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Daido Moriyma, Licht und Schatten / Daido Moriyma, Light And Shadow

Das erste erhaltene Photo

Der Film „Daido Moriyama – The Past Is Always New, The Future Is Always Nostalgic” ist eine Collage. Man erlebt das Entstehen der 2. Neuauflage des ersten Photobuchs Moriymas, sieht Werdegang und Werk des Künstlers und bekommt – als dritte Ebene – Einblick in sein heutiges Schaffen. Für Photographen, die nicht nur schöne Bilder machen wollen, empfehle ich diesen Film nachdrücklich.

Dadio Moriyama – drei entscheidende Photobücher
Daido ist heute ein freundlicher und besonnen wirkender Herr von 84 Jahren. In den 60er-Jahren, zu Beginn seiner Karriere, ist er ein wilder junger Künstler, der den Stil der Photographie seiner Zeit radikal ablehnt.
Sein erstes Buch wird zur Legende und macht ihn über Nacht berühmt. Sein Stil ist rauh, viele Fotos sind unscharf, körnig und mit harten Kontrasten. Aber durch sie spricht unmittelbar das Leben. Seine Photographie wirkt stilbildend.
Moriyamas zweites Buch ist eine Abrechnung mit den Medium der Photographie „Farewell to Photography“ nennt er es. Noch radikaler ist es als das erste – und es fällt durch. Moriyma, der Gefeierte, wird unbeliebt. Er stellt weiter aus, reist in die Vereinigten Staaten, veröffentlich weitere Photobücher, doch er selbst ist unzufrieden. Er gerät in eine tiefe Schaffenskrise. Er ringt mit der Photographie und scheint lange keine Lösung zu finden.


Es ist das erste erhaltene Photo der Welt, das ihn rettet: Nicéphore Niépce´s Blick aus dem Fenster seines Arbeitszimmers im Gutshof Le Gras aus dem Jahr 1832. Eine retuschierte Version dieser Heliograhie, 1952 gefertigt, hängt über Daidos Bett. Sie zeigt eine Ansammlung von hellen und dunklen Flächen und wirkt fast wie eine abstrakte Grafik.
Sein nächstes Photobuch nennt er „Licht und Schatten“. Daido Moriyma hat sich völlig von den Gegenständen gelöst. Sie sind nur Strukturen, die Licht und Schatten dienen. Das Buch ist nicht nur sein kreativer Durchbruch, sondern auch seine Rückkehr in den Olymp.
Photographie wird in Japan in hohem Maße über Photobücher wahrgenommen. Daido Moriymas Bibliographie verzeichnet 150 Titel. Das sind für einen japanischen Photographen relativ wenige…

Die Neuauflage
Im tief verschneiten Hokkaido fallen Bäume. Aus ihnen wird schneeweißes Papier. Die Neuauflage von Daido Moriymas erstem Buch ist beschlossen. Seine Verleger wollen jedoch kein Faksimile drucken lassen. Sie planen eine Rekonstruktion mit erweiterten Angaben zu den einzelnen Bildern – ein anspruchsvolles Unterfangen, in das Moriyama intensiv eingebunden ist. Stundenlange „Verhöre“ lässt er über sich ergehen. Wo, wann, wie, mit welcher Kamera wurden die Bilder aufgenommen? Wer oder was ist darauf zu sehen? Metadaten? Hahaha!
Fast schmerzhaft akribisch gehen die Verleger vor. Die Auswahl des Papiers, der Farbton des Einbands und gar der Druck! Mehr als einhundert Mal wird ein Andruck gemacht – und das Ergebnis verworfen. Die Hölle der Perfektionisten – oder ist es ihr Himmel?

Das Ergebnis ist von typisch japanischer Perfektion. Besser geht es nicht. Doch was wird der Autor dazu sagen? „Es ist ein völlig neues Buch“, sagt Moriyma, nachdem er aufmerksam und schweigend Seite für Seite betrachtet hat. Und es gefällt ihm sehr. Die nervöse Anspannung der beiden Verleger löst sich. Sie wirken nun erleichtert und heiter.
Bei der weltweit größten Fotomesse Paris Photo 2018 wird das Buch „Japan Theater Photobook“ in dritter Auflage präsentiert. Die 700 Exemplare sind in kürzester Zeit ausverkauft. Geduldig und freundlich signiert der Autor die Bücher.
Er erhält den französischen Ritterorden „des Arts et des Lettres“. „Ich fühle“, sagt er in der Erwiderung auf die Laudatio, „dass Nicéphore Niépce mir diesen Preis verleiht.

Daido Moriyama heute
„Bilder, die ich in der Vergangenheit gemacht habe, interessieren mich nicht besonders“, sagt Moriyama. Er ist nicht nostalgisch und – er weint der analogen Photographie nicht nach? „Nein, überhaupt nicht.“ Heute noch analog zu photographieren hält er für Unfug. Das erstaunt seine Fans.
Daido Moryama lebt in Tokyo. Man kann ihn immer wieder in seinen Lieblingsstadtvierteln auf der Straße treffen. Akihabara, Shinjuku, Aoyama… Ein älterer Herr, eine kleine Kompaktkamera baumelt an einer Schlaufe von seinem rechten Handgelenk. Er stoppt öfter, hebt die Kamera, blickt auf das Display und drückt auf den Auslöser. Er visiert parkende Autos in der Tiefgarage an, grelle Reklamebilder, die „Meidos“ von Akihabara, enge Gassen… Streetphotography eben.
Er photographiert im reinen Sinne. Ohne übergeordnete Absicht, ohne den Willen zu dokumentieren oder die Wirklichkeit des Sichtbaren zu zeigen. Es ist immer noch: Licht und Schatten, auch wenn die Lichter und die Schatten inzwischen bunter geworden sind.

 

The film “Daido Moriyama – The Past Is Always New, The Future Is Always Nostalgic” is a collage. One experiences the creation of the second new edition of Moriyama’s first photobook, sees the artist’s career and work and – as a third level – gets an insight into his work today. For photographers who want to make more than just beautiful pictures, I strongly recommend this film.

Dadio Moriyama – three decisive photo books
Today, Daido is a friendly and level-headed gentleman of 84. In the 1960s, at the beginning of his career, he was a wild young artist who radically rejected the style of photography of his time.
His first book becomes a legend and makes him famous overnight. His style is rough, many photos are blurred, grainy and with harsh contrasts. But life speaks directly through them. His photography has a style-defining effect.
Moriyama’s second book is a reckoning with the medium of photography, “Farewell to Photography” he calls it. It is even more radical than the first – and it fails. Moriyma, the celebrated artist, becomes unpopular. He continues to exhibit, travels to the United States, publishes more photography books, but he himself is dissatisfied. He falls into a deep creative crisis. He struggled with photography and seemed unable to find a solution for a long time.


It is the world’s first preserved photograph that saves him: Nicéphore Niépce‘s 1832 view from the window of his study at the Le Gras estate. A retouched version of this heliograph, made in 1952, hangs above Daido’s bed. It shows a collection of light and dark areas and almost looks like an abstract graphic.
He calls his next photobook “Light and Shadow”. Daido Moriyma has completely detached himself from the objects. They are only structures that serve light and shadow. The book is not only his creative breakthrough, but also his return to Olympus.
Photography in Japan is largely perceived through photo books. Daido Moriyma’s bibliography lists 150 titles. For a Japanese photographer, that is relatively few…

The New Edition
In snow-covered Hokkaido, trees are falling. They turn into snow-white paper. The new edition of Daido Moriyma’s first book is decided. His publishers, however, do not want to print a facsimile. They are planning a reconstruction with extended information on the individual pictures – a demanding undertaking in which Moriyama is intensively involved. He endures hours of “interrogation”. Where, when, how, with which camera were the pictures taken? Who or what can be seen in them? Metadata? Hahaha!
The publishers are almost painfully meticulous. The choice of paper, the colour of the cover and even the printing! A proof is made more than a hundred times – and the result is rejected. The perfectionists’ hell – or is it their heaven?


The result is typical Japanese perfection. It doesn’t get any better than this. But what will the author say about it? “It’s a completely new book,” Moriyma says after looking attentively and silently at page after page. And he likes it a lot. The nervous tension of the two publishers eases. They now seem relieved and cheerful.
At the world’s largest photography fair, Paris Photo 2018, the book “Japan Theater Photobook” is presented in its third edition. The 700 copies are sold out in no time. The author patiently and kindly signs the books.
He receives the French Order of the Knight “des Arts et des Lettres”. “I feel”, he says in response to the laudation, “that Nicéphore Niépce is giving me this prize.

Daido Moriyma today
“Pictures I took in the past don’t interest me much,” Moriyama says. He is not nostalgic and – he does not pine for analogue photography? “No, not at all.” He thinks it’s nonsense to still photograph analogue today. This astonishes his fans.
Daido Moryama lives in Tokyo. You can always meet him on the street in his favourite districts. Akihabara, Shinjuku, Aoyama… An elderly gentleman, a small compact camera dangling from a loop on his right wrist. He stops frequently, raises the camera, looks at the display and presses the shutter button. He focuses on parked cars in the underground car park, garish billboards, the “Meidos” of Akihabara, narrow alleys… street photography.
He photographs in the pure sense. Without any overriding intention, without the will to document or to show the reality of what is visible. It is still: light and shadow, even if the lights and shadows have become more colourful in the meantime.

Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)

2 Comments

  1. Harald S.

    Zuerst zu Deiner letzten Frage. Bisher habe ich kein Angebot für ein Streaming dieses Films gefunden. Allerdings hat arte einige Beiträge über Moriyama bei youtube eingestellt.

    Das Niépce-Bild ist schon sehr speziell. Durch die Mängel des Mediums schafft es eine neue Realität. Es ist (noch) keine Simulation der Wirklichkeit. Moriyma litt ja unter der Perfektion der modernen Photographie. Erst in der Reduktion auf Licht und Schatten fand er wieder zu sich und seinem Stil.

    Das Gute und das Schlechte an der Photographie sind ja gerade ihre nahezu unbegrenzten Möglichkeiten. Je mehr man davon zu nutzen sucht, desto größer die Gefahr, dass man sich verläuft.

  2. Andreas

    Danke für deinen Bericht, Harald. Bei mir hat es ein paar Tage gedauert, bis mir klar wurde, dass das Niépce-Bild ja auch ganz anders gesehen werden könnte. Ganz anders als: das erste Foto zwar, aber in grottig schlechter Qualität. In Wirklichkeit nimmt er hier die Moderne in der Malerei vorweg, indem er den Blick aus dem Fenster völlig verfremdet. Was wäre aus der Fotografie geworden, wenn sie sich nicht auf diese schreckliche, vermeintlich realistische Weise technisch entwickelt hätte. Die ganze Diskussion um Piktoralismus, Kunst oder Doku, um subjektives Sehen, neues Sehen und reine Fotografie wäre uns erspart geblieben. Die Lichtmalerei wäre stattdessen der eigentlichen Malerei vorausgeeilt.

    Hast du zufällig eine Ahnung, wo man den Film streamen oder anschauen kann?

    Gruß, Andreas

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