
Dass diese Benutzung von Metaphern aus dem Bereich bestimmter Medien auf unser Alltagsleben sehr zeitabhängig ist, kann man nachvollziehen, wenn man sich anschaut, wie mentale Vorgänge des Erinnerns beschrieben werden. Das Gedächtnis wurde lange verglichen mit Texten, die in einer Art Bibliothek abgelegt werden, später vielleicht mit Magnet-Bändern oder Filmrollen, die in einem Regal gestapelt werden. Noch später dann mit Daten, die gesammelt und schließlich auf Festplatten gespeichert werden. Heute im Zeitalter der Netzwerke „weiß“ man, dass Sinnes-Eindrücke in einem komplexen Netzwerk in verschiedenen Gehirn (und Körper?)-Regionen hinterlegt sind und je nach Trigger über die verschiedensten sinnlichen und mentalen Vorgänge aktualisiert werden können.
Dann lief mir, wie so oft in solchen Situationen, das Buch „Bilder der Photographie“ von Bernd Stiegler über den Weg, der diese Prozesse der Übertragung, des bildhaften Sprechens in beide Richtungen in den Blick genommen hat. Er findet vor allem auch eine Menge an Sprach-Bildern aus anderen Bereichen, die benutzt wurden und werden, um Photographie zu beschreiben. Um die Bandbreite dieser Metaphern für die Photographie zu ermessen, genügt ein Blick ins Inhaltsverzeichnis. Hier eine kleine Auswahl:
Photographie
- als Archiv,
- verhilft Verstorbenen zur Auferstehung,
- hält den Augenblick fest,
- bringt Bilder als Beute heim,
- lässt eine Bibliothek entstehen,
- ist ein Dokument,
- oder auch eine Fossilie,
- als unbestechliches Foto-Auge,
- als Geschichtsschreiberin,
- als Licht-Schrift,
- aber auch als Lüge,
- ist immer auch ein `Memento mori´,
- eine Waffe,
- oder Zauberlampe,
- ein Zeuge des Geschehens usw.
Man sieht also, wie viele „Bilder“ bemüht werden mussten, und weiter benutzt werden, um die vielfältigen Aspekte des Photographierens zu verdeutlichen, zu erklären oder auf einen bestimmten Aspekt zuzuspitzen.
Aus meiner Sicht sind Metapher ein Werkzeug, mit dem ich – die Lebens-Welt meines Kommunikations-Partners antizipierend – versuchen kann, ihn zu etwas zu bewegen oder zumindest in ihm ein Bild entstehen zu lassen, dass ihm hilft, meine Gedanken nachzuvollziehen. Ich gehe damit natürlich immer das Risiko ein, dass meine Metaphern nicht oder falsch verstanden werden, aber dann kann ja zurückgefragt werden. Ein weiterer Fallstrick ist, dass ich das durch die Metapher installierte Bild überstrapaziere und damit ihren Erklärungswert wieder verderbe.
Ich muss zugeben, dass ich die Verwendung von Metaphern im Allgemeinen noch nicht ganz durchdrungen habe. Es gibt Philosophen, die meinen, man könne gar nicht anders sprechen als in Metaphern. Und es gibt von der Logik her kommende Sprachphilosophen, die sich fragen, wie so etwas Inexaktes und Vages wie eine Metapher überhaupt `verstanden´ werden kann.
Mein Studienfreund Stefan hat sich die Mühe gemacht kurz zusammenzufassen, wie die Verwendung von Metaphern aus handlungstheoretischer Sicht, verstanden werden kann:
„Unter Rückgriff insbesondere auf Gerd Fritz, Einführung in die historische Semantik, Tü 2005 könnte man aus einer gebrauchstheoretisch am “späten” Wittgenstein orientierten sprachanalytischen und linguistischen Sicht vielleicht sagen: Was einen sprachlichen Ausdruck zur Metapher macht, ist seine metaphorische Verwendung im Zusammenhang regelhafter kommunikativer Handlungen. Und: Die metaphorische Verwendung ist eine allgemein verbreitete (nicht etwa nur literarische) sprachliche Technik, die in vielfältigen Funktionen eingesetzt wird.
Wie fürs Verständnis sprachlicher Handlungen überhaupt benötigt man auch fürs Verständnis metaphorisch gebrauchter sprachlicher Ausdrücke immer ein bestimmtes Wissen: Die Sprecher/Schreiber setzen es bei den Hörern/Lesern voraus.
Als charakteristisch für die metaphorische Verwendung sprachlicher Ausdrücke lässt sich die Verknüpfung unterschiedlicher Gegenstandsbereiche ansehen (vgl. Fritz, S.81): Wenn man zum Beispiel von einem Studenten in Bezug auf dessen Examen sagt, dass er “zum Endspurt ansetzt”, verwendet man einen Ausdruck aus dem Bereich des Sports, um über den Bereich intellektueller Aktivitäten zu reden (vgl. Fritz, S.81). Und zumindest teilweise kann man sich dann die metaphorische Verwendung erklären, indem man den Zusammenhang zwischen den beiden Bereichen in Form eines Vergleichs explizit macht: Unter der Annahme, dass “zum Endspurt ansetzen” noch keine gebräuchliche Wendung wäre (siehe unten), könnte man die Äußerung deuten auf Grundlage eines (gemeinsamen) Wissens über beide Gegenstandsbereiche (Wissen über Mittel- o Langstreckenläufe, Wissen über Examensvorbereitungen): Der Sprecher gibt zu verstehen, dass sich der Examenskandidat in gewisser Hinsicht wie der Läufer in der Schlussphase seines Laufs verhält. (Vgl. Fritz, S.81)
Für metaphorische Verwendungen gibt es Vorbilder oder sogar etablierte metaphorische Muster (vgl. Fritz, S. 81). Beispiele für solche Muster wären: Man kann über Aktivitäten des beruflichen Alltags reden, als seien sie sportliche Aktivitäten: “die Latte hoch legen”, “noch eine Runde arbeiten”, “jemanden überrunden”; “ein Eigentor schießen”, “eine Vorlage geben”. Man kann über den Verlauf des Lebens wie über einen Weg reden: “der Lebensweg”, “vom Weg abkommen”, “auf die schiefe Bahn geraten”. Man kann über eine Maschine wie über einen Organismus reden: “der Motor ist altersschwach, stark, säuft zu viel”. (Vgl. Fritz, S.81)
Betrachtet man die Geschichte metaphorischer Verwendungen, dann lassen sich eine innovative (neuartige) Verwendung von einer konventionellen (regelhaften) Verwendung und von Ex-Metaphern (toten Metaphern) unterscheiden.
Bei der innovativen metaphorischen Verwendung zeigen sich die Besonderheiten des metaphorischen Redens besonders deutlich, ein starker Überraschungseffekt ist möglich, Gebrauch und Verstehen stützen sich auf einschlägige Wissensbestände in Ausgangs- und Zielbereich und auf metaphorische Vorbilder und/oder Muster. (Vgl. Fritz, S.89)
Bei der konventionellen Verwendung gibt es ein Stadium, in dem metaphorische Verwendungen lange verbleiben können und in dem eine Verwendungsweise schon konventionell (regelhaft) eingespielt ist (konventionell etabliert und routiniert ist und ihr Überraschungspotential verloren hat), aber noch als metaphorisch wahrgenommen wird: Zu dieser Kategorie gehört zum Beispiel das obige “zum Endspurt ansetzen”. (Vgl. Fritz, S.89f) Weitere Beispiele: Er verwendet ein scharfes Messer. Er übte scharfe Kritik. Oder: Der Mann schluckte das bittere Zeug hinunter. Das Auto schluckte zu viel Benzin. Oder: Das Kind macht ganz kleine Schritte. Der Bedeutungswandel verläuft nach dem Prinzip der kleinen Schritte. (Vgl. Fritz, S.89f) Wenn dann Nachgeborene entsprechende Verwendungsweisen lernen, ohne eine metaphorische Verknüpfung mit anderen Verwendungsweisen zu sehen, geht die metaphorische Verknüpfung verloren, die Verwendungsweise verliert den metaphorischen Charakter (“Verblassen der Metapher”) und tritt ins nächste Entwicklungsstadium: Ex-Metapher oder tote Metapher. (Vgl. Fritz, S.90)
Ex-Metaphern (tote Metaphern) sind dann keine metaphorischen Verwendungsweisen mehr, sondern als isolierte Verwendungsweisen lexikalisiert. Und als solche werden sie dann gelernt. (Vgl. Fritz, S.90)“
I have been thinking about writing text on photo metaphors for quite a while. I thought of expressions or phrases from the photographer area that have found their way into our everyday language. I had already collected some examples. For example, “I want to focus more on this task “, I want to “put my subject in perspective” and so on. These metaphors also always reflect a little bit the development of the media, when for example “to imagine something” becomes “to make a picture”.
That this use of metaphors from the realm of certain media on our everyday life is very time-dependent can be understood if we look at how mental processes of remembering are described. Memory has long been compared to texts filed in a kind of library, later perhaps to magnetic tapes or rolls of film stacked on a shelf. Still later, with data collected and eventually stored on hard drives. Today, in the age of networks, we “know” that sensory impressions are stored in a complex network in different brain (and body?) regions and, depending on the trigger, can be updated via a wide variety of sensory and mental processes.
Then, as so often in such situations, I ran across the book “Images of Photography” by Bernd Stiegler, who has taken a look at these processes of transmission, of pictorial speaking in both directions. Above all, he also finds a lot of language-images from other fields that have been and are used to describe photography. To gauge the range of these metaphors for photography, one need only look at the table of contents. Here is a small selection:
Photography
– as archive,
– helps the deceased to resurrection,
– captures the moment,
– brings pictures home as booty,
– creates a library,
– is a document,
– or even a fossil,
– as an incorruptible photographic eye,
– as a historian,
– as light writing,
– but also as a lie,
– is always a ‘memento mori’,
– a weapon,
– or magic lamp,
– a witness of the event, etc.
So you can see how many “images” had to be used, and continue to be used, in order to clarify, explain or focus on a certain aspect of photographing.
From my point of view, metaphor is a tool with which I, anticipating the world of my communication partner, can try to move him to something or at least to let an image arise in him that helps him to understand my thoughts. Of course, I always run the risk that my metaphors are not understood or are misunderstood, but then it is possible to ask back. Another pitfall is that I overuse the image installed by the metaphor and thus spoil its explanatory value.
I must admit that I have not yet fully penetrated the use of metaphors in general. There are philosophers who think that one cannot speak in any other way than in metaphors. And there are philosophers of language coming from logic who wonder how something as inexact and vague as a metaphor can be ‘understood’ at all.
My student friend Stefan has taken the trouble to briefly summarize how the use of metaphors can be understood from the point of view of action theory:
“With recourse in particular to Gerd Fritz, Einführung in die historische Semantik, Tü 2005 one could perhaps say from a usage-theoretical linguistic and language-analytical point of view oriented towards the “late” Wittgenstein: What makes a linguistic expression a metaphor is its metaphorical use in the context of regular communicative actions. And: metaphorical use is a generally used (not only literary) linguistic technique, which is employed in manifold functions.
As for the understanding of linguistic actions in general, one always needs a certain knowledge for the understanding of metaphorically used linguistic expressions: The speakers/writers presuppose it in the listeners/readers.
A characteristic of the metaphorical use of linguistic expressions is the linking of different subject areas (cf. Fritz, p.81): For example, when one says of a student in reference to his or her exam that he or she is “getting ready for the final sprint,” one uses an expression from the field of sports to talk about the field of intellectual activities (cf. Fritz, p.81). And at least partly, one can then explain the metaphorical usage by making the connection between the two domains explicit in the form of a comparison: assuming that “starting the final sprint” would not yet be a common expression (see below), one could interpret the utterance on the basis of a (common) knowledge about both subject domains (knowledge about middle- o long-distance running, knowledge about exam preparation): The speaker indicates that the exam candidate behaves in some respects like the runner in the final phase of his race. (Cf. Fritz, p.81)
There are models or even established metaphorical patterns for metaphorical uses (cf. Fritz, p.81). Examples of such patterns would be: One can talk about activities of everyday professional life as if they were sporting activities: “setting the bar high,” “working another round,” “lapping someone”; “scoring an own goal,” “making a submission.” You can talk about the course of life as if it were a path: “the path of life,” “going astray,” “taking the wrong way.” One can talk about a machine like about an organism: “the engine is decrepit, strong, drinks too much.” (Cf. Fritz, p.81)
Looking at the history of metaphorical uses, an innovative (novel) use can be distinguished from a conventional (regular) use and from ex-metaphors (dead metaphors).
In innovative metaphorical use, the peculiarities of metaphorical speech are particularly evident, a strong element of surprise is possible, use and understanding are based on relevant knowledge in the source and target domains and on metaphorical models and/or patterns. (Cf. Fritz, p.89)
In conventional usage, there is a stage in which metaphorical usages can remain for a long time and in which a usage is already conventionally (regularly) rehearsed (conventionally established and routinized and has lost its potential for surprise), but is still perceived as metaphorical: To this category belongs, for example, the above “to set off for the final spurt.” (Cf. Fritz, p.89f) Other examples: He uses a sharp knife. He made sharp criticisms. Or: The man swallowed the bitter stuff. The car swallowed too much gasoline. Or: The child takes very small steps. The change of meaning proceeds according to the principle of small steps. (Cf. Fritz, p.89f) If then posterity learns corresponding usages without seeing a metaphorical linkage with other usages, the metaphorical linkage is lost, the usage loses the metaphorical character (“fading of the metaphor”) and enters the next stage of development: ex-metaphor or dead metaphor. (Cf. Fritz, p.90)
Ex-metaphors (dead metaphors) are then no longer metaphorical usages, but lexicalized as isolated usages. And as such they are then learned. (Cf. Fritz, p.90)”
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Vielen Dank für die Erläuterungen, lustvolles Lesevergnügen!
RN verleiht Flü-ügel! Schönes Bild und danke für die Gedanken über Metaphern. Mir kam sofort in den Sinn, die sprachlichen Metaphern zurück in Bilder zu übersetzen.
Dabei könnte man ja eigentlich die kleine Schwester der Metapher, die Metonymie, als zuständig für die Fotografie ansehen, da sie ja gewissermaßen auch indexikalisch funktioniert.
Die kleine Schwester muss warten, kommt aber evtl. auch noch mal dran 🙂
Wie sehr eine optische Erfindung dasDenken und empfinden prägt zeigt auch Friedrich Kittler in seiner Vorlesungsreihe Optische Medien. Nach der Erfindung des Films sahen Menschen in Todesgefahr ihr Leben plötzlich wie einen Film an ihrem inneren Auge vorbeiziehen.
Ja, und danke auch für die linguistischen Erläuterungen zur Methapher.