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Gibt es ewige Bilder? / Are there eternal images?

Screenshot der Online-version der `Bilderatlas´-Ausstellung im HKW in Berlin  / Screenshot of the online version of the ‘Bilderatlas’ exhibition at the HKW in Berlin

Bei der Beantwortung einer solchen Frage, kann man immer zwei Sichtweisen einnehmen. Den Blick auf Unterschiede richten, dann heißt die Antwort nein und wir können aufhören. Oder, wir richten den Blick auf Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen, dann kommt man mindestens zu einem “vielleicht” und können weiterdenken.

Mir ist dieser Gedanke in meiner Jugend und Adoleszenz am deutlichsten in Form von verschiedenen Tarot-Decks entgegengetreten. Unterstützt von C.G. Jungs Idee, dass es tief verwurzelte innere Bilder “Archetypen”  gibt, die sich immer wieder Bahn brechen und in der Kunst und Dekoration durch die Jahrhunderte immer wieder bildlich oder symbolisch dargestellt werden. König und Königin samt Narr, Priester und Priesterin aber auch Weise und Magier, Glück und Tod – alles, was so zum Leben gehört ist in so einem Kartenset vertreten. Natürlich kann ein abgeschlossener Satz an Bildern nur ein Teil dessen darstellen, was aus der inneren Welt des Menschen so hochkocht. Aber mit dem Anspruch, die wichtigsten dieser “Evergreens” zu erfassen wird natürlich auch die Praxis verständlich diese Bilder zur Divination – zum Vorhersagen der Zukunft heranzuziehen. Wenn es immer schon so war, dann wird es wohl auch in Zukunft so aussehen.

Neben diesem vielleicht naiven dafür umso volkstümlicheren Gebrauch von “ewigen Bildern” gibt es aber auch ein verstörendes Fragment einer ernsthaften Beschäftigung mit dem “Wiederaufleben” von Bildern von dem ich immer mal wieder am Rande gehört habe, zu dem es mir aber erst jetzt gelungen ist, näher vorzudringen. Es ist der Bilderatlas “Mnemosyne” von Abi Warburg, der mehr oder weniger unvollendet blieb als sein Schöpfer 1929 überraschend verstarb. Es ist ein Glück, dass dieser Schatz Anfang der 30er Jahre vor den Nazis in Sicherheit gebracht und in London  seither gepflegt wurde und es ist toll, dass man jetzt, dank COVID die Möglichkeit hat ihn in Form einer Ausstellung aus dem letzten Jahr im HWK in Berlin online in Augenschein zu nehmen. Das erste Mal sind die Bilder hier im Original zu sehen. Wenn man unvorbereitet vorbeischaut, wird man vielleicht enttäuscht sein von knapp 80 Tafeln vollgeklebt mit Bildern, denen die Zeit schon eine gewisse Sepia-Anmutung verpasst hat.

Es empfiehlt sich ein paar der erläuternden Videos anzusehen, bevor man einsteigt. Es geht, soweit man das kurz sagen kann, um das `Nachleben´ von antiken Bildern und Mythen in der Renaissance und letztlich bis ins 20. Jahrhundert. Das Programm wird mit den einleitenden Bildern auf den Tafeln A, B und C schon mal skizziert es geht nämlich nicht nur darum, dass Bilder quer durch die Epochen wieder auftauchen – das würde ja ein rein zyklisches Weltbild voraussetzen – sondern auch darum, dass sich über die Jahrhunderte auch etwas durch die Geistestätigkeit des Menschen verändert hat. Es hat eine Öffnung des Weltbildes, vom Menschen im Mittelpunkt des Universums hin zum offeneren kopernikanisch-kepplerschen Weltbild gegeben. Damit wird letztlich eine spiralige Bewegung angedeutet. Bilder mythologischer Gestalten und emotionaler Gesten tauchen wieder auf, aber es gibt auch Entwicklung. Das `Tarot-Set´ muss immer wieder neu illustriert werden und vielleicht sogar ergänzt und erweitert, um noch zu fassen, was Menschen heute bewegt.

Wer ein bisschen Geld beiseitegelegt hat, kann sich auch das Buch bestellen und in Ruhe daheim stöbern. Wem der Online-Besuch oder Buch nicht reicht, der kann die Ausstellung noch bis Juli in der Bundeskunsthalle in Bonn anschauen (so sie denn wieder geöffnet wird). Für den schmaleren Geldbeutel empfehle ich den Katalog der Bonner Ausstellung, der für knapp 12 Euros online zu haben ist.

Der Bilderatlas wirft, je länger man sich damit beschäftigt, mehr Fragen auf als er beantwortet. Vielleicht ist aber gerade deswegen die Beschäftigung damit so fruchtbar, vielleicht hat gerade deswegen der `pictorial turn´(Ikonische Wende) das Werk von Aby Warburg wieder an die Oberfläche der Beschäftigung mit Bildern hochgebracht. Vielleicht müssen wir uns, um die Bilderflut von heute zu verstehen und zu bewältigen, auch mit den Bildern von gestern (Weimar), vorgestern (Renaissance) und ganz Früher (Antike) beschäftigen und erforschen, wie sie sich miteinander verbinden.

When answering such a question, one can always take two views. If we look at the differences, the answer is no and we can stop. Or, if we look at similarities and similarities, then we at least come to a “maybe” and can continue to think.

I encountered this idea most clearly in my youth and adolescence in the form of various Tarot decks , Supported by C.G. Jung’s idea that there are deep-rooted inner images “archetypes”  that keep breaking through and being depicted pictorially or symbolically in art and decoration through the centuries. King and queen together with the fool, priest and priestess, but also wise man and magician, luck and death – everything that belongs to life is represented in such a set of cards. Of course, a complete set of pictures can only represent a part of what boils up from the inner world of man. But with the claim to capture the most important of these “evergreens”, the practice of using these images for divination – for predicting the future – naturally becomes understandable. If it has always been like this, then it will probably be like this in the future.

In addition to this perhaps naïve but all the more popular use of “eternal images”, there is also a disturbing fragment of a serious preoccupation with the “revival” of images that I have heard about from time to time in passing, but which I have only now managed to get closer to. It is the picture atlas “Mnemosyne” by Abi Warburg, which remained more or less unfinished when its creator died unexpectedly in 1929. It is fortunate that this treasure was brought to safety from the Nazis in the early 1930s and has been cared for in London ever since, and it is great that now, thanks to COVID, one has the opportunity to view it online  in the form of an exhibition from last year at the HWK in Berlin. It is the first time that the pictures can be seen in the original. If you drop in unprepared, you may be disappointed by nearly 80 panels crammed with pictures that time has already given a certain sepia look.

It is advisable to watch a few of the explanatory videos before entering. It is, as far as can be briefly said, about the ‘afterlife’ of ancient images and myths in the Renaissance and ultimately into the 20th century. The programme is already sketched out in the introductory pictures on panels A, B and C. It is not only about the fact that images reappear across the epochs – that would presuppose a purely cyclical view of the world – but also about the fact that something has changed over the centuries as a result of human intellectual activity. There has been an opening of the world view, from man at the centre of the universe to the more open Copernican-Kepplerian world view. This ultimately indicates a spiral movement. Images of mythological figures and emotional gestures reappear, but there is also development. The ‘tarot set’ has to be illustrated again and again and perhaps even supplemented and expanded in order to still grasp what moves people today.
If you have a little money put aside, you can also order the book and browse at home in peace. If an online visit or a book isn’t enough, the exhibition can be viewed at the Bundeskunsthalle  in Bonn until July (if it reopens). If you are on a budget, I recommend the catalogue of the Bonn exhibition, which is available online for just under 12 euros.

The longer you study it, the more questions it raises than it answers. But perhaps this is precisely why the study of it is so fruitful, perhaps this is why the ‘pictorial turn’ (Ikonische Wende) has brought the work of Aby Warburg back to the surface of the study of images. Perhaps, in order to understand and cope with today’s flood of images, we also have to deal with the images of yesterday (Weimar), the day before (Renaissance) and the very past (antiquity) and explore how they connect with each other.

Translated with the help of www.DeepL.com/Translator

Tarot-Auslegung (Crowley-Deck) zur im Titel angesprochenen Frage, in einer Struktur die `keltisches Kreuz´genannt wird. Liebe und Tod in der Mitte umgeben von Macht und Zerstörung, Lust und Kunst usw. / Tarot interpretation (Crowley deck) on the question raised in the title, in a structure called the ‘Celtic cross’. Love and death in the middle surrounded by power and destruction, lust and art etc.

1 Comment

  1. Clemens

    Da fällt mir ganz spontan ein: Laith Al-Deen – Bilder von Dir (überdauern bis in alle Zeit, bis in Ewigkeit) Der Song ist auf Youtube leicht zu finden. Aber was ist ein Bild außer eine Spiegelung des von uns sichtbaren Strahlenspektrums in unserem Gehirn, abgemischt mit unseren Filtern und Einordnungen. Ein Tisch ist kein Stuhl. Also “ewig”? Nur solange es die Menschen gibt, gibt es, was wir Bilder nennen.

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