Ein Besuch in Ulm steht noch aus. Da ist bis zum 20.11.22 noch Samuel Fosso zu sehen. Aber dafür war ich in Düsseldorf. Da läuft nämlich im K21 gerade noch die Ausstellung Dialoge im Wandel, die sich sehr tiefgehend mit afrikanischer Photographie beschäftigt. Es ist ja zurzeit geradezu in afrikanische Positionen zu zeigen, da man damit beweisen kann, dass man nicht eurozentrisch unterwegs ist. Aber hier steht eben mit den Werken aus The Walther Collection Material zur Verfügung, dass einen wahrscheinlich immer noch verzerrten, aber immerhin breiten Einblick in das gibt, was es an Photographie in Afrika, aus Afrika gab und gibt.
Arthur Walther hat schon in den neunziger Jahren angefangen einen Blick über den europäischen Tellerrand hinaus zu werfen und zusammen mit dem nigerianischen Kurator Okwui Enwezor und einem Team an Experten eine Sammlung aufgebaut, die gut geeignet ist einen Überblick über die Geschichte und Gegenwart der afrikanischen Photographie zu geben.
In Düsseldorf ist die Ausstellung in zehn Abschnitte gegliedert. Die ältesten Bilder tragen deutlich die Spuren des fremden Blickes und des Machtgefälles im kolonialen System. Es sind oft Typisierungen und Versuche Taxonomien aufzustellen, die, selbst wenn sie von einem ehrlichen ethnologischen Interesse getragen wurden, eine aus heutiger Sicht fast unerträgliche Entindividualisierung und Entmenschlichung zeigen, die schwer auszuhalten ist.
Santu Mofokeng hat sich in der Auseinandersetzung mit ethnologischen Bildern, die Afrikaner darstellen, als seien sie ein Teil der Flora oder Fauna des Kontinents, dazu entschlossen, dem Bilder gegenüberzustellen, die Menschen in Afrika in frühen Photo-Studios von sich haben machen lassen. Diese Sammlung ist als das schwarze Album bekannt geworden.
In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhundert spielt das Portrait eine große Rolle in der afrikanischen Photographie. Photo-Studios entstehen, in denen man sich selbstbewusst ablichten lässt. Dies wird in der Ausstellung sehr schön gezeigt, indem Bilder von August Sander mit Photographien von Seydou Keita aus Bamako gegenübergestellt werden. Man steht zwar als Repräsentant einer Gruppe von Menschen vor der Kamera, aber gleichzeitig auch als selbstbewusstes Individuum und Bürger. So ein Studio hat auch James Barnor Mitte des letzten Jahrhunderts in Ghana betrieben. Auch in seinen Bildern, die im Luma-Turm in Arles zu sehen waren, kommt diese Selbstrepräsentation deutlich zum Ausdruck.
A visit to Ulm is still pending. Samuel Fosso can be seen there until 20.11.22. But I was in Düsseldorf. The exhibition “Dialoge im Wandel” (Shifting Dialogues) is still on at the K21 and deals in depth with African photography. At the moment, it’s almost in vogue to show African positions, because you can prove that you’re not Eurocentric.
But here, with the works from The Walther Collection, there is material available that probably still gives a distorted but at least broad insight into what there was and is in the way of photography in Africa, from Africa.
Arthur Walther began to look beyond the European horizon in the 1990s and, together with the Nigerian curator Okwui Enwezor and a team of experts, has built up a collection that is well suited to provide an overview of the history and present of African photography.
In Düsseldorf, the exhibition is divided into ten sections. The oldest pictures clearly bear the traces of the foreign gaze and the power imbalance in the colonial system. They are of typifications and attempts to establish taxonomies that, even if they were borne by an honest ethnological interest, show an almost unbearable de-individualisation and dehumanisation from today’s perspective that is hard to bear.
Santu Mofokeng, in dealing with ethnological images that depict Africans as if they were part of the continent’s flora or fauna, decided to juxtapose them with images that people in Africa had taken of themselves in early photo studios. This collection has become known as the Black Album.
In the first half of the twentieth century, portraiture played a major role in African photography. Photo studios are created where people have themselves photographed with confidence. This is beautifully demonstrated in the exhibition by juxtaposing pictures by August Sander with photographs by Seydou Keita from Bamako. One stands in front of the camera as a representative of a group of people, but at the same time as a self-confident individual and citizen.
James Barnor also ran a studio like this in Ghana in the middle of the last century. This self-representation is also clearly expressed in his pictures that were on display in the Luma Tower in Arles.
Andere Ansätze aus dieser Zeit werden in Düsseldorf von Malick Sidibé gezeigt, der Anfang der sechziger Jahre junge Bamakois beim Feiern und Tanzen in Clubs oder am Strand abgelichtet hat. Auch hier zeigen die so portraitierten sich stolz und weltoffen. Von ihm stammt auch eine Serie namens „Vues de Dos“ in der sich die Portraitierten von der Kamera abwenden, wie um ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren. Sie sind der Kamera nicht ausgeliefert.
In einer weiteren Gegenüberstellung von europäischen und afrikanischen Positionen werden eine Reihe von Bilder der Flechtfrisurtypen die J.D. Okhai Ojeikere in den siebziger Jahren gesammelt hat, Bildertabeaus Von Hilla und Bernd Becher gegenübergestellt und trotz der total unterschiedlichen Thematik ist natürlich eine formale Übereinstimmung in der zugleich historischen und alltagsbezogenen Sichtweise zu sehen.
Auch aus neuerer Zeit gibt es viele Arbeiten, die sich mit dem Bild des Menschen auseinandersetzen. Z.B. zeigt Martina Bacigalupos Installation „Gulu Real Art Studio“ die Reste von Bildern, aus denen das Gesicht zur Verwendung als Passbild rausgeschnitten wurde. Anhand von Kleidung Haltung etc. kann man versuchen sich Gesichter dazu vorzustellen. Auch Kay Hassan zeigt in seinen Assemblagen „Negatives 1-6“ eine Unzahl von Negativen und Polaroid Aufnahmen in verschiedenen Stadien der `Noch-Erkennbarkeit´.
Other approaches from this period are shown in Düsseldorf by Malick Sidibé, who photographed young Bamakois partying and dancing in clubs or on the beach in the early 1960s. Here, too, those portrayed show themselves proud and cosmopolitan. He also created a series called “Vues de Dos” in which the portrayed turn away from the camera as if to demonstrate their independence. They are not at the mercy of the camera.
In another juxtaposition of European and African positions, a series of pictures of braided hairstyle types collected by J.D. Okhai Ojeikere in the 1970s are juxtaposed with picture tabloids by Hilla and Bernd Becher, and despite the totally different subject matter, there is of course a formal correspondence in the viewpoint, which is both historical and related to everyday life.
There are also many works from more recent times that deal with the image of man. For example, Martina Bacigalupo‘s installation “Gulu Real Art Studio” shows the remains of pictures from which the face has been cut out for use as a passport photo. On the basis of clothing, posture, etc., one can try to imagine faces. In his assemblages “Negatives 1-6”, Kay Hassan also shows a myriad of negatives and Polaroid photographs in various stages of ‘still recognisability’.
Künstler:innen aus unserer Zeit, von denen man evtl. sogar den Namen schon mal gehört hat sind natürlich auch dabei. Zanele Muholi aus Südafrika zeigt eine Serie mit Portraits von Menschen aus den LGBTQIA+ Communites Südafrikas mit dem Tites „Faces and Phases“. Ganz ohne Erläuterung kommt ihr Diptychon mit der Drag-Queen `Miss D‘vine´ in einer Savannenlandschaft aus.
Es gibt natürlich auch zwei Serien von Samuel Fosso dessen Werk oberflächlich betrachtet an das von Cindy Sherman erinnert. Aber wenn man genauer hinschaut ist es viel politischer und die berühmteste Serie, die `African Spirits´ zeigt das anhand der Charaktere in die er schlüpft. Am bekanntesten ist wahrscheinlich das Bild als Angela Davis.
Spannend auch die Selbsterkundung von Lebohang Kganye, die in die Kleider ihrer Mutter schlüpft und sich in Posen photographiert, die ihre Mutter auf Bildern eingenommen hat. Beide Bilder sind dann so übereinander gelagert, dass sie wie unabsichtliche Doppelbelichtungen aussehen, wie bunte Schatten, und so die Ungewissheit der Erinnerung trotz Photographie verbildlichen.
Artists from our time, of whom you may even have heard the name before, are of course also present. Zanele Muholi from South Africa shows a series of portraits of people from the LGBTQIA+ communities of South Africa with the title “Faces and Phases”. Her diptych with the drag queen ‘Miss D’vine’ in a savannah landscape gets by without any explanation at all.
Of course, there are also two series by Samuel Fosso whose work superficially resembles that of Cindy Sherman. But if you look more closely, it is much more political and the most famous series, ‘African Spirits’ shows this through the characters he slips into. The most famous is probably the picture as Angela Davis.
Also exciting is the self-exploration of Lebohang Kganye, who slips into her mother’s clothes and photographs herself in poses that her mother has taken in pictures. Both pictures are then superimposed in such a way that they look like unintentional double exposures, like colourful shadows, thus visualising the uncertainty of memory despite photography.
Edson Chagas aus Angola setzt Anzugträger in Szene, deren Gesicht mit traditionellen Bantu-Masken verdeckt sind. Auch eine Antwort auf die Identitätsfrage? Eher noch die offene Frage danach.
Aber nicht Alle arbeiten mit Menschen-Bildern. Auch über Landschaften werden starke Aussagen transportiert. Guy Tillim aus Johannesburg zeigt in dem Doppelbild Grande Hotel Beira, Mozambique 2008 die verfallenen Reste kolonialer Größenwahn-Architektur.
Edson Chagas from Angola shows people in suits whose faces are covered with traditional Bantu masks. Is this also an answer to the question of identity? More like the open question of it.
But not everyone works with images of people. Strong statements are also conveyed through landscapes. Guy Tillim from Johannesburg shows the dilapidated remains of colonial megalomaniac architecture in the double image Grande Hotel Beira, Mozambique 2008.
David Goldblatt, der 2018 in Johannesburg gestorben ist, zeigt z.B. in einem Diptychon eine leere, spärlich bewachsene Steppe, die, dem Titel nach zu schließen, Teil einer Schafsfarm ist.
In den unbetitelten, bunt wirkenden, mit Langzeitbelichtung aufgenommenen Landschaften aus der Serie „Ketoya speaks“ zeigt Em‘kal Eyongakpa dunkle Schatten und Schlieren, die auf die mögliche vorübergehende Anwesenheit von Menschen schließen lassen. Aber es gibt keine Bezugspunkte. Die Bilder sind eher hypnotisch als dokumentarisch.
Es werden auch Versuche gezeigt gelebte Spiritualität im Bild festzuhalten. Beispiel sind in der Serie „Train Church“ zu sehen in der Santu Mufokeng improvisierte religiöse Zeremonien festhält, die während Zugfahrten vom Township Soweto nach Johannesburg stattgefunden haben. Theo Eshetu zeigt Pilger, die zum Berg Zuqualla in Äthiopien unterwegs sind, der seit Jahrhunderten von den koptischen Christen als heilige Stätte verehrt wird.
David Goldblatt, who died in Johannesburg in 2018, for example, depicts an empty, sparsely vegetated steppe in a diptych, which, judging from the title, is part of a sheep farm.
In the untitled, colourful landscapes from the series “Ketoya speaks”, taken with long exposure, Em’kal Eyongakpa shows dark shadows and streaks that suggest the possible temporary presence of people. But there are no reference points. The images are more hypnotic than documentary.
There are also attempts to capture lived spirituality in the picture. For example, in the series “Train Church”, Santu Mufokeng captures improvised religious ceremonies that took place during train journeys from the township of Soweto to Johannesburg. Theo Eshetu shows pilgrims travelling to Mount Zuqualla in Ethiopia, which has been revered as a holy site by Coptic Christians for centuries.
Es ist schwer auch nur Alles zu erwähnen was mich beeindruckt hat und ich stehe dazu, dass meine Auswahl lückenhaft ist. Es geht aber auch nicht an, nur weil ich hier Niemandem Unrecht tun will, die Leser mit langen Listen von Ausstellenden zu ermüden. Zum Schluss vielleicht noch der Hinweis auf eines der Schlüsselwerke zur Seriellen Photographie (s.u.), die mir ja sehr am Herzen liegt und das ebenfalls auf eine Ausstellung mit Werken aus der Sammlung von Arthur Walther zurückgeht.
It is difficult to mention everything that impressed me and I admit that my selection is incomplete. But it is not acceptable, just because I do not want to do anyone an injustice here, to tire the readers with long lists of exhibitors. Finally, perhaps a reference to one of the key works on serial photography (see below), which is very close to my heart and which also goes back to an exhibition of works from Arthur Walther’s collection.
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