Menu Close

Photographierendes Betrachten / Photographic viewing

Carrie Mae Weems „Untitled (Black Love)” 1992 – `True Pictures?´ Sprengel Museum Hannover 2022

Früher habe ich immer ein wenig die Nase gerümpft, wenn in einer Kunstaustellung oder gar in einer Photoschau photographiert wurde. Inzwischen halte ich meine Eindrücke beim Besuch von Ausstellungen meist mit dem Smartphone fest und habe so in den letzten fünf bis sechs Jahren auf meiner Festplatte eine Art Archiv meiner Ausstellungsbesuche angelegt. Es geht dabei gar nicht so sehr um eine umfassende Dokumentation der Ausstellungen als vielmehr um eine Art Erinnerungshilfe durch Bilder auch von den erklärenden Texten in den Ausstellungen und vor allem von denjenigen Bildern, die mich auf die eine oder andere Weise beeindruckt haben.

In der „die Motive #1“ der Zeitschrift für Kultur der Fotografie  fand ich dann einen sehr interessanten Artikel von Lea Hilsemer, die sich vertiefende Gedanken zu eben diesem Phänomen macht, dass immer mehr Menschen “durch das Smartphone” betrachten. Der Artikel heißt „I must be under your spell – Fotografie und Faszination“. Ein Ergebnis ist, dass die Motive dazu, in den Ausstellungen zu photographieren sehr unterschiedlich sein können. Eines davon ist die Momente der Faszination festzuhalten, die einem bei so einem Ausstellungsbesuch unweigerlich widerfahren. Völlig unabhängig davon, ob das überhaupt möglich ist, ob sich das “WoW” mit dem Smartphone überhaupt in den Blick bekommen lässt. Es ist sicher ein nachvollziehbares Motiv sich beim eventuellen späteren Betrachten daran zu erinnern zu wollen, was einen eigentlich so fasziniert hat. Das erklärt vielleicht auch warum das gemachte Bild technisch nicht besonders gut sein muss, um seinen Zweck zu erfüllen.

Es kommt aber andererseits auch der Verdacht auf, dass das Betrachten mit oder durch das Smartphone dazu benutzt wird um einen zu unmittelbaren Kontakt, ein zu starkes “berührt werden” zu vermeiden. Der Bildschirm schafft Abstand und schützt so auch den Betrachter. Lea Hilsemer sieht diese beiden scheinbar Widerstrebenden Richtungen in dem Wort `bannen´ vereint, dass zum einen die Bedeutung des Festhaltens eines Eindrucks im Sinne von auf eine Film/ in eine Datei bannen als auch die Bedeutung des Wegschickens, Vertreibens oder Fernhaltens hat. Letztlich also ein Werkzeug, um die Distanz zu regulieren, die man zu den Kunstwerken haben möchte – Nähe oder Ferne.

Ein weiterer Aspekt für mich ist bei räumlicher Kunst, Skulpturen und Installationen die Frage der Perspektive. Es gibt letztlich immer unendlich viele mögliche Perspektiven der Betrachtung von Kunstwerken, aber wenn man so drumherum geht, gibt es eben immer auch Perspektiven, die für mich wichtiger oder bedeutsamer sind als andere. Auch dies kann ich betrachtend genießen oder aber festhalten, auch um mich später noch damit beschäftigen zu können. Zumindest in dem Maße, in dem man sich heute noch überhaupt mit dem Smartphone festgehaltenen Bildern beschäftigt. Auch hier hilft mir ein weiterer Schritt, ein Übertragen in ein älteres Medium. Indem ich die Bilder auf den Computer übertrage und in Dateiordnern sortiert ablege ist schon wieder ein ganz anderer Zugriff möglich als der heute übliche: „ scroll scroll wo war das noch mal scroll scroll klar warte, das muss doch scroll scroll oder habe ich sie gelöscht scroll scroll schau mal her, das war das Bild!“

In the past, I always turned up my nose a little when photographs were taken in an art exhibition or even in a photo show. In the meantime, I usually use my smartphone to record my impressions when visiting exhibitions and have thus created a kind of archive of my exhibition visits on my hard drive over the last five to six years. It is not so much a comprehensive documentation of the exhibitions as a kind of memory aid through pictures, also of the explanatory texts in the exhibitions and especially of those pictures that impressed me in one way or another.

In “die Motive #1” of the magazine for the culture of photography  I then found a very interesting article by Lea Hilsemer, who thinks in depth about this very phenomenon that more and more people are looking at art “through the smartphone”. The article is called “I must be under your spell – photography and fascination”. One result is that the motives for taking photographs in exhibitions can be very different. One of them is to capture the moments of fascination that inevitably happen during a visit to an exhibition. Completely independent of whether this is possible at all, whether the “WoW” can even be brought into view with a smartphone. It is certainly an understandable motive to want to remember what actually fascinated you so much when looking at it later. Perhaps this also explains why the picture taken does not have to be particularly good technically to fulfil its purpose.

On the other hand, there is also the suspicion that viewing with or through the smartphone is used to avoid too much direct contact, “being touched” too much. The screen creates distance and thus also protects the viewer. Lea Hilsemer sees these two seemingly contradictory directions united in the word ‘ban’, which in German on the one hand has the meaning of capturing an impression in the sense of capturing it on film/ in a file and on the other hand has the meaning of sending away, driving away or keeping away. Ultimately, it is a tool to regulate the distance you want to have to the artworks – proximity or distance.

Another aspect for me with spatial art, sculptures and installations is the question of perspective. Ultimately, there are always an infinite number of possible perspectives for viewing works of art, but when you walk around them, there are always perspectives that are more important or significant to me than others. I can enjoy looking at this too, or I can capture it so that I can deal with it later. At least to the extent that people today still use their smartphones to look at pictures they have taken. Here, too, another step helps me, a transfer to an older medium. By transferring the pictures to the computer and sorting them into file folders, I can access them in a completely different way than the usual way today: “scroll scroll scroll where was that again scroll scroll scroll clearly wait, that must be scroll scroll or did I delete it scroll scroll scroll look here, that was the picture!

Translated with the help of www.DeepL.com/Translator

Aus einer Zeit vor den Masken / from once upon a time before masks

 

5 Comments

  1. Klaus

    Eine Aussage von Schopenhauer, warum Menschen an Orten / besonderen Orten ihren Namen usw einritzen: Um wenigstens auf den Ort zu wirken, wenn er schon nicht auf sie wirkt. Manch Smartphonefotografierer, wie ich auch einer zu oft bin erinnern mich daran. Das Smartphone zeigt dann, um mit Flusser zu reden, wo der Apparat mit seinem menschlichen Anhängsel überall war. Das Foto ersetzt dann das reale Ereignis.
    Aber eine gezielte Erinnerungshilfe um einen beeindruckenden Moment wieder herholen zu können scheint mir eine sinnvolle Verwendung des Apparats zu sein.

    Oha, dynamisches Foto von dir. Hast du auf ein Foto im Glasrahmen drauf gehalten, dann: The work of art strikes back!

    • Rolf Noe

      Zu dem Photo: Es ist natürlich ein Handy-Photo (deswegen auch nicht in Lightroom ordentlich zurechtgerückt), das mir gut gefällt, weil durch die Spiegelung das Bild anreichert wird. Da bin ich selbst ertappt beim `snappen´ und fein säuberlich in zwei Hälften zerlegt (den Betrachter und den Narziss) zudem der Kontext. Wir befinden und in einer Ausstellung, im Hintergrund sieht man die angeeignete Serie von Atget-Bildern “Pariser Interieurs” von Sherie Levine (um den Namen wieder in den Kopf zu holen, hab ich auf meinen Smartphone-Bildern aus Hannover nachgeschaut)

      • Rolf Noe

        Ich merke gerade, du meinst das zweite Photo. Das ist etwas älter, aber auch in einer Ausstellung (da weiß ich leider nicht wo es war)

  2. Hania Kartusch

    Danke für diesen wunderbaren Beitrag – besonders die Erläuterungen des Begriffes “Bannen” haben mir sehr gut gefallen. Ich fotografiere oft bei Ausstellungen, soweit erlaubt, mit meiner Kamera, also einem noch größeren “Zwischenstück” zur Realität, um meine Begeisterung auf wordpress mit anderen zu teilen.

    • Rolf Noe

      Gerne! Dir vielen Dank für die Ergänzung mit dem Teilen. Das fügt, wenn es nicht einfach dem Zweck “guck mal, ich war auch da” dient, dem ganzen `Geknipse´ eine kommunikative Dimension hinzu.

Leave a Comment / Schreib einen Kommentar

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.