Ein Frühlingstag im Enzkreis. Nur wenige Besucher sind auf dem Dorffriedhof unterwegs. Ein groß gewachsener Mann mit Kamera bewegt sich anders als die üblichen Besucher. Er geht zügig durch die Reihen der Gräber. Regelmäßig bleibt er stehen, hebt seine Kamera und macht Aufnahmen von Grabsteinen. Klaus Martin Bardey, Amateurfotograf aus der Nähe von Pforzheim, ist im Grabstein-Projekt aktiv.
Die kurze Ewigkeit
Die „ewige Ruhe“, zu der man hierzulande die Verstorbenen bettet, ist für die meisten von ihnen relativ kurz – gemessen an der Ewigkeit. Nach durchschnittlich 25 Jahren endet die übliche Ruhefrist auf christlichen Friedhöfen. Die Grabsteine der Reihengräber werden abgeräumt und die Grabstellen neu vergeben. Für so genannte Wahlgräber gelten andere Regelungen. Bei ihnen kann die Liegezeit gegen Gebühr verlängert werden. Ausnahmen bei der Liegezeit werden auch für historische Gräber öffentlicher Personen gemacht1. Doch üblicherweise verschwinden die Grabsteine und mit ihnen die Namen und Daten der Verstorbenen aus der Öffentlichkeit. Zwar führen die Friedhofsverwaltungen ein Register, doch der Zugang hierzu ist durch § 62 Abs. 3 des Personenstandsgesetz eingeschränkt. Demnach gilt eine 30jährige Auskunftssperre für alle Personen, die nicht in direkter Linie mit der verstorbenen Person verwandt sind. Das stellt vor allen die Ahnenforschung vor größere Schwierigkeiten.
Das Grabsteinprojekt
Vor diesem Hintergrund entstand im Jahr 2007 das Grabsteinprojekt. Initiator und Träger des Projekts ist der Verein für Computergenealogie e.V. Ziel ist es, die Familiendaten der Verstorbenen durch Abfotografieren der Grabsteine zu retten. Diese Fotos werden in einer Bild-Datenbank im Internet veröffentlicht und sind somit allgemein zugänglich. Das Fotografieren, die Bearbeitung der Bilder sowie Pflege und Erweiterung der Datenbank leisten Freiwillige unentgeltlich.
Als Klaus Martin Bardey begonnen hat, sich mit seiner Familiengeschichte zu beschäftigen, stieß er bei seiner Internetrecherche auf das Grabstein-Projekt. So hat er auch das Grab seines Onkels gefunden. Das hat ihn Ende 2018 schließlich bewegt, beim Grabstein-Projekt mitzumachen.
Technik
Eine besondere Fotoausrüstung braucht man dazu nicht, mein Klaus Martin: „Man kann im Grunde mit jeder digitalen Kamera fotografieren. Da ich schon seit 1978 mit Spiegelreflex fotografiere, kam für mich auch nur eine D-SLR in Frage. In meinem Fall benutze ich eine D-90, die ich mir über Ebay günstig ersteigert habe. Alte Technik von 2008 wollen viele nicht mehr haben, aber die 12 MP reichen für diesen Zweck allemal aus. Die D-90 ist eine robuste Kamera, die ein ausgezeichnetes Batteriemanagement hat. Damit ist es möglich ca. 1500-2000 Fotos zu machen, bevor ich den Akku wechsle. Auch sind die RAW-Bilder mit 11 MB gut zu handhaben.“
Grabsteine zu fotografieren stellt doch keine Herausforderung dar, oder?, frage ich. „Wie man’s nimmt,“ meint Klaus Martin. „Es gibt schon ein paar Dinge zu beachten. Zuerst mal sollte nur der Grabstein auf’s Foto, wie das Grab aussieht, ist dabei völlig egal. Manchmal befinden sich noch liegende Steine vor dem stehenden Grabstein. Wenn Schnee liegt, fotografiere ich nicht, da man diese Steine dann nicht erfasst. Eigentlich müßte es ganz einfach sein, da es ein unbewegliches Objekt ist, was man da vor der Linse hat. Aber die Lichtverhältnisse spielen eine sehr große Rolle. Idealerweise ist es bewölkt, dann hat man keine Reflexionen. Manchmal sind Gräber auch verwildert bzw. zugewuchert. Da versuche ich dann von der Rückseite aus zu fotografieren, indem ich störende Äste beiseite schiebe.
Statistik
Ca. 400 Friedhöfe hat Klaus-Martin inzwischen fotografiert. Stand Juli 2022 sind davon 324 Friedhöfe veröffentlicht, überwiegend in Baden-Württemberg. Aber auch in Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hat er schon fleißig dokumentiert. Es liegt noch Einiges auf seinen Festplatten, das noch bearbeitet werden will, erklärt Klaus-Martin: „Im Grunde fotografieren wir Grabstein-Fotografen gegen die Zeit, da jedes Jahr zahlreiche Gräber abgeräumt werden. Diese Namen und Daten sind dann erst mal weg.“
Auch im Elsaß ist der Fotograf unterwegs. Die Friedhöfe in Frankreich/Elsaß findet er hochinteressant: „Dadurch, dass das Elsass mal deutsch, mal wieder französisch war, gibt es dort sehr viele deutsche Namen. Da findet man noch Grabsteine, die hier zulande schon vor 50-60 Jahren abgeräumt worden wären.“
Allerdings gibt es einige Unterschiede: „Es fällt einem auf, daß auf den Gräbern keine frischen Blumen stehen, nur Kunstblumen. Es gibt im Elsaß noch sehr viele Friedhöfe um die im Ort gelegenen Kirchen (Kirchhöfe). Der Abstand zwischen den einzelnen Gräbern dort ist sehr eng, manchmal nur 15cm. Außerdem haben die Franzosen einen Faible für schwarze, hochglänzende Steine. Da hat man dann beim Fotografieren Schwierigkeiten die Inschriften zu lesen. Da hilft nur mehrere Fotos aus unterschiedlichen Winkeln zu machen.“
Der Träger des Grabstein-Projekts, ist gemeinnützig und stellt auch noch andere Datenbanken zur Verfügung. Dementsprechend achtet er darauf, dass die Datenmengen nicht überhand nehmen. Klaus Martin erläutert: „Die Fotos sind daher nur 500 Pixel breit. Das muss man beim Fotografieren beachten. Der Grabstein sollte also formatfüllend fotografiert werden. Detailaufnahmen von Datumsangaben sind natürlich möglich und können hinzugefügt werden. Allerdings erhöht jedes weitere Foto den Aufwand beim Editieren.“
Reaktionen von anderen Friedhofsbesuchern
Über die Reaktionen anderer Friedhofsbesucher könne er ein Buch schreiben, sagt Klaus Martin. „Die Reaktionen reichen von ,ah, das ist aber gut, daß Jemand das macht’ bis hin zu ,das dürfen Sie nicht wegen Datenschutz’.“
„Jaja, der Datenschutz…“ sinniert Klaus Martin. „Die meisten kennen nur das Wort. Das muss dann für alles Mögliche herhalten. Dabei ist das Fotografieren auf einem Friedhof durch die jeweilige Friedhofsordnung geregelt.“ Da wo das Fotografieren auf Friedhöfen untersagt ist, kann man versuchen, über das Rathaus eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten.
„Manche Friedhofsbesucher vermuten, daß man für Werbezwecke fotografiert, andere meinen, wenn sie den Grabstein gekauft haben, dürfen sie auch bestimmen, wer ihn fotografiert. Oder sie wollen keine Veröffentlichung – obwohl sie das mit dem Aufstellen des Grabsteines schon selber getan haben.“
Dabei gilt: „Es gibt kein Recht am Bild der eigenen Sache“. Auf öffentlich zugänglichen Orten – und das ist ein Friedhof nun mal – darf man auch Sachen fotografieren.
Anfangs hat sich Klaus Martin auf Diskussionen eingelassen, „aber die kosten nur Zeit und viele Leute sind beratungsresistent. Die lassen kein Argument gelten. Inzwischen gehe ich solchen Leuten lieber aus dem Weg, das spart Zeit und schont die Nerven.“
Möglichkeiten der Mitarbeit
Das Licht wird schwach. Klaus Martin steigt in sein Auto und macht sich auf den Heimweg. Etwa 800 Grabsteine hat er heute fotografiert. Von den fast 3,2 Millionen Fotos, die bisher auf der Internetseite des Grabsteinprojekts veröffentlicht wurden, stammen etwa 134.000 von ihm. Damit liegt er an 10. Stelle.
Trotz der fleißigen Mitarbeit von Klaus Martin verschwinden jedes Jahr Daten aus der Öffentlichkeit, weil Gräber geräumt werden, ohne dass ihre Grabsteine fotografiert wurden. Das Grabstein-Projekt heißt daher ehrenamtliche Fotografen herzlich willkommen. Wer mitmachen will, kann sich an den Projektorganisator Holger Holthausen wenden und sich die Info-Box für Interessierte auf der Projektseite ansehen.
A spring day in Southern Germany, between Pforzheim and Stuttgart. Only a few visitors are out and about in the village cemetery. A tall man with a camera moves differently from the usual visitors. He walks briskly through the rows of graves. He regularly stops, raises his camera and takes pictures of gravestones. Klaus Martin Bardey, an amateur photographer from near Pforzheim, is active in the gravestone project.
The short eternity
The “eternal rest” to which the deceased are laid to rest in this country is relatively short for most of them – measured in terms of eternity. The usual period of rest in German Christian cemeteries ends after an average of 25 years. The gravestones of the row graves are removed and the grave sites are reallocated. Other regulations apply to so-called elective graves. The period of burial can be extended for a fee. Exceptions to the lying time are also made for historical graves of public persons1. But usually the gravestones and with them the names and dates of the deceased disappear from public view. Although the cemetery administrations keep a register, access to it is restricted by § 62 para. 3 of the Personal Status Act. According to this, a 30-year ban on information applies to all persons who are not directly related to the deceased person. This makes genealogical research difficult.
The gravestone project
Against this background, the Gravestone Project came into being in 2007. The initiator and sponsor of the project is a Club of genealogists the „Verein für Computergenealogie e.V.“ The aim is to save the family data of the deceased by photographing the gravestones. These photos are published in an image database on the internet and are thus generally accessible. Volunteers take the photos, process the images and maintain and expand the database free of charge.
When Klaus Martin Bardey started to look into his family history, he came across the gravestone project during his internet research. That’s also how he found his uncle’s grave. This finally moved him to join the gravestone project at the end of 2018.
Technology
You don’t need any special photographic equipment for this, says Klaus Martin: “You can basically take pictures with any digital camera. Since I have been using SLRs since 1978, only a D-SLR came into question for me. In my case, I use a D-90, which I bought cheaply on Ebay. Many people don’t want to have old technology from 2008, but the 12 MP are sufficient for this purpose. The D-90 is a robust camera that has excellent battery management. With it, it is possible to take about 1500-2000 photos before I change the battery. Also, the RAW images are good to handle at 11 MB.”
Photographing gravestones is not a challenge, is it?”, I ask. “Depends how you look at it,” says Klaus Martin. “There are a few things to consider. First of all, only the gravestone should be on the photo, it doesn’t matter what the grave looks like. Sometimes there are still lying stones with data in front of the standing gravestone. When there is snow, I don’t take photos, because then you can’t capture these stones. Actually, it should be quite easy, because it is an immovable object that you have in front of the lens. But the light conditions play a very big role. Ideally it should be cloudy, then there are fewer reflections. Sometimes graves are overgrown. I try to take pictures from the back by pushing aside the branches that get in the way.
Statistics
Klaus-Martin has photographed about 400 cemeteries. As of July 2022, 324 of them have been published, mostly in Baden-Württemberg. But he has also diligently documented cemeteries in Rhineland-Palatinate, Schleswig-Holstein and Mecklenburg-Western Pomerania. There is still a lot material on his hard drives that needs to be processed, explains Klaus-Martin: “Basically, we gravestone photographers are photographing against the clock, as many graves are cleared every year. These names and dates are then gone for the time being.”
The photographer is also on the road in Alsace. He finds the cemeteries in France/Alsace very interesting: “Because Alsace was once German and then French again, there are a lot of German names there. You can still find gravestones that would have been removed here 50-60 years ago.
However, there are some differences: “You notice that there are no fresh flowers on the graves, only artificial ones. In Alsace there are still many cemeteries around the churches (churchyards) in the village. The distance between the individual graves there is very narrow, sometimes only 15cm. In addition, the French like black, highly polished stones. This makes it difficult to read the inscriptions when taking photos. The only thing that helps is to take several photos from different angles.”
The sponsor of the gravestone project is a non-profit organisation and also provides other databases. Accordingly, he takes care that the amount of data does not get out of hand. Klaus Martin explains: “The photos are therefore only 500 pixels wide. You have to keep that in mind when taking photos. The gravestone should therefore be photographed to fill the format. Detailed photos of dates are of course possible and can be added. However, each additional photo increases the editing effort.”
Reactions from other cemetery visitors
He could write a book about the reactions of other cemetery visitors, says Klaus Martin. “The reactions range from ‘ah, that’s good that someone is doing that’ to ‘you’re not allowed to do that because of data protection’.”
“Yes, yes, data protection…” muses Klaus Martin. “Most people only know the word. It has to be used for all sorts of things. Yet photography in a cemetery is regulated by the respective cemetery rules.” Where photography is prohibited in cemeteries, one can try to obtain an exemption through the town hall.
“Some cemetery visitors suspect that people are taking photos for advertising purposes, others think that if they bought the gravestone, they also get to decide who photographs it. Or they don’t want it to be published – even though they have already done that themselves by putting up the gravestone.”
The following applies: “There is no right to the image of one’s own thing”. In publicly accessible places – and that is what a cemetery is – you are allowed to photograph things.
At first, Klaus Martin got involved in discussions, “but they only cost time and many people are resistant to advice. They don’t accept any argument. In the meantime, I prefer to avoid people like that, it saves time and is easier on the nerves.”
Opportunities for cooperation
The light is getting dim. Klaus Martin gets into his car and makes his way home. He has photographed about 800 gravestones today. Of the almost 3.2 million photos published on the Gravestone Project website so far, about 134,000 are his, putting him in 10th place.
Despite Klaus Martin’s diligent cooperation, data disappears from public view every year because graves are cleared without their gravestones having been photographed. The Gravestone Project therefore warmly welcomes volunteer photographers. Anyone who wants to join in can contact the project organiser Holger Holthausen and take a look at the info box for interested parties on the project page.
Es gab ein Projekt des Landesdenkmalamtes zur Dokumentation der Grabsteine jüdischer Friedhöfe
https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=24368
Überblick: https://www.alemannia-judaica.de/baden_wuerttemberg_friedhoefe.htm
Danke für die ergänzenden Infos. Ich selbst bin nicht so Necropolenafin, aber ich war mal mit der Kamera auf dem jüdischen Friedhof in Mainz. Das ist sehr faszinierend
auch wegen der ganz anderen Haltung zu diesen Erinnerungsstätten.
Für historische Friedhöfe gilt die Friedhofssatzung nicht. Ich finde es ein lohnenswertes Ziel, dort die alten Grabsteine zu dokumentieren. Je länger man damit wartet, desto mehr verwittern sie und eine Identifizierung der Inschriften wird immer schwieriger.
Also ruhig mal wieder dorthin fahren und versuchen die alten Grabsteine abzufotografieren. 🙂
In Bad Kissingen war ich des öfteren on einem alten Friedhof. Dort ist kaum ein Grab jüngeren Alters.
Ich hatte mich mit dem sehenswerten Friedhof nicht näher befasst, aber mir schien es einen Zusammenhang zu geben zu dem bayrisch-preussischen Krieg.