Als Landei nutze ich meine Stippvisiten in größeren Städten gerne um mir Photoausstellungen anzuschauen. In Berlin war die Auswahl nicht leicht. In der Nähe vom Bahnhof Zoo aber gab es gleich zwei Möglichkeiten. Entweder schöne Körper , „Nudes“ im Helmut Newton Museum oder ein mir bisher nicht bekannter Name im nahegelegenen ehemaligen Amerikahaus. Auch wenn mich der Name Saul Leiter fast verleitet hätte mir nackte Mädels anzuschauen, sind wir dann doch ins C/O und haben uns Boris Mikhailov angetan. Ich muss es wirklich so nennen, weil dieser Photograph aus der Ukraine (geb. 1938) eine derart schamlose und unseren Sehgewohnheiten zuwiderlaufende Bildsprache entwickelt hat, dass man beim Betrachten seiner Werke eher unangenehm berührt wird.
Während man sich fragt warum man sich nicht, für die, den Augen schmeichelnden, schönen Nackten entschieden hat tanzt der nackte enthemmte Boris mit Schwert oder Dildo vor unseren irritierten Augen rum. Seine Models sind alles andere als hübsch und präsentieren entblößte Körperteile vor ärmlicher Kulisse. Nicht selten haben Sie Narben oder sehen krank und ausgemergelt aus. Aber auch formal hält sich der Mann an keine Regeln, knipst schief übermalt oder koloriert seine Bilder, macht Doppelbelichtungen oder Diptychons mit nur gelegentlich zusammen passenden Bildern. Fast angeekelt geht man durch die Ausstellung und klebt doch mit den Augen an jedem einzigen Bild. Unabhängig davon, ob die Bilder noch aus sowjetischer, postsowjetischer oder neuerer Zeit stammen, stemmen sie sich gegen die Sehgewohnheiten. Der biederen Sowjetunion wird der nackte Arsch entgegengestreckt, den späteren Zeiten wird das Bild der weiter bestehenden Armut und Erbärmlichkeit entgegengehalten. Und trotz all dieser Entblößung kommt nie das Gefühl auf dass die Models für irgendwas missbraucht werden, was Sie nicht selbst mit stummen Blick anklagen. Möglicherweise hat in dem einen oder anderen Fall ein kleines Scheinchen oder ein wenig Wodka nachgeholfen die notwendige Enthemmung zu erleichtern aber nie hat man das Gefühl, einer Inszenierung zuzuschauen wie es bei den schönen Nackten eigentlich fast immer der Fall ist. Boris Michailov ist ein Künstler, der sich dem Schönen konsequent verweigert und das Triviale, das Entblößte und manchmal auch das Ekelhafte seiner Welt zeigt. Man könnte meinen, dass das den Betrachter abstößt, aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Es fasziniert. Von den schönen Nackten hat man schon genug gesehen, aber sowas…
As a country bumpkin, I like to make use of my trips to larger cities to look at photo exhibitions. In Berlin, the selection was not easy. Near Zoo Station, however, there were two options. Either beautiful “Nudes” in the Helmut Newton Museum or a name unknown to me in the nearby former Amerikahaus. Even if the name Saul Leiter had almost tempted me to look at naked girls, we went to the C/O and were taken by Boris Michailov. I really have to call it that because this photographer from Ukraine (born 1938) has developed such a shameless imagery that runs counter to our viewing habits, that one is rather unpleasantly touched when looking at his works.
While we wonders why we have not opted for the flattering, beautiful nudes the naked uninhibited Boris dances with sword or dildo in front of our irritated eyes. His models are anything but pretty and present bared body parts against a poor backdrop. Often they have scars or look sick and emaciated. But even in formal terms, the man does not follow any rules, snaps obliquely, paints over or collages his pictures, makes double exposures or diptychs with only occasionally matching pictures. Almost disgusted, you go through the exhibition but stick with your eyes to every single picture. Regardless of whether the images are from Soviet, post-Soviet or more recent times, they resist viewing habits. To the sex-denying Soviet Union he stretches out the bare ass, the pictures of later times show the image of continuing poverty and wretchedness. And despite all this exposure you never come to the feeling that the models are abused for something that they do not even accuse with their empty eyes. Possibly in one case or another a little penny or a little vodka helped to relieve the necessary disinhibition but never does one have the feeling to watch a production as it is almost always the case with the beautiful naked ones. Boris Michailov is an artist who consistently denies the beautiful and shows the trivial, the bared and sometimes the disgusting of his world. You might think that repels the viewer, but just the opposite is the case. It fascinates. Of the beautiful naked people you have already seen enough, but something like this…